Anaphylaxie beim Kind: Tipps für Familien!
Wenn ein Kind von Anaphylaxie betroffen ist und bei Allergenkontakt anaphylaktisch reagiert, ist das eine chronische Erkrankung die lebenslang bestehenbleibt. Sie ist potenziell lebensgefährlich und beängstigend. Oft fürchten Eltern, dass ihr Kind mit der Situation überfordert ist und fühlen sich auch selbst hilflos. Damit wird die Angst schnell zum „Familienthema“ und darüber hinaus zum Thema für das gesamte Umfeld des Kindes. MeinAllergiePortal sprach mit Dr. med. Thomas Buck, Facharzt für Kinderheilkunde und Allergologe über praktische Tipps für Familien.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Dr. med. Thomas Buck
Die Diagnose „Anaphylaxie“ ist für die Eltern oft ein Schock und löst große Ängste aus – was tut man gegen die Angst?
Angst hat die Aufgabe vor Gefahren zu schützen. Diese Angst sorgt dafür, dass diese gefährliche Erkrankung mit der nötigen Sorgfalt vermieden wird. Aber die Angst darf nicht übermäßig sein, sonst besteht die Gefahr, Fehler zu machen. Außerdem reduziert eine übergroße Angst die Lebensqualität und auch jeder chronisch kranke Patient sollte ein erfülltes und glückliches Leben führen können.
Wie nehmen Sie den Eltern diese übergroße Angst vor einem Anaphylaktischen Schock?
Im Grunde kommt es bei der Anaphylaxie darauf an, sowohl dem kleinen Patienten als auch den Eltern klar zu machen, dass sie zwischen angemessener und übertriebener Angst differenzieren müssen. Ich erkläre das den Kindern und letztendlich auch den Eltern immer anhand eines Beispiels. Ich frage das Kind und die Eltern: „Wenn ich Euch jetzt die Augen verbinden würde, hättet Ihr dann Angst über eine Autobahn zu laufen?“ und natürlich antworten alle mit „ja“. Dann erkläre ich, was die Angst in diesem Falle bewirkt, nämlich das man vor einer realen Gefahr gewarnt wird. In diesem Fall schützt die Angst vor lebensgefährlichem Verhalten. Dann frage ich: „Habt Ihr vor dem Stofftier, das hier gerade vor mir sitzt Angst?“ Und dann lachen alle und sagen natürlich „nein“. Ich frage dann: „Stellt Euch vor, ein Kind hätte Angst vor diesem Stofftier, wäre das eine schützende Angst, die vor einer realen Gefahr warnt, oder wäre das eine unnötige Angst, die das Kind davon abhält mit dem schönen Stofftier zu spielen?“. Alle verstehen was gemeint ist.
Das heißt, man muss die Angst vor der Anaphylaxie beim Kind auf das rechte Maß reduzieren…
Man muss Patienten und Eltern deutlich machen, dass man die Angst auf eine sachliche Ebene bringen und trotzdem kindgerecht damit umgehen kann, dass man sie „weglachen“ oder „rationalisieren“ kann und dass man auch hinterfragen sollte, warum die Angst da ist und in welchem Maße sie angemessen ist. Im Ergebnis muss die Angst groß genug sein, um nicht die sinnvollen Vorsichtsmaßnahmen zu vernachlässigen, aber nicht so groß, dass die gesamte Familie sich nicht mehr traut, ein erfülltes Leben zu führen.
Gibt es verschiedene Schweregrade der Anaphylaxie bzw. gibt es einen Verlauf des anaphylaktischen Schocks?
Ja, es gibt verschiedene Schweregrade des Anaphylaktischen Schocks. Dabei kommt es darauf an, an welchen Organsystemen sich die Anaphylaxie zeigt. Man teilt den Verlauf der Anaphylaxie in vier Schweregrade ein, die wie folgt aussehen:
Schweregrad I der Anaphylaxie
Hier zeigen sich die allergischen Symptome an der Haut durch:
- Juckreiz
- Quaddeln (Urtikaria)
- Flush/Erythem
- Angioödem (Quincke-Öden)
Solange sich die allergischen Symptome einer Anaphylaxie auf die Haut beschränken, sind dies zwar Alarmzeichen, aber es besteht keine unmittelbare Lebensgefahr. Das bedeutet, der Adrenalin-Penn muss nicht zum Einsatz kommen.
