Colitis ulcerosa: Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt?
Bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wirkt sich ihre Krankheit nicht nur auf den Darm, sondern ebenso auf andere Bereiche des Körpers aus. Davon betroffen ist auch das Blutgefäßsystem. Dass von CED Betroffene gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko haben, eine Thrombose in den Venen zu entwickeln, ist schon seit vielen Jahren bekannt. Doch wie sieht die Situation in den Schlagadern des Körpers, den Arterien, aus, welche die Organe mit lebenswichtigen Nährstoffen und Sauerstoff versorgen? Eine Verstopfung dieser Arterien durch Verkalkung (Arteriosklerose) oder ein Blutgerinnsel (arterielle Thrombose) kann zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Die Studienlage zum Zusammenhang dieser Erkrankungen war lange Zeit kontrovers, inzwischen scheint sich aber abzuzeichnen, dass eine CED tatsächlich als eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen anzusehen ist.
Autor: Dr. med. Anna Eger
Colitis ulcerosa, Herzinfarkt, Schlaganfall: Die wichtigsten Fakten!
▶Colitis ulcerosa-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall
▶Herzinfarkt oder Schlaganfall entstehen meistens auf dem Boden einer Gefäßverkalkung (Arteriosklerose)
▶Ein Herzinfarkt entsteht durch Verstopfung der Herzkranzgefäße
▶Bei einem Schlaganfall ist ein das Gehirn versorgende Blutgefäß verstopft
▶Manchmal gibt es Vorboten für Herzinfarkt oder Schlaganfall, die unbedingt ernst genommen werden sollten
▶Verschiedene Maßnahmen und Medikamente können helfen, das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall zu verringern
Colitis ulcerosa: Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich häufiger
Patienten mit CED entwickeln häufiger als gesunde Menschen Erkrankungen, die mit dem Herz-Kreislauf-System zusammenhängen.
Mögliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Colitis ulcerosa sind:
- Koronare Herzkrankheit
- Herzrhythmusstörungen
- Venöse und arterielle Embolien
- Herzinsuffizienz
- Herzmuskelentzündung
- Aortenaneurysma
Kommen zu Colitis ulcerosa Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzu, kann es zu den folgenden akuten Ereignissen kommen:
- Herzinfarkt
- Schlaganfall
- Lungenembolie
Besonders häufig scheinen Frauen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen von Herzerkrankungen betroffen zu sein und – was besonders tückisch ist – junge Menschen, die normalerweise noch nicht mit derartigen Problemen zu rechnen haben.
Das Risiko, bei einer Autoimmunerkrankung wie der Colitis ulcerosa eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen, ist in etwa so hoch wie für Diabetiker, bei denen der Risikoanstieg 62 Prozent beträgt. Und: Dieses Risiko ist sogar höher, als bei Menschen mit Bluthochdruck, bei denen der Risikoanstieg bei einem um 20mmHg erhöhten Blutdruck 26 Prozent beträgt.
Sind auch Kinder gefährdet?
Das mittlere Erkrankungsalter für Colitis ulcerosa liegt bei 25 bis 35 Jahren. Das Risiko für die Entwicklung von Komplikationen am Gefäßsystem ist größer, wenn sich die chronisch entzündliche Darmerkrankung bereits zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr ausgeprägt hat. Etwa 15 bis 40 Prozent der Colitis ulcerosa-Fälle treten bereits vor dem 20. Lebensjahr auf, für den Morbus Crohn sind diese Zahlen etwas höher. Selten können sogar Säuglinge betroffen sein. Die Gefäße bei Erkrankungen wie CED „altern“ schneller als normal, aber es dauert eine gewisse Zeit, bis die Veränderungen sichtbar und Symptome spürbar werden. Dass bereits Kinder von Schlaganfällen oder Herzinfarkten durch eine CED betroffen sind, ist also eher unwahrscheinlich. Allerdings haben jüngere Menschen mit Colitis ulcerosa unter 40 Jahren sogar ein neunfach erhöhtes Risiko einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Dabei sind Frauen häufiger als Männer betroffen. Dennoch sind Herzinfarkte in dieser Altersgruppe vergleichsweise selten, denn von allen Herzinfarkten betreffen nur etwa 5 Prozent Menschen unter 40 Jahren.
