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Allergie auf Narkosemittel: Auslöser, Risiko, Maßnahmen

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Was tun, wenn man bei eienr OP allergisch reagiert hat? Bildquelle: J. E. Pickert

Eine allergische Reaktion auf Narkosemittel kann bei einer Operation ein Risiko darstellen. Welche Auslöser gibt es? Wer trägt ein Risiko? Welche Maßnahmen sollte man ergreifen und wann? Mit Dr. med. Julia Elisabeth Pickert, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH und Sektionssprecherin der DGAKI-Junior Members, sprach MeinAllergiePortal über Auslöser, Risikofaktoren und Maßnahmen bei einer Allergie auf Narkosemittel.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Dr. med. Julia Elisabeth Pickert

Frau Dr. Pickert, durch welche Substanzen kann es bei Operationen zu allergischen Reaktionen kommen?

Im Allgemeinen kann jedes Medikament das im Zuge einer Operation gegeben wird, eine allergische Reaktion auslösen. Oftmals werden diese Reaktionen durch Muskelrelaxantien, Antibiotika und Latex verursacht. Muskelrelaxantien sind muskelentspannende Medikamente, welche für die Intubation, also für Einführung eines Beatmungsschlauchs in die Luftröhre, unvermeidbar sind. Sie werden erst im Operationssaal, direkt vor der Einführung des Beatmungsschlauchs und gemeinsam mit den anderen Narkosemitteln gegeben.

Die Beruhigungsmittel, welche im Vorfeld einer Operation bereits auf Station oder im Vorbereitungsraum verabreicht werden, können ebenfalls eine allergische Reaktion bewirken. Das kommt jedoch sehr selten vor.

Gibt es im Zusammenhang mit Operationen Risikofaktoren für allergische Reaktionen auf Narkosemittel?

Ja, es gibt Risikofaktoren, welche die Wahrscheinlichkeit, in einer Operation oder in der Vorbereitung allergisch zu reagieren, erhöhen. Ein Hauptrisikofaktor ist, wenn der Patient bereits in einer früheren Operation allergisch reagiert hat. Ebenfalls gefährdet, besonders durch Allergien auf Naturlatex, sind Atopiker, also Patienten die zu Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis neigen. Patienten mit einer Latexallergie vertragen häufig keine Avocados, Bananen oder Kiwis, ohne von ihrer Latexallergie zu wissen. Daher sollte der Arzt bei dieser Information hellhörig werden.

Bei der Unverträglichkeit auf die genannten Nahrungsmittel handelt es sich also um Kreuzallergien auf Narkosemittel?

Südfrüchte wie Avocado, Banane oder Kiwi sind Kreuzallergene zum Latex.

Ebenfalls stellt ein häufiger Kontakt mit Narkosemitteln einen weiteren Risikofaktor da. Kinder mit angeborenen Fehlbildungen zum Beispiel, die aufgrund dieser häufig operiert wurden, hatten demzufolge viele Möglichkeiten, Antikörper gegen diese Stoffe zu bilden, und können bei einer erneuten Operation auch allergisch reagieren.

Das bedeutet, Patienten, die eine Operation in der Vergangenheit ohne Probleme überstanden haben, können dennoch beim nächsten Eingriff anaphylaktisch, also allergisch auf Narkosemittel reagieren?

Ja, ein mehrmaliger Kontakt steigert das Risiko der Bildung von Antikörpern und damit auch die Gefahr, in einer weiteren Operation allergisch auf Narkosemittel zu reagieren.

Worauf müssen Risikopatienten im Zusammenhang mit Narkosemitteln vor Operationen achten?

Risikopatienten sollten auf jeden Fall beim Aufklärungsgespräch im Vorfeld einer Operation sämtliche Allergien angeben und den Allergiepass, sofern vorhanden, vorzeigen. Insbesondere dann, wenn sie aufgrund einer vorherigen allergischen Reaktion während einer Operation Risikopatient sind und Allergien auf Narkosemittel bekannt sind. Zudem sollten sie die Ursachen für die allergischen Reaktionen unbedingt im Vorfeld abklären lassen. Viele allergische Reaktionen werden zwar dokumentiert, sind dem Patienten auch zum Teil bekannt, wurden aber nicht in einem Allergiezentrum abgeklärt. Das ist allerdings sehr wichtig für den weiteren Werdegang des Patienten.

