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Deutscher Allergiekongress 2023: Ein Blick in die Zukunft

Deutscher Allergiekongress (DAK) Allergologie Fokus
Kongresspräsidenten Dr. Marcus Joest und Norbert K. Mülleneisen geben hier einen Einblick über die Zukunft der Allergien! Bildquelle: DAK

Einen ausgesprochen spannenden Kongress durften die über 1.200 Teilnehmer des 18. Deutschen Allergiekongresses - DAK vom 14. bis 16. September 2023 in Bonn erleben. Unter der Ägide der Präsidenten Dr. Marcus Joest und Norbert Mülleneisen war ein Kongressprogramm entstanden, das in vielerlei Hinsicht neue Wege ging. So wurden Berichte zu High End-Forschungsergebnissen zu Therapien, bei denen ein immer früheres Eingreifen in das Krankheitsgeschehen im Fokus stand, durch viel Praxis ergänzt. Zum Beispiel in Form der AllergoExperience-Demos in der Fachausstellung, bei denen wichtige allergologische Maßnahmen „Hands-on“ ausprobiert werden konnten. MeinAllergiePortal war auch dieses Mal wieder als Medienpartner dabei.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Referenten/Interviewpartner: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. ès sci. Prof. h. c. Thomas BieberProf. Dr. med. J. Christian VirchowProf. Dr. med. Christian Vogelberg, Alisa ArensPD Dr. med. Petra Zieglmayer Britta Stöcker,  Prof. Dr. med. André HörningProf. Dr. med. Boris Haxel 

 

Ein Blick in die Zukunft: Ist Disease Modification auch bei Neurodermitis möglich?

Das Konzept der „Disease Modification“ kennt man bereits bei Erkrankungen, die mit metabolischen Gewebsstörungen oder chronischen Entzündungen einhergehen. Dazu gehören zum Beispiel Alzheimer, Parkinson, rheumatoide Arthritis oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn. Gemeinsam haben all diese Erkrankungen, dass sie zu irreversiblen Gewebeschäden führen. Oft werden diese auch erst dann bemerkt, wenn der Schaden bereits eingetreten ist. Mit dem Konzept der Disease Modification verfolgt man bei diesen Erkrankungen das Ziel, diesen Prozess zu modifizieren, das heißt zu verlangsamen, oder im besten Falle anzuhalten. „Insbesondere bei der schweren Neurodermitis stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Konzept der Disease Modification auch hier greifen könnte“ erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Dr. ès sci. Prof. h. c. Thomas Bieber, Universitätsklinikum Bonn (UKB), „denn hier kommt es zu massiven Ausschüttungen von Zytokinen in der Haut, die einen atopischen Marsch anstoßen können“. Zwar handelt es sich bei der Neurodermitis um eine reversible lokale Entzündung, es treten keine Gewebsschäden auf. Es kommt aber häufig zur Entstehung weiterer Allergien, zum Beispiel Asthma. Weiter kann Neurodermitis mit neuro/psychosomatischen Erkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen und Osteoporose assoziiert sein. Die Neurodermitis ist also möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs. Das Ziel eines Disease Modification-Ansatzes bei Neurodermitis wäre, eine perfekte Kontrolle der Hautentzündung, das heißt eine nachhaltige Remission auch nach Therapieende, zu erreichen, sowie weitere allergische Komorbiditäten zu verhindern.

Mögliche Szenarien für krankheitsverändernde Medikamente wären:

  • Es kommt bei Neurodermitis zu Disease Modification, nicht aber beim Atopischen Marsch
  • Bei Neurodermitis kommt es nicht zur Disease Modification, wohl aber beim Atopischen Marsch
  • Es kommt sowohl bei Neurodermitis als auch beim Atopischen Marsch zur Disease Modification

Zum zweiten Szenario gibt es schon erste vielversprechende Studienergebnisse zu einem Biologikum (Dupilumab), das zumindest den Verlauf des atopischen Marsches zu beeinflussen scheint. Weitere Medikamente mit einem ähnlichen Potenzial befinden sich derzeit in der klinischen Prüfung.

Noch ein Blick in die Zukunft: Ist Remission bei Asthma bronchiale möglich?