Herzinfarkt – Schlaganfall – was ist der Unterschied?
Der Unterschied zwischen Herzinfarkt und Schlaganfall ist nicht allen Menschen klar. Beide Erkrankungen sind medizinische Notfälle, die schneller Hilfe bedürfen. Sie betreffen jedoch völlig unterschiedliche Körperteile.
Ein Herzinfarkt entsteht, wenn die Blutversorgung des Herzmuskels über die sogenannten Koronararterien unterbrochen wird. Damit kann der Herzmuskel nicht mehr mit genügend Sauerstoff versorgt werden, die Zellen sterben ab und das Herz verliert seine Leistungsfähigkeit oder es entstehen andere akute Komplikationen. Bei einem Herzinfarkt kommt es in der Regel durch eine fortschreitende Verkalkung der Blutgefäßwände – man nennt das Arteriosklerose – zu einer allmählichen Verengung, die dann schließlich durch Blutgerinnsel komplett verstopfen.
Bei einem Schlaganfall wird hingegen die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen. Man unterscheidet den ischämischen Schlaganfall, bei dem ein Blutgefäß wie beim Herzinfarkt verstopft, und den hämorrhagischen Schlaganfall, bei dem ein Blutgefäß platzt und zu einer Blutung im Gehirn führt.
Ursachen: Warum kommt es bei Colitis ulcerosa häufiger zu Herzinfarkt und Schlaganfall?
Die Ursachen für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen und Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Colitis ulcerosa sind komplex. Einerseits spielen autoimmune Effekte auf das Bindegewebe und die kleinen Blutgefäße eine Rolle und können die Arteriosklerose, also Gefäßverkalkung, vorantreiben. Andererseits gibt es Effekte auf die Herzmuskelzellen direkt. Darüber hinaus sind die zur Therapie eingesetzten immunsupprimierenden Medikamente wie Kortikosteroide oder Biologika sowie NSAR wahrscheinlich ein weiterer sich ungünstig auswirkender Faktor. Die Dysbalance des Mikrobioms im Darm bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist über verschiedene proinflammatorische Zytokine außerdem fähig, eine systemische Entzündungsreaktion im Körper hervorzurufen, die sich auch auf das kardiovaskuläre System auswirkt. Somit kann die bei der Colitis ulcerosa bestehende Darmentzündung Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems befördern.
Colitis ulcerosa: Erhöht die Entzündung das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall?
Die Wand der Blutgefäße ist reich an Entzündungszellen, wie Makrophagen, aktivierten T-Zellen, Mastzellen und anderen. In Studien konnte gezeigt werden, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen entzündlichen Markern im Blut und der Entstehung sowie dem Fortschreiten von Arteriosklerose. Es gibt Studiendaten, die belegen, dass eine antientzündliche Behandlung bei Patienten mit Gefäßverkalkung deren Folgeerkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt vorbeugen kann. Diesbezüglich beschäftigen sich viele neue Forschungen mit erfolgversprechenden antientzündlichen Medikamenten zur Senkung des kardiovaskulären Risikos.
Alle Erkrankungen, die mit einer chronischen Entzündung einhergehen, erhöhen somit das Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Dies trifft insbesondere auf Autoimmunerkrankungen, so auch für chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn, zu. Besonders hoch ist das Risiko während eines akuten Schubes.
Colitis ulcerosa: Woran erkennt man, dass ein Herzinfarkt und Schlaganfall droht?