Kann das der Patient die Abklärung der Ursachen für seine allergischen Reaktionen bei Operationen selbst in Angriff nehmen?

Ja, und er sollte es vor allem rechtzeitig in Angriff nehmen. Wir haben häufig Fälle, in denen sich Patienten bei uns melden und sagen, dass sie in einer Woche eine Operation haben und mögliche Allergien zuvor abgeklärt werden sollen. Das ist dann schwierig, da die Abklärung einer Allergie auf Narkosemittel langwierig ist. Es ist meist nicht mit nur einem Besuch im Allergiezentrum getan. Die allergologische Diagnostik einer Allergie auf Narkosemittel setzt sich zusammen aus einer gründlichen Anamnese und aufwändiger Hauttestung. Häufig kommt im Anschluss auch noch eine stationäre Provokationstestung hinzu. Sobald man also weiß, dass unter Umständen eine Allergie auf Narkosemittel vorliegt, sollte man sich frühzeitig an ein Allergiezentrum wenden, um diese medizinisch abklären zu lassen.

Heißt das, man sollte die Ursachen für eine allergische Reaktion unmittelbar danach und nicht erst vor der nächsten Operation abklären lassen?

Richtig. Das hat auch noch andere Vorteile. Einige Tests schlagen immer schlechter an, je länger die allergische Reaktion zurückliegt. Der beste Zeitraum der Abklärung einer Allergie auf Narkosemittel liegt zwischen 1 bis 6 Monaten nach der Narkose, bei der es zu einer allergischen Reaktion kam. Dieser eine Monat sollte aber unbedingt eingehalten werden, da die während der Operation verabreichten anti-allergischen Medikamente die Testergebnisse verändern könnten. Generell sollte man sich mit der Abklärung der Allergie nicht jahrelang zeitlassen, da dies die Diagnostik erschwert.

 

Welche Informationen benötigt der Patient, wenn er eine allergische Reaktion auf Narkosemittel abklären lassen möchte?

Ganz wichtig ist, dass der Patient das Narkoseprotokoll zum Erstgespräch mitbringt. Meistens erfolgt die Abklärung in einem Allergiezentrum und nicht unbedingt in der Klinik, in der die Operation stattfand. Das bedeutet, dass der Arzt keinen Zugriff auf die Operationsdokumente hat. Daher ist es wichtig, dass der Patient sich nach einer nicht vertragenen Narkose eine Kopie des Narkoseprotokolls aushändigen lässt. So kann der abklärende Allergologe später genau sehen, welche Medikamente zu welchem Zeitpunkt verabreicht wurden und zu welchen Symptomen es daraufhin kam.

Vielen Patienten ist gar nicht so bewusst, wie viele unterschiedliche Medikamente in Operationen eingesetzt werden und wie komplex eine Narkose tatsächlich ist. Nur mit diesen Informationen ist es dem Allergologen möglich, eine Testung sinnvoll zu planen.

Welche Informationen sollte der Patient dem Arzt noch geben?

Die Diagnostik besteht ja aus Anamnese, Hauttests und Provokationstests. Am Ende der Diagnostik steht auch immer ein Allergiepass. Wenn nach der Allergieabklärung ein Pass ausgestellt wird, muss der Patient diesen natürlich immer mit sich führen und bei sämtlichen Narkosevorgesprächen beziehungsweise Aufklärungsgesprächen vorlegen. Häufig werden in diesem Pass dann auch schon mögliche Ausweichmedikamente angegeben.

Frau Dr. Pickert, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

20. April 2020

Autor: S. Jossé/ J. Pickert, www.mein-allergie-portal.com

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