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Anstrengungsasthma bei Kindern: Ursachen, Symptome, Diagnose, Therapie

Anstrengungsasthma Kinder
Univ. Prof. Dr. Angela Zacharasiewicz, Leitende Oberärztin am Wilhelminenspital in Wien

Nicht immer, wenn Kindern "die Luft wegbleibt", steckt ein Anstrengungsasthma dahinter. Es gibt aber Anzeichen, die einen Verdacht begründen und denen man nachgehen sollte. MeinAllergiePortal sprach mit Univ. Prof. Dr. Angela Zacharasiewicz, MBA, über Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie. Prof. Zacharasiewicz ist Oberärztin für Kinder und Jugendheilkunde, Allgemeinpädiatrie und Infektiologie, pädiatrische Pneumologie und Cystische Fibrose in der Ambulanz für pädiatrische Pneumologie und Allergologie am Lehrkrankenhaus der medizinischen Universität Wien, Wiener Gesundheitsverbund - Klinik Ottakring, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartnerin: Priv.-Doz. Dr. Angela Zacharasiewicz

Frau Prof. Zacharasiewicz, wann hat ein Kind Anstrengungsasthma?

Man spricht dann von einem Anstrengungsasthma, wenn Kinder unter körperlicher Belastung, d.h. z.B. beim Radfahren, beim Laufen oder beim Turnen in der Schule, plötzlich schlecht Luft bekommen, eventuell Husten muss und Atemnot empfindet. Hinter diesen Symptomen kann "Excercise Induced Asthma" stecken.

Wie häufig kommt es vor, dass ein Kind mit diesen Symptomen wirklich ein Anstrengungsasthma hat?

Es gibt eine Vielzahl von Ursachen dafür, weshalb ein Kind unter Belastung außer Atem kommen kann. Es muss sich nicht unbedingt um ein Anstrengungsasthma handeln. Generell liegt der Anteil der Kinder, die Asthma haben, für Österreich und Deutschland bei ca. 10 Prozent. Von diesen Kindern haben ca. 35 Prozent Beschwerden, die man als "Excercise-induced" bezeichnen kann. Das bedeutet, dass diese asthmatischen Kinder auf körperliche Anstrengung oder auch Hyperventilation beim Sport mit den typischen Asthmasymptomen reagieren.

Was spielt sich beim Anstrengungsasthma im Körper ab?

Beim Anstrengungsasthma spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen kommt es zu einer Verengung der Atemwege. Das bedeutet, dass man vielleicht noch gut einatmen kann, aber das Ausatmen fällt sehr schwer. Dann kommt es in den Atemwegen zu einer Entzündungsreaktion, die von einem Anschwellen der Atemwege begleitet wird. Oft kommt es auch zu vermehrter Schleimbildung, was zu einer weiteren Verengung der Atemwege beiträgt.

Was ist die Ursache von Anstrengungsasthma?

Zur Ursache dieser Beschwerden gibt es mehrere Theorien. Eine Theorie besagt, dass das starke Hyperventilieren, z.B. beim Sport, insbesondere in kalter Luft, zu einer Abkühlung der Atemwege führt. Man vermutet, dass sich durch die Kühlung die Blutgefäße, die in den Atemwegen in großer Zahl vorhanden sind, zunächst zusammenziehen und verengen. Danach erfolgt eine reaktive Hyperämie, d. h die Blutgefäße öffnen sich und es kommt zu einem überschießenden Anschwellen des Gewebes, also zu einer typischen Schwellung mit Verengung der Atemwege.

Eine andere Theorie besagt, dass es durch eine Veränderung der Osmolarität in den Atemwegen, d.h. der Durchlässigkeit, zu dieser Ausschüttung von Entzündungsmediatoren bzw. zu Entzündungen kommt. Die Entzündungsmediatoren schädigen dann zusätzlich das Epithel, d.h. die Oberfläche der Atemwege. Wenn die Kinder dann noch zusätzlich kontaminierter Luft ausgesetzt sind, z.B. durch Passivrauchen oder durch Einatmen von Verkehrsabgasen, kann es zu erheblichen Problemen kommen. Die Gifte gelangen dann durch die geschädigte Schleimhaut noch tiefer in die Lunge.

