Bauchbeschwerden durch Xylit?
Was Fruktosemalabsorbtion oder Sorbitintoleranz bedeuten, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Weniger bekannt ist, dass man auch auf Xylit unverträglich reagieren kann. Dabei kann Xylit ähnliche Bauchbeschwerden verursachen, wie die Unverträglichkeit von Fruktose oder Sorbit, sie ist jedoch weitaus seltener. MeinAllergiePortal sprach mit Univ. Doz. Dr. Maximilian Ledochowski, Facharzt für Innere Medizin und Ernährungsmedizin aus Innsbruck über die Xylit Unverträglichkeit bzw. Xylitintoleranz und den Unterschied zu Fruktose und Sorbit.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Univ. Doz. Dr. Maximilian Ledochowski
Herr Universitätsdozent Ledochowski, was ist Xylit?
Xylit, oder auch E 967, ist ein sogenannter Zuckeralkohol. Xylit wird als Zuckeraustauschstoff zum Süßen von Nahrungsmitteln verwendet, ähnlich wie Sorbit oder Sorbitol. Sorbit wird aber weitaus häufiger eingesetzt als Xylit, weil es billiger in der Herstellung ist.
In welchen Lebensmitteln wird Xylit als Zuckerersatz eingesetzt?
Aufgrund der höheren Kosten wird Xylit nur in kleinen Mengen eingesetzt, zum Beispiel in Kaugummi. Eine weitere Eigenschaft von Xylit ist seine antikariogene Wirkung, denn Xylit hat einen günstigen Einfluss auf die im Mund befindlichen Bakterien. Das hat Xylit zu einem „kleinen Siegeszug“ verholfen. Außerdem wird Xylit gerne als Feuchthaltemittel in Backwaren eingesetzt. Man sollte jedoch beachten, dass grundsätzlich alle Zuckeralkohole, also Zuckerersatz, zu Bauchbeschwerden und Durchfällen führen können.
Wo wird Xylit sonst noch eingesetzt Xylit?
Xylit ist vor allem in „zahnschonenden“ Kaugummis enthalten. Zahnschonend deshalb, weil der pH-Wert im Mund nicht so stark abfällt. Geringe Mengen an Xylit, wie sie in Kaugummis verwendet werden, machen in der Regel auch keine Probleme. Neuerdings gelangen aber große Mengen an Xylit unter der Bezeichnung Birkenzucker in den Handel. Bikenzucker wird als „gesunder Zuckerersatz“ beworben. Bei der Verwendung von Xylit als Zuckerersatz ist die Wahrscheinlichkeit groß, Reizdarmbeschwerden zu bekommen.
Das bedeutet, Xylit, Birkenzucker und Xylitol ind dasgleiche?
Ja, Xylit, Birkenzucker und Xylitol sind drei unterschiedliche Begriffe für die gleiche Substanz.
Warum führen Zuckeralkohole bzw. Zuckerersatz wie Sorbit und Xylit zu Bauchbeschwerden und Durchfällen?
Alle Zuckeralkohole können von Bakterien im Darm vergoren werden und dadurch zu Intoleranz-Reaktionen führen. Da Sorbit am häufigsten eingesetzt wird, ist die Sorbitintoleranz am bekanntesten.
Welche konkreten Symptome kann man bei einer Xylit-Unverträglichkeit haben?
Bei einer Xylit-Unverträglichkeit kann es zu Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall und Blähungen kommen. Eine Xylit-Allergie mit Beteiligung des Immunsystems gibt es allerdings nicht.
Handelt es sich bei Sorbit-Unverträglichkeit auch um einen Transporterdefekt wie bei der Fruktosemalabsorption?
Sorbit kann in Fruchtzucker bzw. Fruktose und Fruchtzucker kann in Sorbit umgewandelt werden. Und: Sorbit hat die Eigenschaft, den Fruchtzuckertransporter zu hemmen. Die Konsequenz: Wenn man Sorbit in hohen Dosen zu sich nimmt, kann man vorübergehend eine Fruktosemalabsorption entwickeln.