Ebenfalls aus dem Bereich der chronisch-entzündlichen Erkrankungen (CED) kommt das Therapie-Konzept der Remission. Auch hier stellt sich die Frage der Übertragbarkeit, etwa auf Asthma bronchiale. Bei der Remission geht es nicht mehr nur um die Symptomkontrolle. Vielmehr wäre das Ziel der Remission, eine Rückentwicklung des Asthmas auch zu erreichen. Voraussetzung einer Remission ist deshalb eine Disease Modification. Mit Remission ist jedoch nicht gemeint, dass das Asthma geheilt werden kann. Vielmehr kann eine Remission auch unter Fortführung der Therapie erreicht werden, und auch eine partielle Remission ist möglich, wenn der Patient nur einige der Therapieziele erreicht. Erreichen möchte man bei der Remission bei Asthmapatienten weitestgehende Symptomfreiheit, eine stabile Lungenfunktion, dass keine Asthma-Exazerbationen mehr auftreten und dass kein Bedarf an systemischen Kortikosteroiden besteht. Das Konzept der „Remission des Asthmas“ bezieht sich aber nicht nur auf die klinischen Asthma Symptome, sondern auch auf die zugrundeliegenden Pathomechanismen. Aus diesem Grunde sollte auch die Typ-2-Inflammation unter Therapie möglichst zurückgehen oder ganz verschwinden. Es könnte sogar ein bereits begonnener Remodeling-Prozess gestoppt werden oder vollständig ausheilen. Mit den heute verfügbaren Biologika könnte es möglich werden, diese bislang nicht heilbaren Veränderungen des Epithels der Bronchien wieder zu beseitigen. Wir sehen das jetzt bereits an einzelnen Patienten“, erläutert Prof. Dr. med. J. Christian Virchow, Universitätsmedizin Rostock, „der nächste Schritt in der Asthma Therapie der Zukunft wäre dann eine präventive Therapie, mit der man verhindern kann, dass ein Asthma überhaupt entsteht“.

Frühe Sensibilisierung – könnte eine frühe Hyposensibilisierung helfen?

Studien zeigten eine deutliche Zunahme der allergischen Sensibilisierungen und das bereits im Kleinkindalter. Diese Entwicklung hat Konsequenzen, denn es ist bekannt, dass frühe Sensibilisierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterbestehen bleiben. Auch sind sie mit einem hohen Risiko für eine Allergieentstehung verbunden. Zudem sind frühe Sensibilisierungen auch ein Risikofaktor für Asthma. „Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob ein möglichst früher Start einer Hyposensibilisierung, auch als Allergen-Immuntherapie (AIT) bezeichnet, für die betroffenen Kinder in Frage käme“ sagt Prof. Dr. med. Christian Vogelberg, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden. Schließlich gilt die Allergen-Immuntherapie, früher auch als „spezifische Immuntherapie (SIT)“ bezeichnet, als kausale Allergietherapie und als Meilenstein in der Behandlung allergischer Erkrankungen, was für einen frühen Therapiebeginn spricht. Inwieweit eine frühe Behandlung bei Kleinkindern in das allergische Geschehen eingreifen könnte, ist jedoch noch nicht geklärt. Ungeklärt ist auch, ob bei der Hyposensibilisierung eines Kleinkindes im Vergleich zu einem Schulkind oder Erwachsenen, überhaupt von einem immunologischen Unterschied auszugehen ist. Hierzu fehlen Studien zur Sicherheit, zur Wirksamkeit, zum präventiven Effekt und zur Toleranz und Adhärenz. Allerdings gibt es im Hinblick auf die Sicherheit aktuell auch keine Anhaltspunkte für Risiken der SIT, und möglicherweise reagieren Kleinkinder sogar besser auf die Therapie als ältere Kinder und Erwachsene. Damit könnte die SIT nicht nur eine medizinische, sondern auch eine ethische Entscheidung werden.

 

 

Frühe Sensibilisierung auf Kuhmilch oder Hühnerei: Könnte die „Kuhmilchleiter“ oder „Hühnereileiter“ helfen?

