Wann kommt es bei COPD zu Herzerkrankungen?
Die chronisch-obstruktive Bronchitis, COPD, ist die dritthäufigste Todesursache weltweit. Dabei wird sie oft von anderen Erkrankungen begleitet, man nennt das auch „Begleiterkrankungen. Diese betreffen vor allem das Herz, denn Lunge und Herz hängen sehr eng zusammen. Eine Verschlechterung der COPD führt aus diesem Grunde gleichfalls zu negativen Effekten auf die Herzfunktion. In diesem Beitrag geht es darum, inwiefern COPD und Herz-Kreislauferkrankungen sich gegenseitig beeinflussen.
Autor: Dr. med. Anna Eger
COPD und Herzerkrankungen: Die wichtigsten Fakten!
▶COPD und Herzerkrankungen werden oft gemeinsam angetroffen
▶Umgekehrt haben auch Herzerkrankungen einen Einfluss auf die COPD
▶Da begleitende Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems prognoserelevant sind, sollten sie sorgfältig diagnostiziert und behandelt werden
▶Die Langzeittherapie der COPD hat positive funktionelle Einflüsse auf das Herz
▶Es gibt Dinge, auf die COPD- und Herzpatienten achten können, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen
Wie häufig kommt es bei COPD auch zu Herzerkrankungen?
Die Rate von Herz-Kreislauferkrankungen bei Patienten mit COPD liegt bei etwa 20 bis 30 Prozent. Umgekehrt verhält es sich ähnlich. Es wäre jedoch zu einfach, zu behaupten, dass es lediglich einen bidirektionalen, das heißt einen in beide Richtungen wirksamen, Zusammenhang zwischen diesen beiden Erkrankungen gibt. Die meisten der COPD-Betroffenen leiden unter weiteren Erkrankungen aus verschiedenen Bereichen. Man spricht von Multimorbidität.
Welche Arten von Herzerkrankungen können bei COPD auftreten?
Mögliche Herz- beziehungsweise Herz-Kreislauferkrankungen, die häufig gemeinsam mit einer COPD vorliegen, sind:
- Koronare Herzkrankheit (KHK)
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
- Bluthochdruck
- Herzschwäche
Haben Exazerbationen, also akute Verschlechterungen der COPD, einen Einfluss auf die Häufigkeit akuter kardiovaskulärer Ereignisse?
Beobachtungen haben ergeben, dass Patienten mit COPD nach akuten Exazerbationen ein erhöhtes Risiko für akute Ereignisse des Herz- und Gefäßsystems haben.
Nach einer mittelschweren Exazerbation einer COPD besteht in den ersten 5 Tagen ein doppelt so hohes Herzinfarktrisiko.
Das Schlaganfallrisiko innerhalb von sechs bis zehn Tagen nach einer mittelschweren Exazerbation liegt um circa 40 Prozent höher.
Patienten mit einer begleitenden KHK bei COPD haben für noch mindestens 90 Tage nach einer Exazerbation ein erhöhtes Risiko für:
- Herzinfarkt
- Schlaganfall
- Instabile Angina pectoris
- Transitorische ischämische Attacke
- Tod
Gibt es Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit der jeweiligen Herzerkrankung bei COPD?
Einer Studie zufolge lag die Häufigkeit der Begleiterkrankungen bei Patienten mit COPD im Durchschnittsalter von 64 Jahren bei…
- … KHK 14 Prozent
- … paVK 11 Prozent
- … Bluthochdruck > 50 Prozent
- … Herzschwäche 5 Prozent
Nach 4,5 Jahren Beobachtungszeitraum hat sich die Häufigkeit der Herzschwäche mehr als verdoppelt, die anderen Erkrankungen haben ebenfalls zugenommen, jedoch nicht so stark.
Was weiß man über die Ursache für den Zusammenhang zwischen Herzerkrankungen und COPD?
Es gibt verschiedenen funktionelle Zusammenhänge zwischen Herz und Lunge.