Eine Ausnahme bilden anaphylaktische Hautsymptome, die bei Erdnussallergikern, Baumnussallergikern oder bei Menschen mit Allergien auf Sesam auftreten. In diesen Fällen sind auch Hautreaktionen ein Warnzeichen für eine möglicherweise gefährliche Reaktion, auch wenn nur Spuren des Allergens die Ursache waren. Der Adrenalin Autoinjektor sollte dann nicht zwangsläufig zur Anwendung kommen, aber man sollt in „Habachtstellung“ sein.
Schweregrad II der Anaphylaxie
Hier können mehrere Organsysteme betroffen sein. Zum einen zeigen sich die Anaphylaxie-Symptome wieder an der Haut, wie beim Schweregrad I.
Zusätzlich kann es zu den folgenden Symptomen kommen:
- Unruhe
- Kopfschmerz
- Tremor (Zittern)
- Übelkeit
- Krämpfe/Koliken
- Rhinorrhoe (starke Absonderung von Nasensekret)
- Heiserkeit
- Dyspnoe (Luftnot)
- Tachykardie (Herzrasen)
- Hypotonie (niedriger Blutdruck)
Schweregrad III der Anaphylaxie
Beim dritten Schweregrad der Anaphylaxie können die folgenden Symptome hinzukommen:
- Defäkation (Abgang von Stuhl)
- Larynxödem (Kehlkopfschwellung)
- Bronchospasmus (Verkrampfen der Atemwegsmuskeln)
- Zyanose (Blausucht)
- Schock
Schweregrad IV der Anaphylaxie
Beim vierten Schweregrad des allergischen Schocks können die folgenden Symptome hinzukommen:
- Bewußtseinsverlust
- Atemstillstand
- Kreislaufstillstand
Dazu gibt es auch ein hilfreiches Schema nach dem Ampelsystem auf unserer Webseite https://allergologie-anaphylaxie.de/ Das Schema hilft Eltern oder Betreuern dabei zu entscheiden, ob und wann sie den Adrenalin Pen einsetzen sollten.
Unterscheiden sich die Symptome eines anaphylaktischen Schocks zwischen Erwachsenen und Babys, Kleinkindern und Kindern?
Bei einer Anaphylaxie sind Symptome wie Atemwegsverengung und Hautreaktionen bei Babys, Kleinkindern und Kindern ähnlich und unabhängig vom Alter. Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern gibt es allerdings im Hinblick auf Kreislaufreaktionen.
Wie zeigt sich eine Anaphylaxie bei kleinen Kindern am Kreislauf?
Kleine Kinder sind nicht in der Lage zu kommunizieren, dass ihr Kreislauf gerade zusammenbricht. Sie werden dann einfach müde und wollen schlafen. Dabei handelt es sich um unspezifische Anzeichen einer Anaphylaxie. Die Eltern sollten deshalb hellhörig werden, wenn das Kind sich anders als sonst verhält und zum Beispiel zu ungewöhnlichen Zeiten plötzlich ins Bett gehen will. Und noch eine Information: In 95 Prozent der Anaphylaxien ist die Haut beteiligt. Wenn ein Kind plötzlich eine Nesselsucht entwickelt und dann noch müde wird, ist das ein Alarmzeichen.
Ein anderes, vielleicht nicht so bekanntes Anzeichen eines allergischen Schocks bei kleinen Kindern ist der Juckreiz.
Warum kann Juckreiz bei kleinen Kindern ein Anzeichen für einen anaphylaktischen Schock sein?
Wenn kleine Kinder plötzlich anfangen sich zu kratzen, auch im Genitalbereich, kann das ein Hinweis auf einen allergischen Schock sein. In der Regel haben Eltern eine feine Antenne für solche ungewöhnlichen Verhaltensweisen.
