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Tryptase bzw. Tryptasewert im Blut bei Allergie

Tryptasewert im Blut
Wieso bestimmt man im Fall einer allergischen Reaktion den Tryptasewert? Bildquelle: F.Ruëff

Die Mastzelltryptase, kurz Tryptase wird von Mastzellen gebildet und freigesetzt. Mastzellen spielen eine maßgebliche Rolle bei allergischen Reaktionen, insbesondere bei anaphylaktischen Schockreaktionen. Ein Faktor, der in diesem Zusammenhang stets genannt wird, ist der Tryptasewert im Blut. MeinAllergiePortal sprach mit Frau Prof. Dr. med. Franziska Ruëff von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München über Tryptase und die Zusammenhänge zwischen Tryptasewert, dem Anaphylaxierisiko und anderen Erkrankungen.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Prof. Dr. Franziska Ruëff

Frau Prof. Ruëff, was ist Tryptase?

Die Tryptase wird von den sogenannten Mastzellen gebildet und freigesetzt. Mastzellen sind ganz wichtige Zellen der angeborenen Immunität. Das heißt, dass sie „den Feind“, also beispielsweise Parasiten, nicht bereits kennengelernt haben müssen, um ihn zu bekämpfen, sondern dass eingebaute Mechanismen dazu führen, dass das Abwehrsystem sich zur Wehr setzen kann. Dazu schütten die Mastzellen auch ihre Botenstoffe aus. Allerdings wird die Tryptase nicht nur bei erwünschten, sondern auch bei unerwünschten Abwehrreaktionen freigesetzt. Das ist zum Beispiel bei Soforttyp-Allergien der Fall.

 

Welche Formen der Tryptase gibt es in der Mastzelle und welche Eigenschaften haben sie?

Im Prinzip handelt es sich bei der Tryptase um eine sogenannte Protease, das heißt sie ist ein Enzym und baut Proteine ab. Somit spielt sie bei der Entgiftung von Fremdproteinen eine wichtige Rolle. Man hat sechs verschiedene Formen der Tryptase ermittelt, die entweder kontinuierlich oder bei einer akuten Reaktion der Mastzelle freigesetzt werden. Die α-Tryptase wird zum Beispiel kontinuierlich freigesetzt und ist enzymatisch nicht aktiv. Eine erhöhte Konzentration spiegelt eine erhöhte Anzahl von Mastzellen oder eine erhöhte Aktivität der Mastzellen wider. Man hat hier in den letzten Jahren auch festgestellt, dass es genetische Unterschiede gibt, das heißt es gibt Menschen, die von Haus aus einen höheren α-Tryptase Wert haben. Die enzymatisch aktive ß-Tryptase steigt nur im Rahmen einer akuten Mastzellfreisetzung an, so auch im Rahmen eines Allergieschocks.

Wie heißen die anderen vier Tryptaseformen und welche Eigenschaften haben sie?

Es gibt auch noch weitere Unterformen, die ebenfalls entweder dauerhaft oder bei einer akuten Mastzellstimulation freigesetzt werden. Sie werden in der Reihenfolge des griechischen Alphabets bezeichnet, also γ-Tryptase, δ-Tryptase, ε-Tryptase und ζ-Tryptase. Andere Eigenschaften als die α- und ß-Tryptasen haben sie nach derzeitigem Kenntnisstand nicht.

Wann misst man den Tryptasewert?

Die Messung des Tryptasewertes gehört nicht zu den Routinemaßnahmen. Empfohlen wird die Messung des Tryptasewertes bei Patienten mit Verdacht auf Mastozytose, das heißt einer Vermehrung von Mastzellen, oder bei Patienten, bei denen ein Verdacht auf eine hämatologische Erkrankung besteht. Da sich gezeigt hat, dass auch Patienten mit einer basal erhöhten Tryptase ein höheres Risiko bei Insektengiftallergie haben, empfiehlt die für den deutschsprachigen Raum geltende Leitlinie die Kontrolle des Tryptasewertes bei erwachsenen Patienten mit Verdacht auf Allergie gegen Bienengift oder Wespengift. Studien, an denen auch die Ludwig-Maximilians-Universität in München beteiligt war, haben gezeigt, dass die erhöhte Tryptase eine prognostische Aussagekraft in Bezug auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Hypersensibilisierung hat.

Wie ist die Höhe eines Tryptasewertes einzuschätzen – wann ist er hoch, wann zu niedrig, wann normal?