Herzerkrankung und Lungenemphysem bei COPD
Zum Beispiel kann man einen Zusammenhang feststellen zwischen einem diagnostizierten Lungenemphysem, das ist eine Überblähung der Lunge, und einem verringerten Herzzeitvolumen. Kompensatorisch, das heißt zum Ausgleich, erhöht sich der Herzschlag, was sich wiederum ungünstig auf die COPD auswirkt.
Herzrhythmusstörungen bei COPD
Bei der COPD kommt es häufig zu einer verminderten Vorlast des Herzens. Die Vorlast sagt vereinfacht aus, wie gut das Herz am Ende der Füllungsphase mit Blut gefüllt ist. Durch eine verminderte Vorlast reagiert der Herzmuskel bei Belastungsspitzen mit einer erhöhten Wandspannung, woraus Herzrhythmusstörungen resultieren können. Des weiteren wirkt sich die reduzierte Vorlast auf die sogenannte diastolische Funktionsstörung des Herzens aus, das heißt, der Herzmuskel nicht mehr fähig ist, sich zwischen den Herzschlägen ausreichend zu entspannen.
Verdickter Herzmuskel durch COPD
Außerdem führt die COPD durch die Entwicklung eines Lungenhochdrucks aufgrund einer durch Sauerstoffmangel bedingten Blutgefäßverengung zur Verdickung des Herzmuskels der rechten Herzkammer.
Arteriosklerose durch COPD
Die chronischen Entzündungsprozesse bei COPD führen außerdem zu einer systemischen Entzündung, die auch die Blutgefäßwände betrifft und die Arteriosklerose, also Gefäßverkalkung mit all ihren Auswirkungen, vorantreiben kann.
Wird eine bestehende Neigung zu Erkrankungen des Herzens durch Rauchen bzw. die daraus folgende COPD getriggert oder verursacht erst die COPD die Herzerkrankung?
Nikotinkonsum ist sowohl für COPD als auch für Herzerkrankungen ein eigenständiger Risikofaktor. In den Industrieländern gilt das Rauchen allgemein als das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko.
Auf das Herz-Kreislaufsystem hat Rauchen vielfältige negative Einflüsse: Durch eine ungünstige Auswirkung auf die Zusammensetzung der Blutfettwerte, Veränderungen der Fließ- und Gerinnungseigenschaften des Blutes und Schädigung der Innenwand der Blutgefäße sterben Raucher doppelt so häufig an Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße.
Zwischen Rauchen und der Entwicklung einer COPD besteht ein dosisabhängiger Zusammenhang. Das heißt, je mehr Zigaretten konsumiert werden, desto häufiger und schwerer treten Funktionsstörungen der Atemwege im Sinne einer COPD mit oder ohne Lungenemphysem auf. Raucher sterben fünfmal häufiger an COPD als Nicht-Raucher.
An welchen Symptomen erkennen COPD-Patienten, dass sie am Herzen erkrankt sind?
Die Diagnose von Herzerkrankungen im Anfangsstadium bei Patienten mit COPD kann aus zweierlei Gründen leicht verzögert erfolgen:
Erstens, die Symptome der COPD überlagern die Symptome einer Herzkrankheit. Die Atemnot wird der Lunge und nicht dem Herzen zugeordnet.
Zweitens treten die eher unspezifischen Beschwerden erst in fortgeschrittenem Stadium der Herzerkrankung auf.
Im fortgeschrittenen Stadium der Herzerkrankung kann es unter anderem zu den folgenden Symptomen kommen:
- Atemnot bei Belastung
- Abgeschlagenheit
- Brustschmerzen
- Wassereinlagerungen oder
- kurzer plötzlicher Bewusstseinsverlust
Wie wird bei COPD die Diagnose einer zusätzlichen kardiovaskulären Erkrankung gestellt?
Es gibt sogenannte Biomarker, die sich im Blut bestimmen lassen, wenn der Verdacht auf eine Herzerkrankung vorliegt und die bei Patienten mit COPD dazu verwendet werden, um prognoserelevante Informationen zu gewinnen. Diese beiden Biomarker sind Toponin T und BNP/NT-proBNP.
