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Allergie auf Zahnmaterial, Zahnersatz: Was ist das?

Allergie Zahnmaterial Zahnersatz
Allergie auf Zahnmaterial oder Zahnersatz: Was ist das? Bildquelle: canva digender, staras

Von Allergien auf Zahnmaterial bzw. Zahnersatz berichten mehr und mehr Patienten. Die Rede ist von in zahnärztlichen Behandlungen eingesetzten Materialien bzw. Zahnersatzmaterialien in Prothesen, Brücken oder Implantaten. Selbst im hohen Alter können sich noch Allergien entwickeln. Wann spricht man eigentlich von einer Allergie? Kennt man die Ursachen? Wie zeigen sich die Symptome? Wie wird die Diagnose gestellt und welche Therapien stehen aktuell zur Verfügung? Erfahren Sie mehr in diesem MeinAllergiePortal-Überblick. Alles über Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie.

 

Autor: PD Dr. med. Oliver Schierz

 

 

Was ist eine Allergie auf Zahnmaterial oder Zahnersatz?

Eine Allergie auf bei der Zahnbehandlung Materialien, wie zum Beispiel in Füllungen oder in Zahnersatz, wie Prothesen oder Kronen, verwendete Materialien ist eine überschießende Immunreaktion auf einen oder mehrere Inhaltsstoffe. Potentiell kann jeder freigesetzte Inhaltsstoff des Zahnersatzes, eine Unverträglichkeitsreaktion auslösen. Dabei handelt es sich bei der Allergie auf Zahnmaterial um eine Typ-IV-Reaktion, eine sogenannte Spättyp-Reaktion: Symptome, wie zum Beispiel Schleimhautrötungen, treten in der Regel erst Tage bis Wochen nach Kontakt zum Allergen auf. 

 

dr oliver schierz zahnersatzPrivatdozent Dr. Oliver Schierz von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde am Universitätsklinikum Leipzig Bildquelle: O. Schierz“Eine allergische Reaktion setzt voraus, dass bereits eine Sensibilisierung erfolgt ist. Diese Sensibilisierung entsteht durch zumindest einen oder auch durch wiederkehrenden Kontakt mit dem Allergen. Dieser Allergenkontakt kann im privaten oder beruflichen Umfeld erfolgen. Die Sensibilisierung kann dabei sowohl über die Haut als auch über die Atemwege erfolgen. Insofern kann es durch die bei der Zahnbehandlung eingesetzten Materialien nachträglich zu einer allergischen Reaktion kommen.”

 

 

 

Allergie auf Zahnmaterial: Wie häufig ist das?

Durch stetige Neuentwicklungen beim Zahnersatz und neue Materialien kommt es zu einer immer größeren Materialvielfalt. Allergische Reaktionen betreffen nicht nur Patienten, sondern auch zahnmedizinisches Personal. In der Allgemeinbevölkerung geht man davon aus, dass etwa jeder 400ste Mensch allergisch auf bestimmte beim Zahnarzt verwendete Materialien reagiert. 

Wer ist besonders gefährdet, auf eine Zahnbehandlung allergisch zu reagieren?

Bestimmte Menschen weisen ein erhöhtes Risiko auf, eine allergische Reaktion auf Zahnersatz zu entwickeln: 

  • Menschen, die bereits mit anderweitigen Allergien (wie zum Beispiel auf Pollen und Lebensmittel) belastet sind, tragen ein deutlich höheres Risiko eine Allergie auf Zahnersatz zu entwickeln
  • Auch bei Menschen, die an Störungen des Immunsystems leiden, ist das Risiko allergischer Reaktionen auf Zahnmaterial höher


 

Allergie durch Zahnbehandlung: Mögliche Ursachen und Auslöser

Im Bereich der Zahnheilkunde kommen vielfältige Auslöser für Allergien in Frage, beispielsweise:

  • Kunststoffe (Acrylate in Zahnersatz- und Füllungsmaterialien)
  • Anästhetika (Betäubungsmittel)
  • Metalle (in Implantaten (Titan), Füllungen (Amalgam) und Zahnersatz (Nickel, Gold, Chrom)
  • Knochenersatzmaterial
  • Handschuhmaterialien (Latex)
  • Desinfektionsmittel
  • Mundspüllösungen (Chlorallergie, z.B. in Chlorhexidin)
  • sowie andere Stoffe und Medikamente

Zu allergischen Reaktionen kann es sowohl durch einzelne Materialien als auch durch deren Kombination kommen. Einige Allergie-auslösende Stoffe können auch durch die unzureichende Licht-Polymerisation, die Härtung von Zahnersatzmaterial, im Werkstoff verbleiben

Häufige Allergene sind Nickel und Acrylate: Nickel ist dabei oft in Kosmetika und Schmuck vorhanden und kann bereits auf diesem Wege zu einer Sensibilisierung beim Patienten geführt haben, während Acrylate oft in künstlichen Fingernägeln, Lacken und Farben zu finden sind. 

