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Mikrobiom der Lunge: Der Einfluss bei Lungenerkrankungen

Über das Mikrobiom des Darmes ist mittlerweile schon vieles bekannt. Das Mikrobiom der Lunge hingegen ist noch wenig erforscht. Studien haben jedoch gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen der Lunge und der Bakterienvielfalt in der Lunge gibt. MeinAllergiePortal sprach mit Dr. med. Folke Brinkmann, Fachärztin für Pädiatrische Pneumologie an der Universitätskinderklinik Bochum über das Mikrobiom der Lunge und seine Rolle bei Lungenerkrankungen.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Dr. med. Folke Brinkmann

Frau Dr. Brinkmann, wie ist der generelle Wissensstand zum Mikrobiom der Lunge?

Initial ging man davon aus, dass die Lunge weitgehend steril ist und nur von wenigen bakteriellen Erregern besiedelt ist. Inzwischen musste man diese Ansicht jedoch revidieren. Dank einer neuen Technik, die zur Mikrobiomanalyse eingesetzt wird, gibt es zum Mikrobiom der Lunge nun einige Erkenntnisse. So konnte an durch die Massenspektrometrie auch Erreger, die nur in sehr geringer Zahl in der Lunge vorhanden sind, identifizieren. Auch Erreger, die in den normalerweise verwendeten Kulturen sehr schlecht oder gar nicht wachsen, konnte man identifizieren. So weiß man, dass es auch in der Lunge eine bunte Landschaft bakterieller, viralen und anderen Erregern, die die Lunge auch physiologisch besiedeln. Bei bestimmten Erkrankungen der Lunge kommt es hingegen zu Veränderungen dieses physiologischen Gleichgewichts.

Welche Arten von Bakterien findet man in der Lunge, auch im Vergleich zum Mikrobiom des Darmes?

Es gibt Überschneidungen, aber die Muster des Mikrobioms der Lunge unterscheiden sich deutlich vom Muster des Darmmikrobioms. Die Enterobacteriaceae, z.B., besiedeln vor allem den Magen-Darm-Trakt, und auch Bakterien, die aktiv bei der Verdauung mitwirken, findet man nur im Darm und sehr, sehr selten in der Lunge.

In der Lunge findet man hingegen auch Erreger, die man auch in den oberen Atemwegen gesunder Menschen vorfindet, in der Nase und, mehr noch, im Mund-Rachen-Bereich. Nur in sehr geringer Menge findet man in der Lunge Spezies, die auch im Magen-Darm-Trakt vorkommen.

Wie ändert sich die Zusammensetzung des Mikrobioms der Lunge bei Erkrankungen der Lunge?

Die meisten Untersuchungen des Mikrobioms der Lunge gibt es zu Patienten mit zystischer Fibrose, die sehr engmaschig kontrolliert werden. Hier kann man sehen, dass einzelne Keime,  wie z.B. Pseudomonas-Keime, bei Patienten mit zystischer Fibrose vermehrt vorkommen. Pseudomonas-Keime kann man bei diesen Patienten auch bereits in der normalen kulturellen Anzucht nachweisen. Bei gesunden Menschen findet man sie nicht in gleichem Maße.

Bei den Patienten mit zystischer Fibrose sieht man aber auch, dass sich die Anzahl der Spezies in den Atemwegen und auch in der Lunge, verändert. Das bedeutet, man findet bei den Erkrankten insgesamt weniger Spezies, die gesunde Vielfalt ist gestört, und dafür anteilig mehr krankmachende Keime. Das Gleichgewicht des Mikrobioms der Lunge verschiebt sich, ähnlich wie dies auch beim Darm beschrieben ist.

Weiß man, ob das veränderte Gleichgewicht des Mikrobioms der Lunge eine Folge oder eine Ursache der Erkrankung ist?

Es gibt hierzu unterschiedliche Theorien. Bei der zystischen Fibrose weiß man, dass eine genetische Disposition ursächlich für das Auftreten bestimmter Keime sein kann. Bei diesen Patienten konnte man auch feststellen, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Auftreten einer Pankreasinsuffizienz besteht. Bei Patienten, deren Pankreasdrüse nicht ausreichend Verdauungssaft produziert, kommt es fast immer zu einer Pseudomonas-Besiedlung oder Infektion, während dies bei anderen weniger häufig der Fall ist.

Welche Mechanismen stecken hinter diesem Phänomen?

