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Kann man Asthma durch gute Bakterien verhindern?

Bakterienlysate Mikrobiom Asthma
Kann man Asthma durch gute Bakterien verhindern? Bildquelle: B. Schaub

Wenn man die Entstehung von Asthma verhindern könnte, wäre das ein enormer Fortschritt für Betroffene, die ein besonderes Risiko für diese Erkrankung tragen. Möglich werden könnte dies durch die Gabe guter Bakterien in Form von Bakterienlysaten. Dazu gibt es erste Hinweise und aktuelle Untersuchungen. Über den Stand der Forschung sprach MeinAllergiePortal mit Univ. Prof. Dr. med. Bianca Schaub, Oberärztin Pädiatrische Allergologie & Pneumologie und Leiterin Pädiatrische Allergologie an der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital am Klinikum der Universität München LMU München.

 

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Univ. Prof. Dr. med. Bianca Schaub

Frau Prof. Schaub, was genau sind Bakterienlysate?

Bakterienlysate sind abgetötete Bestandteile von Bakterien, die aus unterschiedliche Bakterienarten hergestellt werden. Dazu gehören zum Beispiel Streptokokken, Enterokokken oder Colibakterien. Dafür werden die Bakterien im Labor vermehrt, dann abgetötet und aufbereitet. Eingesetzt werden Bakterienlysate in getrockneter oder gelöster Form.

Kommen die Bakterien, deren Bestandteile in den Bakterienlysaten enthalten sind, beim Menschen natürlicherweise vor?

Bakterienlysate bestehen zwar aus im Labor aufbereiteten Bakterien, aber im Prinzip kommen diese Bakterienstämme auch von Natur aus im Mikrobiom des Menschen vor. Man findet sie zum Beispiel im Darm, in den Atemwegen, also in Nase und Lunge, aber auch auf der Haut.

Wofür setzt man Bakterienlysate ein?

Bakterienlysate setzt man ein, um das Immunsystem zu stimulieren. Deshalb untersucht man zur Zeit, ob man mit der Gabe von bakteriellen Lysaten die Entstehung von Erkrankungen verhindern könnte, zum Beispiel ein Asthma.

Wie kann man mit Bakterienlysaten Asthma verhindern?

Man geht davon aus, dass Bakterienlysate über verschiedene Wege einen positiven Einfluss auf das angeborene und erworbene Immunsystem haben. Damit könnten bakterielle Lysate sowohl die dem Asthma zugrundeliegende Entzündung als auch respiratorische Infekte reduzieren.

Weiß man, was genau Bakterienlysate beim Immunsystem bewirken?

Es ist zum Beispiel bekannt, dass Bakterienlysate dendritische Zellen aktivieren und so eine Immunantwort induzieren, auch lokal im Epithel der Lunge. Außerdem können Bakterienlysate das natürliche Mikrobiom imitieren und bei Atopikern die Immunantwort, die in Richtung Allergie geht, verändern. Konkret bedeutet dies, dass Bakterienlysate in der Lage sind, eine bei Allergikern bestehende TH2-Dominanz in Richtung TH1 zu modulieren. Zudem können sie regulatorischen T-Zellen aktivieren und so zu einer Balance des Immunsystems führen. Damit könnten Bakterienlysate diese für Asthma typischen Mechanismen ausgleichen und positiv verändern.

In welcher Form werden Bakterienlysate zur Prävention von Asthma verabreicht?

Die aus Bakterienlysaten gewonnenen Substanzen werden aktuell unter die Zunge, das heißt sublingual, oder oral über die Schleimhaut verabreicht. Wichtig ist, dass die Stimulation des Immunsystems keine Gefahr für eine Vermehrung schädlicher Bakterien induziert. Es findet eine Stimulation für das angeborene und das erworbene Immunsystem statt, beides wichtige Faktoren bei der Entstehung des Asthmas. Man könnte sich bei den Bakterienlysaten aber auch eine Applikation im nasalen Bereich vorstellen, als Nasenspray zum Beispiel.

Welche Vorteile hätte es, wenn man Bakterienlysate zur Prävention von Asthma als Nasenspray verabreichen würde?

Ein Nasenspray hätte den Vorteil, dass es über die Epithelzellen der Nase die Zellen des angeborenen und auch des erworbenen Immunsystems in den Atemwegen direkt erreichen würde. Das ist bisher aber noch nicht möglich.

Was wären die Voraussetzungen für eine präventive Asthma-Behandlung mit Bakterienlysaten?

In der Tat stellt sich die Frage, für welche Risikogruppen Bakterienlysate zur Verhinderung von Asthma eingesetzt werden könnten. Dazu sollte man wissen, dass es unterschiedliche Formen von Prävention gibt.

Die drei verschiedenen Formen von Prävention sind:

  • Die Primärprävention, bei der man erreichen möchte, dass es gar nicht erst zu einer Sensibilisierung kommt
  • Die Sekundärprävention, bei der es gilt, zu verhindern, dass beispielsweise aus einer Sensibilisierung eine allergische Erkrankung entsteht
  • Die Tertiärprävention, bei der man eine Manifestation und Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung verhindern möchte.