Was passiert im Körper, wenn man Xylit nicht verträgt?
Beim Xylit ist dies nicht der Fall, aber man weiß aktuell auch noch nicht genau, über welchen Transporter es aufgenommen wird. Wahrscheinlich über eine passive Diffusion vom Darm ins Blut. Jede Substanz, die wir essen, wird aber immer nur teilweise resorbiert, was bei den Kohlenhydraten mit dem sogenannten glykämischen Index gemessen wird.
Wie erfolgt die Diagnose der Xylitintoleranz?
Genau wie die Fruktosemalabsorption wird die Unverträglichkeit von Xylit über einen H2-Atemtest diagnostiziert.
Wozu dient die Messung des der glykämischen Indexes?
Der Referenzwert beim glykämischen Index ist die Resorption von Traubenzucker. Traubenzucker wird zu 100 Prozent resorbiert und alles, was weniger stark resorbiert wird als Traubenzucker, hat deshalb einen niedrigeren glykämischen Index. Bei den Zuckeralkoholen ist der glykämische Index grundsätzlich geringer, das heißt sie werden schlechter resorbiert. Ein Teil dieser Zuckeralkohole verbleibt deshalb im Darm. Die dort lebenden Bakterien „freuen“ sich regelrecht darüber und vergären die Zuckeralkohole. Überschreitet die Gärungsreaktion ein gewisses Maß, kommt es zu den typischen Beschwerden. Zuckeralkohole und alle Nahrungsmittel mit niedrigem glykämischen Index sind daher prädestiniert, zu Verdauungsbeschwerden zu führen – es besteht dann eine regelrechte Zuckeralkohol Unverträglichkeit! Ein niedriger glykämischer Index mag deshalb vom Diabetologen gewünscht sein, aber niemals von einem Gastroenterologen.
Sie sagten, dass Xylit nicht so häufig eingesetzt wird. Kommt es denn allein durch das Kaugummikauen zu Beschwerden durch Xylit oder Xylitintoleranz?
In meiner Praxis ist das exzessive Kaugummikauen tatsächlich der hauptsächliche Grund für eine klinisch relevante Xylitintoleranz. Auch in Zahncreme wird Xylit eingesetzt, aber Zahncreme schluckt man nicht und deshalb kommt es dadurch nicht zu einer Intoleranz. Das Problem Xylitintoleranz lässt sich deshalb sehr leicht lösen. Man kaut am besten einfach keinen Kaugummi mehr, wenn man eine „Kaugummi-Unverträglichkeit hat. Jeder Kaugummi enthält irgendeinen Zuckeralkohol, zum Beispiel Sorbit und diese Zuckeralkohole haben meist noch schlimmere Auswirkungen als Xylit.
Entwickelt man leichter eine Xylitintoleranz, wenn man bereits eine Fruktosemalabsorbtion oder eine Sorbitintoleranz hat?
Wenn bereits eine Unverträglichkeit von Fruchtzucker oder Sorbit besteht, führt dies zu einer Vermehrung der auf die Vergärung von Zuckeralkoholen spezialisierten Bakterienmasse im Darm. Im Vergleich zu einem „normalen“ Darm, haben die Bakterien, die Zuckeralkohole verstoffwechseln können, einen höheren Anteil. Kaut man dann einen Xylit-haltigen Kaugummi oder isst Xylit-haltige Lebensmittel, stürzen sich natürlich auch mehr Bakterien auf den Zuckeralkohol. Es kommt dann zu einer erhöhten Gärungsreaktion, als bei Menschen ohne Resorptionsstörung. Bei bestehender Intoleranz auf Zuckeralkohole „züchtet“ man sich diese Bakterien regelrecht heran. Das ist ein großes Problem in der modernen Lebensmittelindustrie.
Sollte man auch bei gastrointestinalen Störungen wie beim Reizdarmsyndrom oder einer Histaminintoleranz auf Xylit verzichten?
Kleine Mengen Xylit werden werden in der Regel vertragen, größere Mengen, sollten jedoch vermieden werden, vor allem dann wenn man unter Reizdarmbeschwerden leidet.