Welche Rolle spielen allergische Reaktionen in diesem Zusammenhang?

Viele Kinder leiden an einem allergischen Asthma. Durch die zugrundeliegende Allergie wird die Atemwegsinflammation, d.h. die Entzündung, immer wieder aufrechterhalten bzw. angeheizt. Die Kinder sind dadurch auch anfälliger dafür, bei körperlicher Anstrengung mit einer Atemwegsverengung zu reagieren – man sagt auch "obstruktiv“ zu werden.

Wie sehen bei Kindern mit Anstrengungsasthma die Symptome aus?

Während und nach der Anstrengung fangen die Kinder oft an zu husten. Sie können dann nicht mehr weitermachen, weil sie Atemnot empfinden. Diese Symptome können auf ein Anstrengungsasthma hinweisen.

Ist mit dem Husten nach Anstrengung die Diagnose schon gestellt, wenn ein kindliches Anstrengungsasthma besteht?

Ob diese Erkrankung tatsächlich besteht, kann man nicht allein anhand der Symptome diagnostizieren. Man muss eine Lungenfunktionsüberprüfung durchführen. Neue nicht invasive Möglichkeiten, wie die Messung die FeNO-Messung sind ebenfalls in der Diagnostik sehr wichtig und für die Diagnose eines Asthma bronchiale beim Kind von der Europäischen Lungengesellschaft dezidiert empfohlen. Dabei misst man den exhaliertem NO, das heißt das Stickstoff Monoxid, in der Ausatmungsluft.

Manchmal sind die Symptome bei Kindern auch nicht so eindeutig. Dann ist es notwendig, unter kontrollierten Bedingungen Lungenfunktionsmessungen vor und vor allem dann nach körperlicher Anstrengung durchzuführen. Diese Belastungslungenfunktion ist sehr aussagekräftig, da mit dieser Untersuchung die Beschwerden objektiviert werden können, und wir die Einengung der Atemwege nach körperlicher Anstrengung direkt messen können. Manche Kinder sind weniger fit und betreiben leider so wenig Sport, dass sie einfach schnell keine Luft mehr bekommen, hier ist also die Unterscheidung „fehlende Fitness“ versus Asthma essentiell.

Wie sehen untypische Anstrengungsasthma-Symptome bei Kindern aus?

Da Husten und Atemnot bei Kindern nicht immer vorhanden sind, fragen wir in unserer Sprechstunde immer ganz ausführlich nach, ob die Kinder z.B. beim Herumtoben, immer früher aufhören als ihre Spielkameraden. Manche Kinder verhalten sich so vorsichtig, damit sie gar nicht erst Atemnot bekommen. Dieses Meidungsverhalten kann dann auch ein Zeichen für ein Anstrengungsasthma sein.

Manchmal meiden die Kinder aber auch von vornherein jede Anstrengung und lesen z.B. lieber oder spielen am Computer. Diese Kinder schonen sich intuitiv, so dass es gar nicht zu Symptomen kommt. Die Kinder glauben oft, dass Bewegung ihnen keinen Spaß macht, weil sie dabei nicht erfolgreich sind. Tatsächlich ist dann das Anstrengungsasthma der Grund für die "Bewegungsunlust". Nach Beginn einer Therapie berichten die Eltern häufig, dass die Kinder plötzlich viel aktiver geworden sind.

Was sollten Eltern tun, wenn sie befürchten, dass ihr Kind ein Anstrengungsasthma entwickelt hat?

Wenn die Eltern bemerken, dass ihr Kind sich ungern bewegt und den Verdacht haben, dass es ein Anstrengungsasthma haben könnte, sollten sie zunächst zu einem Kinderarzt gehen. Vorzugsweise zu einem Kinderarzt mit einer pulmologisch allergologischen Zusatzausbildung, der auch eine Lungenfunktion messen kann. Es gibt aber auch Spezialambulanzen für Lungenerkrankungen bei Kindern.

Wie wird die Lungenfunktion gemessen?

