
Daniel Gianelli zum Thema: Diagnose Histaminunverträglichkeit - Provokationstest oder Eliminationsdiät?
Diagnose Histaminunverträglichkeit: Provokationstest oder Eliminationsdiät?
Zur Diagnose einer Histaminintoleranz bzw. einer Histaminunverträglichkeit kann man einen Histamin-Provokationstest oder eine Histamin-Eliminationsdiät durchführen. Wann aber ist ein Histamin-Provokationstest sinnvoller und wann eine Histamin-Eliminationsdiät? Gibt es jeweils Vor- und Nachteile? Und: Wie sicher ist die Diagnose? MeinAllergiePortal sprach mit Daniel Gianelli, Leiter Ernährungstherapie an der Hochgebirgsklinik Davos in der Schweiz über das Thema.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Daniel Gianelli
Herr Gianelli, was ist ein Histamin-Provokationstest und wie wird er durchgeführt?
Bei einer oralen Provokation mit Histamin nimmt der Patient eine auf das Körpergewicht berechnete Menge an Histamin in einer bestimmten ansteigenden Dosierung zu sich. Hierbei kommen auch Nocebo-Gaben, das heißt, nichtwirkende Scheinsubstanzen, zum Einsatz. Der Patient weiß also nicht, wann er Histamin erhält und wann nicht.
Was ist eine Histamin-Eliminationsdiät und wie wird sie durchgeführt?
Zur Objektivierung einer vermeintlichen Histaminunverträglichkeit bietet sich eine dreistufige Ernährungsumstellung an. Dabei werden in einer ersten Phase histaminhaltige Nahrungsmittel und auch solche Nahrungsmittel die erfahrungsgemäß zu gastrointestinalen Beschwerden führen, vermieden. Danach werden mit Unterstützung durch eine allergologisch versierte Ernährungsfachkraft, z.B. vom Arbeitskreis Diätetik in der Allergologie schrittweise wieder Nahrungsmittel eingeführt.
Wie unterscheiden sich der Histamin-Provokationstest und die Histamin-Eliminationsdiät im Hinblick auf ihren diagnostischen Wert?
Man kann diese beiden Verfahren nicht vergleichen, denn eine diätetische Intervention bietet sich immer als erste Maßnahme an.
Im Anschluss daran kann mit einer titrierten, das bedeutet, in einer definierten Menge verabreichten, oralen und verblindeten Provokation mit Histamin, die Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit von Histamin festgestellt werden. Bei positivem Ergebnis kommt dann wieder das dreistufige Ernährungsmodell zur Anwendung, da die individuelle Verträglichkeit der Zufuhr von Histamin in Nahrungsmitteln individuell verschieden sein kann. Mit der gezielten, von einer allergologisch versierten Ernährungsfachkraft begleiteten, dreistufigen Ernährungsumstellung soll letztendlich eine bedarfsdeckende Ernährung wieder möglich sein.
Bei negativem Ergebnis hat man die Gewissheit, dass nicht das Histamin die Ursache der Beschwerden ist.
Wann wäre ein Histamin-Provokationstest denn nicht sinnvoll?
Eine Histaminprovokation macht keinen Sinn, wenn unter histaminfreier Diät keine Beschwerdefreiheit bzw. deutliche Reduktion der Beschwerden erzielt werden kann.
Was ist im Zusammenhang mit der Histamin-Eliminationsdiät und dem Histamin Provokationstest zu beachten?
Eine histaminfreie bzw. histaminarme Diät kann eigentlich von jedem durchgeführt werden. Dabei ist für ein zielführendes Ergebnis die fachliche Begleitung einer in der Allergologie versierten Ernährungsfachkraft zwingend. Damit kann die Compliance wesentlich gesteigert werden und, sehr wichtig, man läuft nicht Gefahr eine Mangelernährung und/oder eine Essstörung zu entwickeln.
Die orale, verblindete, nocebo-kontrollierte, gewichtsadaptierte Histaminprovokationstestung ist ausgewählten medizinischen Zentren mit großer Erfahrung auf dem Gebiet der Ernährungsmedizin und Allergologie vorbehalten.
Das Krankheitsbild Histaminunverträglichkeit wird in der Bevölkerung zu oft als Auslöser von Gesundheitsbeschwerden vermutet. Auch auf Grund starker Thematisierung in den Medien und im Internet.
Die Diagnose Histaminunverträglichkeit wird bei uns nur mit der besagten Histaminprovokation gestellt, nicht aufgrund einer Histamin-Eliminationsdiät. Bei uns in der Hochgebirgsklinik erbringt – Stand 2019 – weniger als die Hälfte der Testungen den Nachweis einer Histaminintoleranz.
Ziel unserer Forschungsanstrengungen – in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich und der Universität Bonn (D) – ist es, mehr über die Ursachen der Unverträglichkeit zu erfahren, einfachere diagnostische Verfahren und wirkungsvolle Therapien zu entwickeln.
Kann man sagen, welche Erkrankungen oftmals die Ursache der Beschwerden sind, wenn es nicht die Histaminunverträglichkeit ist, was raten Sie den Patienten?
Die Ursache einer Histaminunverträglichkeit ist nicht geklärt. Diskutiert wird z.B. eine veränderte Darmpermeabilität. Zahlreiche Begleitfaktoren wie Medikamente, entzündliche Darmerkrankungen, der Hormonstatus oder eine gestörte Darmflora könnten eine Ursache einer veränderten Darmpermeabilität sein.
Kann eine Histaminunverträglichkeit durch orale Provokationstestung ausgeschlossen werden, müssen weitere Abklärungen, sei es gastroenterologisch, neurologisch, endokrinologisch, pneumologisch, kardiologisch oder auch psychosomatisch, getätigt werden.
In allen Fällen mit Nahrungsmittelbezug ist jedoch eine fachliche Begleitung durch eine professionelle Ernährungsfachkraft angezeigt. Nur so können unnötige einschneidende Einschränkungen im Speiseplan und eine eventuelle Mangelernährung vermieden werden. Auch kann damit die Lebensqualität wesentlich gesteigert werden.
Herr Gianelli, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.