Welche Rolle spielt die Lebensmittelindustrie denn überhaupt bei der Entwicklung von Unverträglichkeiten von Zuckeralkoholen?
Die Lebensmittelindustrie argumentiert stets: Sorbit ist ein natürlicher Stoff, der in vielen Nahrungsmitteln von Natur aus vorkommt. Wie kann er dann schädlich sein?
Richtig ist: In einigen Obstsorten, zum Beispiel in Dörrobst oder Kirschen, kommt Sorbit tatsächlich natürlicherweise vor. Allerdings kommt Xylit in diesem Obst in so geringe Mengen vor, dass dies meistens nicht klinisch relevant wird. Das heißt, zu Beschwerden kommt es durch „natürliches Xylit“ nicht. Man isst ja auch nicht ständig Dörrobst oder Kirschen. Wenn aber Sorbit oder ähnliche Substanzen plötzlich als Feuchthaltemittel in Brot, Kuchen und Keksen, also überall da, wo Gebäck nicht altbacken werden soll, eingesetzt wird, kommen wir plötzlich auf tägliche Verzehrmengen von bis zu 20 g solcher Zuckeralkohole. Diese Mengen lösen dann sehr wohl relevante Darm-Symptome aus. Interessanterweise sind Xylit-haltige Lebensmittel für Hunde ausgesprochen giftig.
Hunde sollten dann also Xylit auf keinen Fall im Futter haben?
Es gibt Berichte darüber, dass Hunde gestorben sind, nachdem sie eine Packung Kaugummis gefressen hatten. Warum Xylit so giftig für Hunde ist, weiß man noch nicht genau. Offenbar sind sie weniger gut als Menschen in der Lage, Xylit abzubauen. Deshalb führen bereits geringe Xylitmengen bei Hunden zur Unterzuckerung und schlimmstenfalls sogar zum Tod.
Bei den Zuckeralkoholen kommt es also auf die Dosis an?
Ja, dazu ein Beispiel: Sie wollen ein Haus bauen und bestellen dafür Beton. Wird dieser Beton nun in den richtigen zeitlichen Abständen und in der richtigen Menge angeliefert, werden Sie ihr Haus wunderbar bauen können und Beton ist ein nützlicher Baustoff. Kommt jetzt aber der Fahrer und bringt Ihnen die Betonmenge, die Sie für einen Monat bestellt haben, auf einmal, finden Sie vor Ihrer Tür einen Betonberg. Dann können Sie den Beton nicht richtig verbauen, wissen nicht, wie Sie ihn wegbekommen sollen und es ist eine Katastrophe.
Zu viel Xylit in der Nahrung ist also regelrecht schädlich?
Ja, denn bei der Ernährung ist das genauso. Wenn eine Substanz in natürlichen Nahrungsmitteln vorkommt und diese Substanz im Zuge der Verdauung langsam herausgelöst und verstoffwechselt wird, ist sie meist weder giftig noch führt sie zu Bauchbeschwerden. Das gilt für viele Stoffe. Wenn die Lebensmittelindustrie diesen selben Stoff aber plötzlich exzessiv einsetzt und der Mensch permanent, ohne es zu ahnen, diesem Stoff ausgesetzt ist, werden die Entgiftungssysteme überfordert und es kommt zu Intoleranzreaktionen. Aus meiner Sicht ist dies eine gefährliche Entwicklung. Die Lebensmittelindustrie arbeitet jedoch so schnell, dass wir als Mediziner gar nicht nachkommen damit, jede neue Entwicklung in Erfahrung zu bringen bzw. rechtzeitig herauszufinden, welche Wirkungen damit einhergehen können.
Wie kann man einer Xylitintoleranz vorbeugen, eventuell durch eine aktive Unterstützung der Darmflora?
Vorbeugen kann man einer Xylit-Intoleranz gar nicht. Auch nicht durch eine aktive Unterstützung der Darmflora.
Herr Universitätsdozent Ledochowski, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/M. Ledochowski, www.mein-allergie-portal.com
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