Allergene in zahnärztlichen Materialien

Die Ästhetik spielt in der Zahnmedizin eine wichtige Rolle. Das führt dazu, dass immer wieder neue Materialien mit neuen Eigenschaften entwickelt werden, die dem natürlichen Zahn oft zum Verwechseln ähnlich sehen. Allerdings sind nicht alle Materialien gleichermaßen verträglich.

Eine Allergie kann zum Beispiel durch freigesetzte Stoffe aus den folgenden Zahnmaterialien ausgelöst werden:

  • Komposite
  • Adhäsive
  • Zemente
  • Amalgame
  • Wurzelfüllmaterialien
  • Titanimplantate
  • Zirkonimplantate
  • Brackets
  • Prothesenmaterialien u.a.m.

Allergie auf Zahnmaterial: Wie gelangen die Inhaltsstoffe in den Körper?

Allergene Inhaltsstoffe gelangen auf unterschiedlichen Wegen in den Organismus. Bei Zahnersatz-Maßnahmen und kieferorthopädischen Maßnahmen werden Fremdmaterialien in den Mundbereich eingebracht. Dabei haben alle verwendeten Werkstoffe eine gewisse Löslichkeit: Metalle und Legierungen können korrodieren oder es kann zu Wechselwirkungen mit anderen Metallen kommen. Ebenso können Kunststoffe degradieren und dabei Monomere und Kunststoffbestandteile freisetzen. Zudem kann sich Zahnzement, der nicht besonders speichelfest ist, lösen. 

Auch mechanische Faktoren spielen eine Rolle. So kann es durch die Kaubewegungen zu Abrieb kommen, und die Allergene werden freigesetzt. Aber auch falsch bearbeitete Legierungen können zu Auflösungserscheinungen und allergischen Reaktionen führen.

 

Allergie auf Zahnbehandlung oder Zahnmaterial: Wie sehen die Symptome aus?

Bei einer Allergie auf Zahnmaterial gibt es keine typischen Symptome. Oft sind sie unspezifisch und es zeigt sich ein breites Spektrum. Beschwerden können an unterschiedlichen Körperregionen auftreten und über Jahre bestehen.

Folgende Symptome können in Zusammenhang mit einer Allergie auf Zahnersatzmaterialien auftreten bzw. verstärkt werden:

  • Mundtrockenheit
  • Mundbrennen
  • Entzündungen und Rötungen der Mundschleimhaut wie
    • Parodontitis (Entzündung des Zahnbettes)
    • periorale Dermatitis (entzündlicher Hautausschlag)
    • Lingua plicata (Faltenzunge)
    • Lingua geographica (Landkartenzunge)
    • Leukoplakien oder Hyperkeratosen (Verhornungen) der Mundschleimhaut
  • Schwellung und Entzündung der Zunge und/oder Mundbogen
  • Schwellungen und Entzündungen der Lippen
  • Aphten oder Lippenherpes
  • Störung der Geschmacksempfindung
  • Hautausschlag
  • Asthmatische Komplikationen
  • Verzögerte / massiv gestörte Wundheilung
  • Magen-Darm-Beschwerden:
    • Sodbrennen
    • Gastritis
    • Reiz-Darm-Syndrom
    • Schädigung der Darmschleimhaut
    • Wenn Werkstoffe Gefäße belasten, kann es zu Herz-Kreislauf-Problemen und neurologisch-psychiatrischen Beschwerden wie Angstzustände und Depressionen führen
  • Extreme Erschöpfung (als Folge eines über Jahre hinweg extrem belasteten Immunsystems), Nervosität, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Seh- und Hörstörungen, Schwindel, Schlafstörungen, Herzrhythmusstörungen, Haarausfall, etc.

Zu einem anaphylaktischen Schock, der schwersten, potentiell tödlichen Folge einer Allergie, kann es durch zahnärztliche Materialen, zum Beispiel Anästhetika (Betäubungsmittel), kommen.