Troponin wird aus absterbenden Herzmuskelzellen freigesetzt. Bei etwa der Hälfte der Patienten mit einer akuten Verschlechterung einer COPD wird ein deutlicher Troponinanstieg festgestellt. Die Messung des Troponins bei COPD-Patienten kann diejenigen identifizieren, die eine weiterführende kardiologische Diagnostik benötigen.
BNP und NT-pro-BNP sind Werte, die bei einer Herzschwäche ansteigen, da sie als Zeichen einer erhöhten Druck- oder Volumenbelastung des Herzens gedeutet werden können. Erhöhte Spiegel finden sich auch bei akuter Verschlechterung der COPD.
Ein 12-Kanal-EKG und eine Herzultraschalluntersuchung sollten bei COPD-Patienten großzügig und zeitnah durchgeführt werden, um Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen und Therapien einzuleiten.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für COPD-Patienten mit Herzerkrankungen bzw.unterscheiden sich diese von der Behandlung bei reinen Herzpatienten?
Ganz grundsätzlich sollten beide Erkrankungen, COPD und Erkrankungen des Herzens, unabhängig voneinander behandelt werden. Das bedeutet, dass das gleichzeitige Vorliegen der jeweils anderen Erkrankung in aller Regel keine Kontraindikation für die Behandlung der Grunderkrankung darstellt. Betablocker gehören zum Beispiel in die Therapie der meisten Herzerkrankungen. Während sie beim Asthma kontraindiziert sind, dürfen bestimmte, sogenannte kardioselektive, Betablocker bei COPD zur Behandlung eingesetzt werden. Umgekehrt haben die bei COPD inhalativ angewendeten Betamimetika keine ungünstigen Effekte auf die Herzerkrankung. Vielmehr verbessert eine gute Inhalationstherapie bei COPD-Patienten anscheinend sogar die Situation des Herzens.
Wie wirkt sich bei COPD eine zusätzliche Herzerkrankung auf die Lebenserwartung aus?
Zusätzliche Herz-Kreislauferkrankungen scheinen eindeutig mit einer höheren Sterblichkeit der COPD-Patienten vergesellschaftet zu sein. Unter ihnen stellt die koronare Herzkrankheit die häufigste Todesursache von Patienten mit COPD dar. Besonders hoch ist das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden nach einer stattgehabten Exazerbation.
Können COPD-Patienten etwas tun, um eine zusätzliche Herzerkrankung zu vermeiden?
Alle Patienten sollten auf das Vorliegen von Risikofaktoren für die Entstehung zusätzlicher Herzkreislauferkrankungen untersucht werden. Einige dieser Risikofaktoren sind auf individueller Ebene beeinflussbar. Ganz allgemein gibt es bestimmte Empfehlungen für die Optimierung des Lebensstils, um der Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen vorzubeugen.
Zu den empfohlenen Präventionsmaßnahmen für Erkrankungen des Herzens gehören:
- Körperliche Aktivität im Rahmen der Fähigkeiten und des Gesundheitszustandes
- Reduktion sitzender Tätigkeiten und Ausüben leichter Aktivitäten über den Tag verteilt
- Einhalten einer gesunden Ernährung, vorzugsweise mediterrane Diät, mit ungesättigten Fettsäuren, reduzierter Salzzufuhr, pflanzlich betonter und ballaststoffreicher Ernährung
- Verzehr von fettreichem Fisch mindestens einmal pro Woche, weniger Fleisch
- Einschränkung der Zufuhr von freiem Zucker auf höchstens 10 Prozent der Energiezufuhr
- Reduzierter Alkoholkonsum auf maximal 100g pro Woche
- Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Patienten
- Kompletter Verzicht auf das Rauchen
Was können die Patienten selbst tun, wenn sie COPD und gleichzeitig eine Herzerkrankung haben?