Wahrscheinlich handelt es sich um eine genetisch bedingte Veranlagung, die dazu führt, dass die Patienten auf bestimmte Keime empfindlicher reagieren.

Gibt es, abgesehen von der zystischen Fibrose, andere Erkrankungen, bei denen es ebenfalls zu Veränderungen des Mikrobioms der Lunge kommt?

Bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) hat man gesehen, dass sich die Zusammensetzung der Keime im Mikrobiom der Lunge je nach Schweregrad der Erkrankung ändert. Das heißt, bei den stärker erkrankten Patienten treten bestimmte Keime häufiger und in größerer Zahl auf, als bei Erkrankten in einem frühen Krankheitsstadium. Was hier „Henne“ ist und was „Ei“ weiß man nicht genau. Möglicherweise bietet eine stärker angegriffene Lunge bessere Lebensbedingungen für bestimmte Keime, von denen wir vermuten, dass sie über krankmachendes Potenzial verfügen. Es könnte aber auch sein, dass sich diese Keime bei bestimmten Menschen ohnehin häufiger ansiedeln.

Auch zu Asthma gibt es Untersuchungen des Mikrobioms der Lunge. Hier ist das Bild jedoch heterogener, weil auch Asthma kein einheitliches Krankheitsbild darstellt. Vielmehr wurden unter „Asthma“ zahlreiche Erkrankungen zusammengefasst, die mit einer Enge der Atemwege einhergehen. Dementsprechend variabel ist die beim Asthma die jeweilige Keimlandschaft. Auch das Spektrum der Schwere der Erkrankung ist bei Asthma variabler, als bei zystischer Fibrose oder COPD – es gibt hier viele verschiedene Einflüsse.

Gibt es neben bestimmten Lungenerkrankungen andere Faktoren, die das Mikrobiom der Lunge beeinflussen?

Auch systemisch wirkende Medikamente, z.B. eine Kortisontherapie, können das Mikrobiom der Lunge beeinflussen. Ebenso hat eine Therapie mit Antibiotika einen Einfluss auf die Keimbesiedlung bzw. die Keimzusammensetzung der Lunge.

Sie hatten den Einfluss der Mikrobiome des Mund-Rachen-Raumes und der Nase auf das Mikrobiom der Lunge erwähnt…

Zwischen dem Mikrobiom des Mund-Rachen-Raumes und der Lunge gibt es einige Übereinstimmungen. Beim Mikrobiom der Nase ist dies weniger der Fall. Aber: Ein Abstrich aus dem Mund-Rachen-Raum oder der Nase lässt keine Rückschlüsse die Keimbesiedlung der Lunge zu. Auch ist es nicht möglich, daraus zu schließen, welcher Keim für Beschwerden in den Bronchien oder der Lunge verantwortlich sein könnte.

Welche Therapieoptionen ergeben sich aus diesen aktuellen Erkenntnissen zum Mikrobiom der Lunge?

Schon lange vermutet man, dass Bakterien den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Die Überlegung ist also, diesen Krankheitsverlauf durch das Zuführen „guter“ Bakterien positiv zu beeinflussen, z.B. durch Prä- oder Probiotika. Diese Prä- und Probiotika verabreicht man oral, um sekundär auch die Atemwege zu beeinflussen.

Man geht davon aus, dass sich Bakterien über Schleimhaut- und Zellgrenzen hinweg austauschen. Über einen sogenannten „Cross Talk“ soll es dann zu einer Beeinflussung der Besiedlung verschiedener „Lebensräume“ kommen. Bei Neugeborenen-Studien konnte man gut sehen, dass die Besiedlung des Darmes in den ersten Lebenswochen auch einen großen Einfluss auf die Keimbesiedlung der Atemwege dieser Neugeborenen hat. Im Hinblick auf Allergien gibt es erste Hinweise, dass Prä- und Probiotika einen schützenden Effekt haben könnten. Auch bei Erwachsenen mit chronischen Darmerkrankungen ist gezeigt worden, dass hier ein Austausch bzw. eine Beeinflussung stattfindet, wie genau, weiß man noch nicht.

Was bei der Darmflora ja zum Teil bereits gelingt, versucht man auch für die Atemwegsflora zu erreichen. Allerdings sind die Ergebnisse bislang noch nicht ausreichend erfolgreich.

Frau Dr. Brinkmann, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.