Erste Anzeichen für Herzinfarkt und Schlaganfall können noch unspezifisch sein und unter Umständen von den Betroffenen noch nicht ernsthaft als solche wahrgenommen werden. Nicht immer gibt es „Vorboten“ vor dem akuten Ereignis, aber manchmal gehen einem Herzinfarkt oder Schlaganfall bestimmte Symptome voraus. Diese Warnsignale sind auf jeden Fall sehr ernst zu nehmen und müssen ärztlich abgeklärt werden.
Vorboten und Symptome für einen Herzinfarkt
Für den Herzinfarkt nennt man diese Anzeichen „Angina pectoris-Symptome“. In diesem Stadium sind die Verengungen der Herzkranzgefäße nur passager und die Beschwerden reversibel. Sie treten anfangs normalerweise unter körperlicher oder emotionaler Belastung auf und bilden sich durch Ruhe oder Medikamente wieder zurück. Wird die Verengung zu groß, besteht sie zu lang oder entsteht sogar ein Verschluss des Blutgefäßes, dann kommt es zum Absterben von Herzmuskelzellen und es entsteht ein Herzinfarkt mit bleibendem Schaden.
Die Betroffenen verspüren bei einem Herzinfarkt Symptome wie:
- Brustschmerzen
- Ausstrahlung in linken Arm, Schulter, Nacken, Unterkiefer, Rücken, Oberbauch
- Druckgefühl/Beklemmungsgefühl
- Atemnot
- Übelkeit
- Schwindel
- Herzstolpern
- Schweißausbrüche
Vorboten und Symptome für einen Schlagfanfall
Für Schlaganfälle kann es auch „Vorboten“, so etwas wie kleinere „Warnschüsse“, geben. Man nennt sie TIA – transitorische ischämische Attacken. Dies sind vorübergehende Zustände, die durch passagere Unterbrechung der Blutzufuhr zum oder im Gehirn verursacht werden. Die Patienten haben plötzlich für einige Minuten bis Stunden neurologische Störungen, die je nach betroffenem Gehirnareal sehr unterschiedlich sein können. Auch beim Schlaganfall sterben bei einer zu starken Verengung, einem Verschluss oder zu lange unterbrochener Sauerstoffzufuhr über das Blut Gehirnzellen ab und ein Schlaganfall entsteht.
Symptome eines Schlaganfalls können sein:
- Schwäche oder Lähmung einer Körperhälfte
- Gefühlsstörungen einer Körperhälfte
- Sehstörungen
- Sprachstörungen, Sprechstörungen
- Verwirrtheit
- Koordinationsstörungen
- Kopfschmerzen
- Bewusstseinstrübung
Welcher Arzt ist der richtige bei Verdacht auf Herzinfarkt und Schlaganfall?
Bei Anzeichen für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall ist sofortige medizinische Hilfe durch einen erfahrenen Arzt erforderlich. In der Regel bedeutet das, in Deutschland den Notruf 112 zu wählen, um den Rettungsdienst zu verständigen. Das Rettungsdienstpersonal und/oder der Notarzt können die Situation einschätzen, erste Maßnahmen ergreifen und entscheiden, in welches Krankenhaus der Betroffene optimalerweise eingeliefert werden sollte. Für einen Herzinfarktverdacht wäre eine Klinik mit einem Herzkatheterlabor und gegebenenfalls einer herzchirurgischen Abteilung sinnvoll. Ein Schlaganfall ist eine neurologische oder neurochirurgische Problematik und sollte deshalb in einem Krankenhaus mit dafür vorgesehenen Rahmenbedingungen und entsprechenden Fachärzten wie Neurologen oder Neurochirurgen behandelt werden.
Diagnose: Die richtigen Untersuchungen bei Verdacht auf Herzinfarkt und Schlaganfall
Da Herzinfarkt und Schlaganfall zwei absolut verschiedene Organe betreffen, sieht die Diagnostik für beide ziemlich verschieden aus. Einige Fragen und diagnostischen Maßnahmen sind jedoch ähnlich oder gleich, weil sie sich an die zugrundeliegende Erkrankung, die Arteriosklerose, richten. Die folgende Tabelle gibt einen groben Überblick über den Ablauf der Untersuchungen bei Herzinfarkt und Schlaganfall.