Für COPD-Patienten mit gleichzeitiger Herzerkrankung ist das strikte Befolgen der ärztlichen Anordnungen im Hinblick auf Lebensstil und medikamentöse Behandlung besonders wichtig und prognoserelevant. Dazu zählen ebenso die oben genannten Maßnahmen. Eine gut kontrollierte COPD wirkt sich positiv auf die Herzerkrankung aus und umgekehrt.
Quellen:
Nationale Versorgungsleitlinie COPD (2021); publiziert 17.08.2021; gültig bis25.06.2026
Heinzl, S.: Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung: Die kardiovaskuläre Letalität ist kaum beeinflussbar; in: Dtsch Arztebl 2016; 113(29-30): A-1389 / B-1171 / C-1151; https://www.aerzteblatt.de/archiv/180844/Chronisch-obstruktive-Lungenerkrankung-Die-kardiovaskulaere-Letalitaet-ist-kaum-beeinflussbar (Abruf 14.07.2024)
Klemmer, A.; Vogelmeier, C.-F.: COPD – Nicht nur eine Lungenerkrankung; in: Dtsch Arztebl 2015; 112(9): [4]; https://www.aerzteblatt.de/archiv/168389/COPD-Nicht-nur-eine-Lungenerkrankung (Abruf 14.07.2024)
Neurohr, C. et al.: Essenzielle Praxisfragen: Herzenssache COPD; in: Dtsch Arztebl 2019; 116(7): [10]; DOI: 10.3238/PersPneumo.2019.02.15.002; https://www.aerzteblatt.de/archiv/205526/Essenzielle-Praxisfragen-Herzenssache-COPD (Abruf 14.07.2014)
Alter, P. et al.: Kardiopulmonale Morbidität und Mortalität: Herzerkrankungen und COPD – häufige Partner; in: Dtsch Arztebl 2023; 120(18): [6]; DOI: 10.3238/PersKardio.2023.05.05.01; https://www.aerzteblatt.de/archiv/230896/Kardiopulmonale-Morbiditaet-und-Mortalitaet-Herzerkrankungen-und-COPD-haeufige-Partner (Abruf 14.07.2024)
Kahnert, K. et al.: Diagnostik und Therapie der COPD und ihrer Komorbiditäten; in: Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 434-44; DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0027; https://www.aerzteblatt.de/archiv/232196/Diagnostik-und-Therapie-der-COPD-und-ihrer-Komorbiditaeten (Abruf 14.07.2024)
Trinkmann, F. et al: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung und kardiale Komorbiditäten – Was beachten bei Diagnostik und Therapie? In: Zeitschrift für Pulmologie, Ausgabe 4/2017; https://www.springermedizin.de/koronare-herzerkrankung/copd/chronisch-obstruktive-lungenerkrankung-und-kardiale-komorbiditae/12346584#pay-wall (Abruf 14.07.2024)
Alter, P. et al: COPD und kardiovaskuläre Komorbiditäten; In: Pneumo News; Ausgabe 2/2018; https://www.springermedizin.de/copd/lungenemphysem/copd-und-kardiovaskulaere-komorbiditaeten/15633916 (Abruf 14.07.2024)
ESC Pocket Guidelines; Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen; Version 2021; https://leitlinien.dgk.org/files/03_2021_pocket_leitlinien_praevention_aktualisiert.pdf (Abruf 14.07.2024)
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: Dr. med. Anna Eger, mein-allergie-portal.com
Lesen Sie auch
-
Auswurf: Was kann die Ursache sein?
-
Kann man Asthma und COPD gleichzeitig haben?
-
Lungenfibrose: Ursachen, Symptome, Diagnose, Therapie
Weitere Beiträge
News - COPD
- COPD gut behandeln: Es gibt eine neue Therapie!
- Wann kommt es bei COPD zu Herzerkrankungen?
- Lungenfibrose: Ursachen, Symptome, Diagnose, Therapie
- Wann hat man eine chronische Bronchitis?
- Kann man Asthma und COPD gleichzeitig haben?
- Auswurf: Was kann die Ursache sein?
- COPD-Therapie: Was gibt es und woran wird geforscht?
- COPD: Was ist das?