Die Hühnereiallergie und die Kuhmilchallergie sind die beiden häufigsten Nahrungsmittelallergien im Säuglings- und Kleinkindalter. Bei beiden Erkrankungen kann es auch zu der gefürchteten Anaphylaxie kommen. Allerdings verträgt ein Großteil der betroffenen Kinder trotz Allergie Kuhmilch und Hühnerei in verbackener Form. Bei den meisten Kindern verliert sich die Allergie auf Ei und Milch mit der Zeit wieder. „Allerdings kann bis zum Verschwinden der Allergie die Lebensqualität der betroffenen Kinder durch die absolute Meidung der Allergene stark beeinträchtigt sein“ erklärt Alisa Arens, Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult, Hannover, „deshalb versucht man, den Zeitraum bis zur spontanen Heilung abzukürzen, indem man bei den Kindern, je nach Erkrankung, mit dem Konzept der sogenannten “Kuhmilchleiter" oder “Hühnereileiter” behandelt“. Das bedeutet, dass man Kuhmilch und Hühnerei in gebackener Form, schrittweise, mit zunehmender Menge und Allergenität einführt. Ziel ist die Entwicklung einer natürlichen Toleranz, wobei allerdings die regelmäßige Einnahme wichtig ist. Insgesamt stellt das Leiter-Konzept eine gute Möglichkeit dar, Kinder mit Kuhmilch- und Hühnereiallergie schneller in die Toleranz zu bringen. Für die Familie bedeutet die Einführung der Backwaren mehr Sicherheit und Zufriedenheit im Alltag, weniger Angst und Isolation, mehr soziale Anteilhabe, mehr Lebensqualität. Das Leiter-Konzept sollte aber nur unter ärztlicher Aufsicht und nur bei jenen Kindern angewandt werden, die auch dafür geeignet sind. Ob das der Fall ist, muss mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. 

Gesamt-IgE (tIgE) - spezifisches IgE (sIgE): Was bedeutet das bei der Allergiediagnose?

Kommt bei der Anamnese, dem Arztgespräch, der Verdacht auf, dass eine Allergie besteht, ist ein Prick-Test die erste diagnostische Maßnahme. Ergeben sich hier unklare Befunde, wird die serologische Diagnostik angewendet, die Untersuchung am Blutserum. Bei der serologischen Diagnostik wird das Gesamt-IgE bestimmt, denn dies erlaubt eine grundsätzliche Aussage über die allergische Reaktionsbereitschaft. Hinzu kommt die Bestimmung des spezifischen IgE auf einzelne Allergenquellen, diese weist eine bestehende Sensibilisierung auf einen bestimmten Allergieauslöser nach. Für die Allergiediagnose bestimmt man beide Werte, um sie zueinander ins Verhältnis zu setzen. „Das bedeutet: Ist das Gesamt-IgE hoch, kann auch ein hoher spezifischer IgE-Wert im Verhältnis gering ausfallen. Umgekehrt kann auch ein niedriger spezifischer IgE-Wert prozentual hoch sein, wenn der Gesamt-IgE-Wert niedrig ist“ erklärt PD Dr. med. Petra Zieglmayer, HNO-Ärztin in Wien und Dozentin an der Karl Landsteiner- Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems, „der Vergleich von Gesamt-IgE und spezifischem IgE erlaubt also eine Einschätzung dazu, wie relevant die Sensibilisierung für die Symptomatik der Betroffenen ist.“

 

 

Anaphylaxie bei Kindern: Was sollten Eltern wissen?