Herzinfarkt | Schlaganfall | |
Anamnese | - Art, Dauer, Reversibilität der Beschwerden - Risikofaktoren, wie Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Diabetes, etc. - Medikamente - Familienanamnese |
|
Körperliche Untersuchung | - Zeichen von Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen - Untersuchung von insbesondere Herz, Lunge - Schockzeichen? |
- Detaillierte neurologische Untersuchung, incl. Bewusstseinszustand, Lähmungen, Gefühlsstörungen, Seh- und Sprachstörungen, usw. - Reflexstatus |
Besondere Laborwerte | - Herzenzymwerte wie Troponin, pro-BNP und andere allgemein notwendige Parameter, wie Fettwerte | - Keine spezifischen Laborwerte, aber allgemein notwendige Parameter |
Apparative Untersuchungen | - EKG - Herzultraschall - Herzkatheteruntersuchung - Ggf. weiterführende Untersuchungen |
- CT/MRT des Kopfes, ggf. mit Angiographie - Gefäßultraschall der Halsschlagadern - Ggf. weiterführende Untersuchungen |
Quelle: Dr. med. Anna Eger, www.meinallergieportal.com |
Gefahr für Herzinfarkt und Schlaganfall: Wie sieht die Therapie aus?
Patienten mit Risikofaktoren für Herzinfarkt oder Schlaganfall brauchen eine gute medizinische Betreuung. Es ist wichtig, dass sie über die Zusammenhänge aufgeklärt werden, denn einige Risikofaktoren können sie selbst beeinflussen.
Allgemeine bekannte Risikofaktoren für Herzinfarkt oder Schlaganfall sind:
- Hoher Blutdruck
- Diabetes
- Fettstoffwechselstörung
- Nikotinkonsum
- Übergewicht/Fettsucht
Primär ist es also wichtig, diese Risiken durch Verhaltensänderung zu reduzieren oder mit Medikamenten zu behandeln. Ein gesunder Lebensstil gehört zu den möglichen Maßnahmen, mit denen die Betroffenen selber einen Beitrag zur Reduzierung des Risikos leisten können. Dazu gehört Verzicht auf Rauchen, herzgesunde Ernährung und körperliche Aktivität.
Inzwischen wird diskutiert, ob systemische chronische entzündliche Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis oder Colitis ulcerosa als eigenständiger Risikofaktor in diese Liste der kardiovaskulären Risikofaktoren mit aufgenommen werden sollen.
Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall bei Colitis ulcerosa vermeiden: Geht das? Was tun?
Im Fall der Colitis ulcerosa ist eine konsequente gute antientzündliche Therapie wichtig, um das Risiko des Auftretens von Herzinfarkt oder Schlaganfall zu verringern. Andererseits weiß man, dass CED-Medikamente wie 5-Amino-Salicylsäure oder Kortikosteroide auch negative Effekte auf die Gefäße und das Thrombembolierisiko haben können. Deshalb müssen diese Substanzen immer jeweils so kurz beziehungsweise so niedrig wie möglich eingesetzt werden.
Einen besonderen Stellenwert in der Forschung zur Risikoreduktion von Herzinfarkten oder Schlaganfällen bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen nimmt die Wirkstoffgruppe der Statine ein. Diese Medikamente sind eigentlich Blutfettsenker, die für Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko, sowie nach Herzinfarkt oder Schlaganfall, lebenslang verordnet werden. In Studien konnten aber auch entzündungshemmende Wirkungen von Statinen nachgewiesen werden. Möglicherweise könnte es also sinnvoll sein, Statine auch bei Patienten mit chronisch-entzündlichen/autoimmunen Erkrankungen mit normalen Blutfettwerten in der Behandlung zu etablieren, um das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall zu reduzieren. Hierzu fehlen jedoch noch abschließende Studien und klare Empfehlungen.
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Autor: S.Jossé/ A.Eger, www.mein-allergie-portal.com
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