Eine Lungenfunktionsüberprüfung wird in einem Lungenfunktionslabor durchgeführt. Dafür misst man zunächst die Lungenfunktion des Kindes im Ruhezustand. Wenn diese eingeschränkt ist, wird ein Medikament gegeben, um zu sehen, ob die Atemwege danach besser aufgehen und die Lunge besser belüftet ist. Bei Bedarf wird das Kind bei guter Ruhelungenfunktion im Anschluss auch belastet, indem man es auf einem Ergometer oder auf einem Laufband trainieren lässt. Danach erfolgt erneut eine Lungenfunktionsmessung und wenn ein Anstrengungsasthma besteht, kann man eine Verschlechterung der Lungenfunktion feststellen. Konkret sieht man dies an einem abnehmenden FEV1-Wert. Der FEV1-Wert misst das Luftvolumen, das man nach einem tiefen Atemzug in der ersten Sekunde ausatmen kann.

Wie geht der Kinderarzt bei der Diagnose von Anstrengungsasthma weiter vor?

Neben der Lungenfunktionsüberprüfung wird der Kinderarzt auch einen Allergietest durchführen und ebenso Ausschluss- und Differentialdiagnosen überprüfen. Es gibt eine Vielzahl von Ursachen, weshalb ein Kind Symptome der Atemnot unter körperlicher Anstrengung zeigt. Es könnte auch eine Herzerkrankung zugrunde liegen, eine hämatologische Erkrankung, d.h. eine Erkrankung des Blutes oder ein Immundefekt, d.h. eine Abwehrschwäche. Es kann auch sein, dass ein Kind durch vermehrte Infekte geschwächt ist und sich deshalb nicht gern bewegt. Auch andere schwere Erkrankungen könnten die Ursache sein, z.B. eine zystische Fibrose (Mukoviszidose). Aber auch starkes Übergewicht, also Adipositas, oder schlichtweg ein schlechter Trainingszustand kann zu Bewegungsunlust führen. Die Ursachen sollten auf jeden Fall abgeklärt werden.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Anstrengungsasthma?

Zur Therapie können Betamimetika, inhalative Kortikosteroide und Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten je nach Bedarf so eingesetzt werden, so dass eine Beschwerdefreiheit erreicht wird.

Ganz wichtig ist bei Kindern, dass sie immer einen Notfallplan dabei haben und auch immer wissen, was zu tun ist, wenn sie akut keine Luft bekommen. Auch das Asthma-Notfallspray sollten Kinder immer mit sich führen.

Und ganz wichtig: Passivrauchen ist gefährlich für alle Kinder und ganz besonders für Kinder mit Asthma. Der Rauch schädigt Kinder immer, auch wenn es nur ab und zu die Freunde sind, die in Anwesenheit der Kinder rauchen – dies wird von den Eltern manchmal falsch eingeschätzt!

Gerade bei Asthmatikern wirkt Sport sich sehr positiv auf das Wohlbefinden aus. Gilt das auch für Anstrengungsasthma?

Prinzipiell ist Sport ein wichtiger Eckpfeiler der Therapie von Anstrengungsasthma. Wenn die Kinder Sport treiben, können die Beschwerden besser werden. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass sich bei Menschen mit Anstrengungsasthma durch Sport die Lungenfunktionswerte verbessern. Es kommt dann nicht mehr so häufig zu Beschwerden.

Wichtig bei Kindern ist, dass der Sport ihnen Spaß macht, denn sonst machen sie langfristig nicht mit. Weiter muss die Therapie so gut eingestellt sein, dass die Kinder beim Sport beschwerdefrei bleiben und den Sport gerne und gut betreiben können.

Frau Prof. Zacharasiewicz, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Studie zu einer neuen Asthma-Therapie für Vorschulkinder

Für Kinder mit mittelschwerem und schwerem Asthma ist die Teilnahme an dieser Studie möglich: Neue Therapie für schweres Asthma bei Kleinkind 1 bis 5 Jahre

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

20. Januar 2022

Autor: S. Jossé/A. Zacharasiewicz, www.mein-allergie-portal.com

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