Die Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen fangen bei der Anaphylaxie schon bei den Symptomen an. Diese sind oft unspezifisch und können sich zum Beispiel in Bauchschmerzen oder Müdigkeit äußern. Insbesondere kleine Kinder sind oft nicht in der Lage, eine sich anbahnende Anaphylaxie zu kommunizieren, so dass oft ein verändertes Verhalten ein erstes Anaphylaxie-Anzeichen sein kann. „Was Eltern aber wissen sollten: Mit zunehmendem Alter ändern sich auch die Anaphylaxiesymptome, so treten Erbrechen und Husten bei Kleinkindern deutlich häufiger auf als bei älteren Kindern“ erklärt Britta Stöcker, Kinderärztin in Bonn, „Eltern sollten also wachsam sein und sich über mögliche Symptomänderungen informieren“. Beim Anaphylaxie-Soforthilfeset ist dementsprechend darauf zu achten, dass die Dosierung und die Darreichungsform der Medikamente regelmäßig an das Alter des Kindes angepasst werden. Dabei muss für den Anaphylaxie-Notfall stets klar sein, ab wann, welches Medikament angewendet werden sollte und vor allem wie. Das ist insbesondere beim Adrenalin-Autoinjektor (AAI) von größter Wichtigkeit. Deshalb sollte dessen Anwendung regelmäßig mit einem Trainer-AAI ohne Nadel geübt werden. Auch die Schulungen müssen bei Kindern und Jugendlichen altersgerecht an deren Bedürfnisse angepasst werden. Wichtige Informationen findet man bei der Arbeitsgemeinschaft Was Eltern aber wissen sollten https://www.anaphylaxieschulung.de/.

 

 

Schluckbeschwerden, Kloß im Hals, Sodbrennen? Neues zur EoE!

Die EoE oder eosinophile Ösophagitis ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Speiseröhre, die durch Nahrungsmittelallergene ausgelöst wird. Auch viele Kinder und Jugendliche sind betroffen, wobei die Symptome durchaus unterschiedlich ausfallen können. „Bei Säuglingen und Kleinkindern kommt es durch EoE häufig zu Übelkeit, Erbrechen, ungenügender Gewichtszunahme und schlechter körperlicher Entwicklung“, erläutert Prof. Dr. med. André Hörning, Uniklinikum Erlangen. Ab dem Schulkindalter und insbesondere bei Jugendlichen überwiegen dann bei EoE Symptome an der Speiseröhre, wie Sodbrennen, Schluckbeschwerden oder gar das Steckenbleiben von Nahrungsmitteln. Bleibt die EoE unerkannt, schreitet die Erkrankung fort, was zu einer Fibrose oder Stenosierung, einer Versteifung der Speiseröhre, führen kann. Zur Behandlung der EoE standen lange Zeit ausschließlich topische Steroide (TCS), Protonenpumpenhemmer (PPI) oder sehr strikte Eliminationsdiäten (ED) zur Verfügung, die aber nicht bei allen Patienten eine Symptomfreiheit bzw. eine Verbesserung des entzündlichen Gewebes in der Speiseröhre erreichen konnten. Zudem sind die meisten Medikamente für das Kindes- und Jugendalter nicht zugelassen, müssen also off-label angewendet werden. Mit Dupilumab, einem gegen IL-4 und IL-13 gerichteten Biologikum, steht nun eine weitere Therapieoption für Patienten ab 12 Jahren zur Verfügung, bei der sich in Zulassungsstudien eine hohe antientzündliche Wirksamkeit, eine Verbesserung der Symptome bei guter Verträglichkeit zeigte. 

 

 

Nasenpolypen: Was hilft bei Riechstörungen?

Bei Nasenpolypen kommt es zu einer Behinderung der Nasenatmung, was die Patienten im Alltag sehr belastet. Ein weiteres, ausgesprochen störendes Symptom bei Nasenpolypen ist aber oft auch das verminderte Riechvermögen. Ursächlich hierfür ist ein chronischer Entzündungsreiz, der das olfaktorische Epithel schädigt. In Studien hat man gesehen, dass es auch hier, ebenfalls durch den Antikörper Dupilumab, zu einer Besserung, insbesondere auch des Riechvermögens kommt. „Gerade die Interleukine 4 und 13 sind für den Riechverlust bei Nasenpolypen verantwortlich, indem sie die olfaktorische sensorneuronale Funktion der Riechzellen beeinträchtigen“, berichtet Prof. Dr. med. Boris Haxel, Schwarzwald-Baar Klinikum, Villingen-Schwenningen, „das könnte der Grund dafür sein, dass ein gegen diese beiden Interleukine gerichteter Antikörper den Patienten mit Riechverlust so gut hilft“. Für die Patienten ist das eine gute Nachricht, die erheblich zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann.

 

 

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

16. Oktober 2023

Autor: S.Jossé,www.mein-allergie-portal.com

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