Wie sollte das Notfallmanagement für ein anaphylaktisches Kind aussehen, um die Risiken weitgehend zu reduzieren?
Drei Dinge sind hier wichtig:
- Allergen vermeiden
- Eine allergische Reaktion erkennen und richtig einschätzen
- Das Notfallset muss „am Kind“ sein
Alle drei Faktoren sind gleichermaßen wichtig.
Wie kann man vorbeugen, dass es beim Kind zum anaphylaktischen Schock kommt?
Um richtig vorbeugen zu können, muss zunächst einmal genau festgestellt werden, welches Allergen für die anaphylaktische Reaktion verantwortlich ist. Das ist die Voraussetzung dafür, dass das Allergen konsequent gemieden werden kann. Dann müssen das Kind, die Eltern und Geschwister, aber auch Großeltern, Erzieher, Lehrer und im Grunde alle, die mit dem Kind in Kontakt kommen, wissen, welches Allergen die Anaphylaxie auslöst.
Wie beugt man vor, wenn das Kind auf ein Nahrungsmittelallergen allergisch ist?
Falls es sich um ein Lebensmittelallergen handelt, müssen alle wissen, wo sich das Allergen versteckt und unter welchen Bezeichnungen es in den Zutatenlisten von verpackten Lebensmitteln auftaucht. Hierfür führen wir in der Praxis regelmäßig Schulungen durch, sowohl individuell als auch in Gruppen. Wir sind ein Teil der bundesweiten Schulungsgemeinschaft Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie - Training und Edukation e. V. (AGATE) für die Region um Hannover. Zumindest alle Familienmitglieder, besser auch der erweiterte Kreis von Personen, die mit dem Kind in Kontakt stehen, sollte diese regelmäßig alle vier Wochen mitmachen.
Wie beugt man vor, wenn das Kind eine Insektengiftallergie hat?
Vorbeugende Maßnahmen bei Insektengiftallergie:
- Im Freien keine süßen Getränke und Speisen verzehren, vor allem nicht aus Gefäßen oder Behältern, in die eine Biene/Wespe hineinkriechen kann
- Abfallkörbe und Bäume mit Fallobst meiden
- Im Freien nicht ohne Schuhe laufen
- Im Freien möglichst bedeckt halten: langärmelige Kleidung und geschlossene Schuhe; keine Kleidung mit kräftigen Farben tragen (auch kein schwarz)
- Autofenster geschlossen halten und Schlafzimmerfenster tagsüber geschlossen halten oder Insektengitter anbringen
- Auch Duftstoffe in Parfüms und anderen Pflegeprodukten können Insekten anlocken, also meiden
- Sollte ein Insekt auftauchen: Ruhe bewahren und still verhalten
Wie informieren sich Eltern eines anaphylaktischen Kindes am besten über „erlaubte“ und zu meidende Allergene in Nahrungsmitteln?
Bei Anaphylaxie ist eine Beratung durch eine allergologisch besonders ausgebildete Oecotrophologin oder einen allergologisch besonders ausgebildeten Oecotrophologen sehr hilfreich und wichtig. So gewinnt die ganze Familie mehr Sicherheit im Umgang mit Lebensmitteln. Die Inhaltsstoffe von natürlichen Lebensmitteln und Fertigprodukten sind ein Thema, mit dem sich die meisten Menschen nicht so im Detail auskennen. Gerade wenn multiple Nahrungsmittelallergien bestehen, wird es für viele Eltern sehr kompliziert.
Vorbeugende Maßnahmen bei Nahrungsmittelallergie:
- Kein Risiko eingehen!
- Die Nahrungsmittel, die das auslösende Allergen enthalten, müssen bekannt sein und konsequent gemieden werden
- Immer das Zutatenverzeichnis lesen, besonders, wenn mit „Neuer Rezeptur“ geworben wird
- Das eigene Essen mitnehmen und verzehren
- Nicht das Essen tauschen
- Auch nach dem Essen Hände waschen
- Alle Freunde, Erzieher und Lehrer über die Allergie deren Auslöser und die zu ergreifenden Maßnahmen informieren
Warum ist die Beratung durch einen Experten in Sachen Ernährung bei Kindern mit Anaphylaxie so wichtig?