Es gibt verschiedene Grenzwerte für eine Tryptase. Der Wert bei gesunden Erwachsenen bewegt sich normalerweise deutlich unter 10 µg/l. Ab 11,4 µg/l bewegt man sich in einem Rahmen, bei dem nur noch 5 Prozent der untersuchten Seren darüberliegende Konzentrationen aufweisen - sogenannte 95. Perzentile. Ab 20 µg/l ist die Tryptase auf jeden Fall erhöht und sollte Anlass zu weiteren Untersuchungen geben.

Welche Symptome gehen mit hohen oder niedrigen Tryptasewerten einher?

Das kommt drauf an: Wenn die enzymatisch nicht aktive α-Tryptase erhöht ist, können die Patienten ganz erstaunliche Werte im Blut aufweisen, ohne dass Beschwerden bestehen. Wenn dagegen die enzymatisch aktive ß-Tryptase in größeren Mengen freigesetzt wird, dann heißt das ja, dass das Abwehrsystem entweder durch eine Entzündung oder durch eine allergische Reaktion in Gang gesetzt wurde und entsprechend hat der Patient Beschwerden.

Wie wird die Tryptase im Blut gemessen bzw. kann man Tryptase nur im Blut nachweisen?

Alle Tryptaseunterformen werden mit dem gleichen Test gemessen, der nicht zwischen den verschiedenen Unterformen unterscheidet – gemessen wird immer die Gesamttryptase. Zur korrekten Interpretation eines erhöhten Tryptasewertes ist es deshalb wichtig zu berücksichtigen, in welcher Situation der Wert gemessen wurde und zu welchem Zeitpunkt die Messungen erfolgten. Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch Verlaufsmessungen, die eventuelle Veränderungen des Tryptasewertes dokumentieren. Meist wird die Tryptase im Blut gemessen, kann auch in anderen Körpersekreten, beispielsweise Speichel oder Tränenflüssigkeit nachgewiesen werden.

 

Was bedeutet es, wenn sich der Tryptasewert im Verlauf verändert?

Ein Beispiel: Wenn ein Patient mit einem akuten Allergieschock in die Notaufnahme gebracht wird, wird der Tryptasewert erhöht sein. Man benötigt dann jedoch einen Ausgangswert. Dies kann ein früherer Tryptase-Messwert sein, falls dieser beim Patienten bereits erhoben wurde. Andernfalls misst man die Tryptase nochmals im Nachgang des Schockereignisses. Erst dann lässt sich der individuelle Normalwert des Patienten ermitteln und belegen, dass während des Allergieschocks der Wert zeitweise erhöht war. Auch bei anderen Erkrankungen kann die Tryptase mehr oder minder ansteigen, zum Beispiel bei Entzündungen, dem chronischen Nesselfieber und auch im Rahmen von Alterungsprozessen.

Wie unterschiedlich können die individuellen Tryptasewerte sein?

Zum besseren Verständnis: Entsprechend der Gaus'schen Normalverteilungskurve gibt es eine kleinere Anzahl von Menschen, die entweder einen sehr niedrigen oder einen sehr hohen Tryptasewert aufweisen. Die meisten Menschen haben jedoch einen Tryptasewert, der sich im Zwischenbereich bewegt. Der häufigste Tryptasewert entspricht einem Wert unter 10 µg/l. Wenn ein Mensch erhöhte Tryptasewerte zeigt, bedeutet dies aber noch nicht, dass auch eine Erkrankung vorliegt.

Was sagt die Höhe des Tryptasewertes ansonsten aus?

Aus großen Kohorten-Studien weiß man, dass die Tryptasewerte mit dem Alter assoziiert sind. Je älter ein Mensch ist, desto höher ist sein Tryptasewert, allerdings meist im Rahmen des Normalwertes. Man weiß auch, dass der Tryptasewert bei Patienten mit Mastozytose wesentlich höher ist als bei Menschen, die nicht unter Mastozytose leiden.

Bleibt ein erhöhter Tryptasewert dauerhaft erhöht?

Liegt ein erhöhter Tryptasewert vor, so zeigt sich oft ein gewisses individuelles Plateau, auf dem der Wert verharrt. Wir haben Patienten mit erhöhten Tryptasewerten, bei denen sich die Werte ab einer bestimmten Höhe über Jahre nicht maßgeblich verändern.

Bei welchen Erkrankungen kommt es zu einem erhöhten Tryptasewert?