Wahrscheinlich würde man bakterielle Lysate zur Asthmaprävention zunächst für die Sekundär- oder Tertiärprävention einsetzen. Das Ziel wäre dann, bei Betroffenen, die bereits sensibilisiert sind und die vielleicht bereits erste Symptome haben, die Entstehung eines Asthmas zu verhindern.

Gibt es weitere Voraussetzungen für eine präventive Asthma-Behandlung mit Bakterienlysaten?

Weitere Voraussetzungen für den Einsatz von Bakterienlysaten zur Asthmaprävention wären, dass sie wirksam und sicher sind, das heißt, dass sie keine schwerwiegenden Nebenwirkungen haben. Konkret bedeutet dies, dass eine genügende Anzahl von Studien durchgeführt worden sein muss und dass diese Studien die nötige Evidenz liefern. Auch dabei ist die Frage entscheidend, welche Art von Prävention man erreichen möchte.

Heißt das, Kinder aus Atopikerfamilien könnten von einer präventiven Asthma-Behandlung mit Bakterienlysaten profitieren?

Durchaus, allerdings stellt sich auch hier wieder die Frage: Geht es um Kinder mit Sensibilisierungen, bei denen auch erste Symptome auftreten oder auch um sensibilisierte Kinder ohne Symptome? Wir wissen ja, dass circa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung sensibilisiert sind, aber gar keine Symptome haben, so dass eine präventive Behandlung hier vielleicht gar nicht nötig wäre. Die bereits durchgeführten Studien zur präventiven Wirkung von Bakterienlysaten in Bezug auf Asthma wurden mit Kindern durchgeführt, die sowohl allergische Sensibilisierungen als auch Symptome wie Pfeifen, giemende Atemwege oder bereits Asthma hatten.

Konnten die bislang durchgeführten Studien zur präventiven Asthma-Behandlung mit Bakterienlysaten eine Wirksamkeit nachweisen?

Aktuell liegen Ergebnisse aus 5 klinischen Studien zur Asthmaprävention mit bakteriellen Lysaten an Kindern vor. Diese konnten zeigen, dass die Bakterienlysate Episoden von Pfeifen und Giemen, das sogenannten Wheezing, reduzieren konnten, und auch Asthmaexazerbationen konnten reduziert werden – eine wichtige Erkenntnis. Weiter hat man zu diesem Thema verschiedene Reviews durchgeführt, das sind Übersichtsarbeiten, in denen man mehrere Studien gemeinsam analysiert hat. Von 9 systematischen Reviews konnten 8 zeigen, dass durch die Gabe bakterieller Lysate die Anzahl der akuten Atemwegsinfekte reduziert wurde. Auch das Pfeifen, das Giemen und die Asthmaexazerbationen konnten reduziert werden. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass diese Studien eine sehr hohe Heterogenität aufwiesen.

Was bedeutet es, wenn die in Reviews untersuchten Studien sehr unterschiedlich sind?

Wenn die untersuchten Studien mit sehr unterschiedlichen Parametern gearbeitet haben, zum Beispiel bei der Frage, welche Personengruppen man in die Studie eingeschlossen hat und nach welchen Kriterien die Statistik erstellt wurde, beeinträchtigt das die Vergleichbarkeit und Aussagekraft dieser Studien. Zur Beurteilung der Wirksamkeit von Bakterienlysaten zur Asthmaprävention wird es also darauf ankommen, ob die Behandlung mit Bakterienlysaten in den aktuell laufenden klinischen Studien ein Pfeifen und Giemen oder ein späteres Asthma verhindern kann. Diese Studien haben ein gutes Design und werden Antworten auf die Fragen nach der Wirksamkeit und Sicherheit dieser Behandlung geben können. Das heißt aber auch: Bevor diese Ergebnisse vorliegen, sollte man Bakterienlysate zur Verhinderung von Asthma sicher nicht einsetzen.

Welche Studien zur präventiven Asthma-Behandlung mit Bakterienlysaten laufen aktuell?

Aktuell gibt es zwei klinische Studien:

  • Die ORBEX-Studie in den USA
  • Die multizentrische BEAR-Studie an Kindern im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren, die über 12 Monate läuft, mit Nachbeobachtung über 6 Monate und die in 6 europäischen Ländern doppelblind placebokontrolliert durchgeführt wird. Die Studie hat 2 Endpunkte: 1. Die Anzahl respiratorischer Infektionen und 2. die Häufigkeit von unteren Atemwegsinfektionen mit Pfeifen und Giemen (sekundärer Endpunkt).

In der BEAR-Studie werden lyophilisierte bakterielle Lysate eingesetzt, die eine Mischung von 21 Bakterienarten aus 5 verschiedenen Gruppen enthalten. Das Präparat wird in Form von Kapseln hergestellt, die dann aber geöffnet werden, damit die darin enthaltene Substanz auf die Mundschleimhaut aufgebracht werden kann.

Wann kann man denn mit den Ergebnissen der aktuell laufenden Studien zur präventiven Asthma-Behandlung mit Bakterienlysaten rechnen?

In der BEAR-Studie wurden gerade die letzten Kinder eingeschlossen, so dass erste Ergebnisse in ca. 2 Jahren zu erwarten sind.

Frau Prof. Schaub, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

27. November 2024

Autor: S.Jossé/ B.Schaub, www.mein-allergie-portal.com

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