Die Ernährungsexperten können den Eltern nicht nur sagen, was ihre Kinder nicht essen dürfen, sondern vor allem, was die Kinder wirklich essen dürfen und wie sie Rezepte so verändern können, dass es ihren Kindern gut geht. Das ist natürlich je nach Allergen sehr unterschiedlich und bedeutet eine Menge an Fachwissen, das die Eltern verständlich vermittelt bekommen sollten.
Was ist bei der Ernährung von Kindern, die auf Nahrungsmittel allergisch sind, wichtig?
Bei Kindern ist es besonders wichtig, dass alle zum gesunden Wachstum notwendigen Stoffe im Alltag in der Ernährung der Kinder enthalten sind. Da sind Listen mit Lebensmitteln, die weggelassen werden sollten, wenig hilfreich.
Viele Eltern lernen in den Schulungen, wie sie bestimmte Lebensmittel ersetzen können und die Rezepte trotzdem ebensogut schmecken. Sie durchschauen besser, wo sich die gefürchteten Allergene verbergen, sowohl in sichtbarer, aber vor allem auch in versteckter Form.
In welchem Zeitraum nach Allergenkontakt kann ein anaphylaktischer Schock auftreten?
Besonders gefährlich ist die direkte, unmittelbare Zeit nach dem Allergenkontakt, das heißt die ersten 30 Minuten. Kommt es dann zu allergischen Reaktionen sollte man schnell handeln.
Zwar können anaphylaktische Reaktionen theoretisch auch noch innerhalb der ersten 24 Stunden nach Kontakt mit dem Allergen auftreten. Diese verspäteten Reaktionen sind aber sehr selten. Dann sollte immer auch genau untersucht werden, ob es sich wirklich um eine anaphylaktische Reaktion handelt, oder ob eine andere Ursache dahintersteckt.
Gibt es für die Eltern anaphylaktischer Kinder Tipps für den Alltag?
Ja, beispielsweise Tipps zum Einkaufen helfen den Eltern, denn die Allergen-Kennzeichnungspflicht der Lebensmittel ist zwar in vielen Fällen hilfreich, stiftet aber auch in manchen Fällen einige Verwirrung. Es tut den Eltern einfach gut, ein sicheres Gefühl zu haben und ihren Kindern zu vermitteln: „Das darfst Du gern essen, hier lässt Du lieber die Finger davon“.
Bestimmte Regeln sollten die Kinder dann ab einem gewissen Alter dringend beherrschen.
Was sollten Kinder mit Anaphylaxie wissen und ab welchem Alter?
Anaphylaktische Kinder müssen wissen, welche Lebensmittel sie vertragen. Es muss ihnen klar sein, dass sie im Zweifel lieber nur das mitgebrachte Essen zu sich nehmen und nicht mit anderen Kindern tauschen. Auch das Besteck oder der Teller, Gläser, Tassen oder Strohhalme sollten nicht geteilt werden. Wichtig ist für die Kinder, dass sie eine „sichere“ Nascherei kennen, die sie ohne Probleme vertragen. Das hilft dabei, selbstbewusst solche abzulehnen, bei denen sich die Kinder nicht sicher fühlen.
Wie können Kinder mit Anaphylaxie auf Nahrungsmittel dann an Festen teilnehmen?
Sogenannte „Schatzkisten“, gut gefüllt mit kleinen Belohnungen für das betroffene Kind sind eine tolle Hilfe. Sie dienen als Ersatz, wenn die anderen Kinder beispielsweise beim Abschied einer Erzieherin oder bei der Geburtstagsgabe in der Klasse herzhaft zugreifen dürfen.
