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Psychischer Stress: Gibt es einen Zusammenhang mit Allergien?

Psychischer Stress Zusammenhang Allergien
Dr. med. Pascal Werminghaus zum Thema: Psychischer Stress - gibt es einen Zusammenhang mit Allergien?

Wenn ein chronisch erkrankter Patient vermehrtem psychischen Stress ausgesetzt ist, scheint dies bestehende Erkrankungen negativ zu beeinflussen. Umgekehrt sorgen die Symptome der jeweiligen Erkrankungen für neuen Stress – das gilt auch für Allergien. Aber: Welche Zusammenhänge zwischen psychischem Stress und allergischen Atemwegserkrankungen sind in der Medizin bekannt? Wie ist psychischer Stress überhaupt definiert und wie können Wechselwirkungen reduziert werden? MeinAllergiePortal sprach mit Dr. med. Pascal Werminghaus, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Allergologie in Düsseldorf.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Dr. med. Pascal Werminghaus

Herr Dr. Werminghaus, was versteht man unter psychischem Stress bzw. wie wird psychischer Stress in der Medizin definiert?

Psychischen Stress kennen wir alle: Wir fühlen uns unwohl, überfordert von der Arbeit oder anderen emotional belastenden Situationen in unserem Alltag.

In der Medizin orientiert man sich an einem Stressmodel von Hans Selye aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts: Hier wird Stress als eine Reaktion des Körpers auf äußere oder innere Reize angesehen. Der Körper reagiert auf die gegebenen Reize mit Veränderungen, um eine Anpassung an die vorliegende Situation zu erzielen. Bei Stress kann man also von folgendem Ablauf sprechen: Es gibt einen Stimulus, der Körper reagiert hierauf und dann erfolgt eine Adaptation.

Gibt es Unterschiede zwischen akutem und chronischem Stress?

Sowohl bei akutem als auch bei chronischem Stress werden bestimmte Nervenwege und Hormonachsen aktiviert, sodass Katecholamine und Kortison in einem bestimmten Gleichgewicht im Blut vorhanden sind und dort die jeweilige molekulare Stressreaktion vermitteln. Grob gesagt entsteht bei einer anhaltenden, chronischen Stressreaktion ein Ungleichgewicht zwischen diesen verschiedenen Achsen und die Symptome bestimmter Erkrankungen können verstärkt werden, zum Beispiel allergischer Atemwegserkrankungen.

Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen psychischem Stress und allergischen Atemwegserkrankungen?

Anhand epidemiologischer Daten aus den skandinavischen Ländern konnte eine positive Korrelation zwischen vermehrtem Stress und dem Auftreten allergischer Erkrankungen nachgewiesen werden: Kinder, die vermehrt psychischem Stress ausgesetzt waren, beispielsweise durch traumatische Erlebnisse wie dem Verlust eines Elternteils, litten auch häufiger unter der allergischer Rhinitis oder allergischem Asthma. Prinzipiell besteht also ein höheres Risiko an einer allergischen Atemwegserkrankung zu erkranken, wenn man vermehrt psychischen Stress in seinem Leben hatte. Bei diesen Wechselwirkungen handelt es sich erst einmal nur um eine Korrelation, wir können also anhand dieser Daten nur einen Zusammenhang vermuten, aber nicht sagen, ob psychischer Stress allergische Erkrankungen auslöst oder ob umgekehrt die allergische Erkrankung den Stress beim Patienten bedingt.

Kann es also sein, dass psychischer Stress allergische Atemwegserkrankungen auslöst?

Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft muss es verneint werden, dass eine Allergie durch Stress entstehen kann. Psychischer Stress ist sicher nicht die Ursache einer allergischen Erkrankung und es kommt auch nicht zu einer allergischen Reaktion durch Stress. Vielmehr kann eine vorbestehende allergische Erkrankung durch Stress verstärkt werden, sicher in der Wahrnehmung des Schweregrades der Beschwerden, aber ganz spannend finde ich auch den Einfluss von Stress auf die pathophysiologische Reaktion der allergischen Entzündung: Durch die stressbedingte Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse werden Neurotransmitter und Hormone ins Blut ausgeschüttet, die im Blut ein immunologisches Milieu erzeugen, dass allergische Entzündungsreaktionen begünstigt.