Ein dauerhaft erhöhter Tryptasewert kann im Zusammenhang mit funktionellen Mastzellenerkrankungen auftreten. Dazu gehören zum Beispiel chronisches Nesselfieber bzw. Urtikaria, Anaphylaxie oder Mastozytose. Bei diesen Erkrankungen liegt eine funktionelle Störung der Mastzellen vor, die zu einer erhöhten Freisetzung bestimmter Botenstoffe führt. Bei den betroffenen Patienten kann das den typischen Juckreiz auslösen. Mit dem Abklingen der Krankheitssymptome sinkt in der Regel auch der Tryptasewert. Abgesehen davon ist es zum Beispiel auch möglich, dass eine Mastozytose besteht, ohne dass dies mit einem erhöhten Wert der Tryptase einhergeht.

Haben Anaphylaxie-Patienten einen dauerhaft erhöhten Tryptasewert?

Ein Patient, der an Anaphylaxie leidet, hat zwar im Zusammenhang mit dem Allergieschock ebenfalls einen erhöhten Tryptasewert, nicht jedoch in den beschwerdefreien Zeiten. Sollte nun ein Patient mit Mastozytose einen Allergieschock erleiden, dann ist der im Zusammenhang mit dem anaphylaktischen Schock gemessene Tryptasewert im Vergleich zu den schon vorher erhöhten Werten dieses Patienten noch zusätzlich erhöht.

 

Gibt es einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Tryptasewert und der Stärke oder der Ausprägung der Symptome?

Im Einzelfall kann man das nicht so genau sagen. Es gibt einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der Höhe des basalen Tryptasewertes und dem Risiko, schwere Symptome bzw. eine Anaphylaxie infolge von Insektenstichen zu entwickeln. Dies scheint im Fall der Insektengiftallergie bereits dann der Fall zu sein, wenn dieser Wert noch innerhalb des Normbereiches liegt, also unter 11,4 bzw. 20 µg/l. Auch wenn man sich einen im Anfall abgenommenen Wert anschaut, kann man im Einzelfall nicht pauschal sagen, dass die absoluten Werte eindeutig mit dem Schweregrad einer Reaktion korrelieren.

Ist der erhöhte Tryptase-Wert die Ursache für das größere Anaphylaxierisiko bei Insektengiftallergie?

In Bezug auf die Insektengiftallergie gibt es Hinweise, dass es sich bei der Tryptase nicht um den eigentlichen Risikofaktor handelt. Der höhere Tryptasewert ist lediglich ein Indikator für die vermehrt vorhandenen oder evtl. vermehrt aktiven Mastzellen. Wir wissen zum Beispiel auch, dass bei Patienten mit Mastozytose ein erhöhtes Risiko für schwere Allergieschocks nach einem Insektenstich vorliegt. Das erhöhte Anaphylaxierisiko für Mastozytosepatienten gilt unabhängig von der Höhe des Tryptasewertes, auch wenn sie noch nie von einer Biene oder Wespe gestochen wurden.

Kann ein sehr erhöhter Tryptasewert auch eine Ursache oder ein Anzeichen für das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) sein?

Das Mastzellaktivierungssyndrom ist mit der Mastozytose verwandt, erfüllt aber nicht komplett die Diagnosekriterien für Mastozytose. Zu den Diagnosekriterien für Mastozytose gehört auch eine erhöhte Tryptase-Konzentration im Blut, insofern gehen MCAS und erhöhte Tryptase typischerweise zusammen.

Wie nutzt man die Erkenntnisse zum Tryptasewert für die Therapie von Menschen mit Anaphylaxie?

Wie gesagt, ist ein erhöhter basaler Tryptasewert an sich nicht gefährlich – man kann trotz erhöhter Tryptase kerngesund sein. Bei Patienten mit deutlich erhöhten Tryptasewerten ist es jedoch wichtig zu ergründen, wo die Ursache dafür liegen könnte. Mögliche Ursachen sind die bereits angesprochene Mastozytose. Sehr selten können auch die sogenannten myeloproliferativen Erkrankungen, das heißt Erkrankungen des blutbildenden Systems, wie zum Beispiel Leukämie, die Ursache erhöhter Tryptase-Werte sein. Berichtet der Patient, dass es in der Vergangenheit bereits zu Überempfindlichkeitsreaktionen gekommen ist, muss der Patient über das zu meidende Allergen bzw. über Vermeidungsstrategien aufgeklärt werden. Auch eine mögliche Hyposensibilisierung sollte als eine Therapieoption geprüft werden. Auf jeden Fall ist die Verordnung eines Notfallsets angeraten.

Frau Prof. Ruëff, herzlichen Dank für das Gespräch! 

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

03. Februar 2023

Autor: S.Jossé/F.Rueff, www.mein-allergie-portal.com

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