Außerdem erhalten die Eltern in der Schulung Tipps zu Restaurantbesuchen, für Klassenfeste, oder Kindergartenausflügen und genauso Anregungen, wo sie die entsprechenden Übersetzungen der Bezeichnungen für Allergene und Lebensmittel für Auslandsaufenthalte finden können. Insgesamt ist es uns wichtig, dass die Eltern mit einem sicheren und guten Gefühl nach Hause gehen. Sie sollen wissen, wie sie Gefahren vermeiden können und natürlich auch wie sie reagieren müssen, wenn es doch zu einem Notfall kommen sollte.
Wenn die Gefahr eines Anaphylaktischen Schocks besteht, ist es wichtig, einen Notfallplan parat zu haben. Wie finden Eltern den richtigen Plan?
Es gibt eine Reihe von Notfallplänen von verschiedenen Fachgesellschaften, die man sich auch aus dem Netz herunterladen kann. Allerdings hat jeder Notfallplan Vor- und Nachteile. Ich empfehle den Familien, sich einige Pläne anzusehen, sie zu vergleichen und sich dann für den Plan zu entscheiden mit dem sie am besten zurechtkommen.
Was sollten die Familien eines anaphylaktischen Kindes wissen?
Hier ist es wichtig, dass alle wissen mit welchen Warnzeichen sich eine anaphylaktische Reaktion bemerkbar macht. Dies sind zum Beispiel rasant auftretende Hautveränderungen, starker Juckreiz, Atemnot etc. Wenn mindestens zwei Organsysteme betroffen sind, also z.B. die Haut und das Magen-Darm-System, ist dies ebenfalls ein deutlicher Hinweis auf einen Anaphylaktischen Schock. Je nachdem bleibt mehr oder weniger Zeit, um Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Wichtig ist auch, dass der Umgang mit dem Adrenalin-Autoinjektor (AAI) „sitzt“. Der Adrenalin-Pen ist Teil des Notfallsets, da auch unterwegs immer dabei sein sollte.
Das der Umgang mit dem Adrenalin-Pen sollte regelrecht „gepaukt“ werden, und zwar alle vier Wochen. Konkret heißt das:
- Injektor in die Dominante Hand
- Hand nicht mehr wechseln
- Sicherheitskappe abnehmen
- Im Zweifelsfall durch die Hose in den äußeren Oberschenkelmuskel stechen
- Von 1 bis 10 zählen und dann erst abziehen
Ich halte es auch für sinnvoll der Familie einen Dummy-Adrenalin-Autoinjektor mit nach Hause zu geben. So verlieren alle die Scheu vor der „Spritze“ und es lässt sich immer mal wieder spielerisch üben.
Wie genau hilft Adrenalin bei einem Anaphylaktischen Schock und wie ist die Dosierung von Adrenalin für Kinder laut der Leitlinie?
Adrenalin ist das wichtigste Medikament der Akuttherapie bei einem anaphylaktischen Schock. Es hilft sehr schnell, innerhalb weniger Minuten. Mit Hilfe des Adrenalin-Autoinjektors werden innerhalb einer Sekunde über 90 Prozent des Wirkstoffs in den Oberschenkel injiziert. Das ist vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt, der Kreislauf fährt beim allergischen Schock zunächst schnell runter, dank Adrenalin fährt er aber genauso schnell wieder hoch. Langfristige Nebenwirkungen gibt es nicht, selbst dann nicht, wenn gesunde Menschen sich versehentlich den AAI injizieren.
Auch zur Dosierung gibt es eine praktische Übersicht:
Was, wenn das Kind den Adrenalin-Autoinjektor nicht selbst anwenden kann?
Eine weitere dringend notwendige Maßnahme ist es, Erzieher und Lehrer in den Umgang mit Adrenalin-Autoinjektoren einzuweisen. Im Fall der Notfallmedikation, wie bei Anaphylaxie, aber auch bei Diabetes und Epilepsie können die Eltern den Lehrern die Personensorge für den Fall der Gabe von Medikamenten übertragen. In jedem Fall ist hierfür eine schriftliche Fixierung der Verordnung durch den Arzt mit seiner Unterschrift nötig. Auf solch einer Verordnung, können dann die Eltern vermerken, dass sie den Lehrern und Erziehern die Anwendung des Pens in der Notfallsituation übertragen. So ist es dann für alle juristisch einwandfrei. Das Anaphylaxie Handbuch Hannover enthält hierzu eine Stellungnahme aus juristischer Sicht.