Das ist sehr theoretisch daher möchte ich an dieser Stelle ein Beispiel einer möglichen klinsichen Konsequenz aufführen: Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Studie, bei der Asthmapatienten eine Allergenspezifische Immuntherapie erhalten haben: Die Therapie war bei Patienten, die nach Selbsteinschätzung vermehrt unter psychischem Stress litten, weniger erfolgreich. Diese Ergebnisse zeigen, dass psychischer Stress tatsächlich eine klinische Relevanz hat.

Wie können - umgekehrt - allergische Erkrankungen psychischen Stress erzeugen?

Wir wissen, dass Entzündungsmediatoren, die bei einer Allergie ausgeschüttet werden und ins Blut gelangen, auch die Blut-Hirn-Schranke passieren können. Im Gehirn angekommen, können sie zur Veränderung des Gemüts führen und Symptome hervorrufen, die einer Depression sehr ähneln. Allerdings basieren Studien hierzu meist auf Selbstauskunft der Patienten mittels Fragebögen. Dadurch ist es schwierig zu entscheiden, ob die beobachteten Symptome tatsächlich ausschließlich auf die allergische Erkrankung zurückzuführen sind.

Wenn allergische Erkrankungen durch psychischen Stress verstärkt werden können, wäre dann nicht eine Psychotherapie eine geeignete Maßnahme, um dies zu verhindern?

Es gibt nur relativ wenige Studien zur Symptomkontrolle durch Stressreduzierung. Das liegt daran, dass psychische Beschwerden nicht ursächlich krankheitsbildend sind, sondern als Begleitsymptom der zu behandelnden Allergie eingestuft werden. Für das Ziel, die Symptome einer allergischen Erkrankung, wie beispieslweise die Symptome eines Asthmas, alleinig zu kontrollieren, würde sich eine Psychotherapie also nicht eignen.

Könnte der Einsatz von Psychopharmaka zur besseren Symptomkontrolle bei allergischen Erkrankungen beitragen?

Nur im Rahmen von Studien wurden Patienten mit allergischen Erkrankungen mit Psychopharmaka therapiert, allerdings fielen die festgestellten Effekte sehr gering aus. Zudem waren die besagten Studien auch nicht placebokontrolliert, eine Kontrollgruppe fehlte, also wissenschaftlich nicht hochwertig genug, sodass ich vom gezielten Einsatz von Psychopharmaka zur Therapie allergischer Erkrankungen abraten würde.

Inwiefern könnten Arzt und Patient von der Erkenntnis profitieren, dass sich psychischer Stress auf die Schwere der allergischen Erkrankung auswirken kann?

Die wissenschaftliche Datenlage ist relativ dünn, alleine deshalb, weil die Auswirkungen von Stress auf eine Behandlung oder Erkrankung mechanistisch extrem schwer wissenschaftlich zu untersuchen ist. Konkrete Konsequenzen für die allgemeine Behandlung von Allergien, wie etwa der Behandlung eines Asthmas, aus diesen Mechanismen abzuleiten ist daher sicher nicht gerechtfertig, doch allein von der Entwicklung eines Bewusstseins für die Wechselwirkungen von Stress und allergischer Erkrankung profitieren Arzt und Patient: Wie erwähnt hat ja eine Studie gezeigt, dass die allergenspezifische Immuntherapie bei Patienten, die vermehrtem Stress ausgesetzt waren, weniger erfolgreich war. Das Wissen hierüber ist für eine zielführende Behandlung also sehr hilfreich, denn sowohl Arzt, als auch Patient können im Einzelfall den eventuellen Misserfolg einer Behandlung differenzierter beurteilen.

Aber nicht nur bei der allergenspezifischen Immuntherapie ist das von Belang. Die molekularen Auswirkungen von psychischem Stress können das Therapieansprechen auch auf anderen Ebenen beeinflussen, so ist die Ausbildung einer Kortisonresistenz im Gewebe beschrieben. Bei Patienten, die nicht auf Kortisonspray reagieren, müssen dann ggf. andere Therapieansätze gefunden werden. Diese Zusammenhänge sollte der Arzt im Hinterkopf haben, wenn seine Behandlungspfad nicht wie erwartet funktioniert.

Herr Dr. Werminghaus, herzlichen Dank für dieses Interview!

 

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

30. Oktober 2019

Autor: S. Jossé/ P. Werminghaus, www.mein-allergie-portal.com

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