Was ist wichtig beim Adrenalin Pen für Kinder und welcher Arzt kann das Notfallset verschreiben?
Beim Adrenalin-Autoinjektor ist es wichtig, dass die Eltern in der Apotheke darauf achten, dass das Präparat noch eine ausreichende Haltbarkeit hat - Adrenalin ist ab Produktion ca. 20 Monate haltbar. Unbrauchbare Injektoren erkannt man aber auch leicht an den Ausflockungen in der Flüssigkeit. Immer dabei sein sollte auch der Anaphylaxie-Pass.
Wenn die Indikation gegeben ist, kann jeder Arzt das Notfallset verschreiben.
Sie sagten dass das Notfallset „am Kind“ sein muss, es gibt jedoch auch Empfehlungen, die Notfallsets überall dort zu verteilen, wo das Kind sich potenziell aufhält…
Diese Empfehlungen gibt es, aber sie sind aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Was nützt es, wenn die Adrenalin-Autoinjektoren zwar überall verteilt, aber im Ernstfall doch nicht greifbar sind. Hier sind eine gewisse Disziplin und die richtige Einstellung gefragt. Genau wie man nicht ohne Brille aus dem Haus geht, sollte man als Anaphylaktiker nicht ohne Notfallset unterwegs sein, und der wichtigste Bestandteil des Notfallsets ist der Adrenalin-Autoinjektor.
Ist das Verteilen der Adrenalin-Autoinjektoren auch der Grund dafür, dass es immer wieder vorkommt, dass die Notfallsets nicht mitgeführt werden?
Ja, ich glaube dass dies so ist. Wenn man diverse Notfallsets an den unterschiedlichsten Orten verteilt, verlässt man sich darauf, dass ein Notfall-Set existiert, aber man macht es nicht zum Teil seines Alltags. Das ist wie bei den Ostereiern, bei denen man auch denkt, man wüsste noch, wo sie versteckt sind, aber das ist nicht so. Hier besteht die massive Gefahr, dass der Adrenalin-Autoinjektor im entscheidenden Moment nicht zur Hand ist und das kann fatale Folgen haben. Deshalb rate ich den Eltern dringend darauf zu achten, dass das Notfallset immer „am Kind“ ist.
Abgesehen vom Adrenalin-Pen, gibt es eine Therapie für Kinder mit Anaphylaxie?
Aktuell wird im Bereich Anaphylaxie viel geforscht. So gab es Versuche mit Erdnusspflastern und inzwischen gibt es auch eine orale Therapie für Erdnussallergiker. Ziel ist es, durch regelmäßige, kleine, orale Gaben des Erdnuss-Allergens eine relative Immuntoleranz auszulösen. Diese Therapie hat bereits eine Zulassung und steht kurz vor der flächendeckenden Anwendung. Aktuell ist jedoch noch nicht ganz klar, für welche Patienten diese Therapie sinnvoll ist.
Wenn Eltern befürchten, dass ihr Kind eine anaphylaktische Reaktion hatte, welche Informationen sollten sie zum Termin beim Kinderarzt mitbringen?
Je detaillierter die Informationen sind, umso besser ist es. Eltern sollten alles aufschreiben, was im Zusammenhang mit der Anaphylaktischen Reaktion ihres Kindes wichtig sein könnte. Im Handbuch Anaphylaxie Hannover gibt es auch einen umfangreichen Fragebogen für Eltern den Eltern als Vorlage nutzen können. Wenn sie diesen zum ersten Termin mit ihrem Kinderarzt ausgefüllt mitbringen, erleichtern sie dem Arzt die Anamnese.
Herr Dr. Buck, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé, T. Buck, www.mein-allergie-portal.com
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