Es ist wichtig Symptome, die nach einer Zahnbehandlung auftreten, von Symptomen einer Allergie auf das Zahnmaterial zu unterscheiden. Dies kann jedoch nur durch einen erfahrenen Arzt oder Zahnarzt vorgenommen werden.

Folgende Symptome können allergisch bedingt nach einer Zahnbehandlung auftreten oder verstärkt werden:

  • Schwellungen im Bereich der Wange, der Lippen und am Mundbogen
  • Schluckbeschwerden
  • Lidödeme (Schwellungen der Augenlider)
  • Nahtdehiszenzen (Wiederaufklaffen bereits vernähter Wundränder)
  • kurzzeitige Kreislaufprobleme
  • Mundwinkelrhagaden (Veränderung der Mundwinkel, die durch Einrisse und oberflächliche Gewebedefekte charakterisiert sind und mit Krustenbildung einhergehen können)
  • Parästhesien (unangenehme, manchmal schmerzhafte Körperempfindung mit Kribbeln und temporären Taubheitsgefühl)
  • Aphten (blasenförmige Entzündung der Mundschleimhaut, deren weiß-graue Mitte von einem geröteten Hof umgeben wird)
  • Herpes (Virusinfektion an Lippen, Zunge, Wangen, Rachen, Mundschleimhaut und Zahnfleisch)

Wie lange der Patient allergiebedingte Symptome zeigt, kommt auch auf die Beschaffenheit des Zahnersatzes an: Bei Kunststofffüllungen werden Inhaltsstoffe circa 2 bis 3 Jahre lang freigesetzt, bis sie letztendlich ausgewaschen sind. Bei Metallen ist dies jedoch anders: Die Inhaltsstoffe von metallen werden bis ans Lebensende freigesetzt und können somit über Jahre hinweg unspezifische Symptome verursachen.

Allergene im Zahnmaterial: Nicht nur der Mund ist betroffen

Die auf Zahnmaterialien oder Prothesen gelösten Inhaltsstoffe bleiben nicht im Mund. Über den Speichel werden sie durch den gesamten Magen-Darm-Trakt transportiert und wirken dort an den Schleimhäuten. Die orale Schleimhaut ist dabei relativ tolerant, während die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes keine hohe Allergentoleranz aufweist. So kann es auch hier zu allergischen Reaktionen kommen. Grundsätzlich kann jeder Wirkstoff in allen Geweben zu Entzündungsreaktionen führen. Ist der Patient bereits sensibilisiert, setzt dies die Immunabwehr in Gang und es kommt zu einer Entzündungsreaktion bzw. zu allergischen Symptomen. Dieser chronische Prozess führt oft erst zeitverzögert zu Symptomen. Bevor es zu Beschwerden kommt, kann es jedoch Monate, manchmal auch Jahre dauern.

 

Allergie auf Zahnmaterial: Wie erfolgt die Diagnose?

Im ersten Schritt wird der Zahnarzt im Rahmen der Diagnostik untersuchen, ob eine Allergenkarenz zu einer Verbesserung der allergischen Symptome führt. Im Rahmen der Anamnese sollte erfragt werden, ob neue Zahnpflegemittel im Zusammenhang mit den Beschwerden stehen könnten.

Allergische Reaktionen auf Zahnpflegemittel können folgende Ursachen haben:

  • Zahncreme
  • Mundwasser
  • Mundspüllösungen

Ist dies der Fall, sollte das Auswechseln der Zahnpflegeprodukte die Symptome schon nach kurzer Zeit abklingen lassen.

Auch herausnehmbare Prothesen, Zahnspangen etc. können für eine gewisse Zeit nicht getragen werden. Gehen die Symptome dann zurück, sind sie wahrscheinlich die Ursache der Allergie-Symptome.

Sind Zahnmaterialien wie Füllungen, Kronen, Zahnzement verdächtig, die Allergiesymptome zu verursachen, kann der Patient auf potenziell allergene Substanzen getestet werden.

Dafür stehen eine Reihe von Tests auf Allergien auf Zahnmaterial zur Verfügung:

  • Epikutantest (Standardinstrument für zahnärztliche Materialien)
  • Lymphozytentransformationstest (LTT); Blutuntersuchung, insbesondere bei Kindern angewendet um diese dem zu testenden Allergen nicht auszusetzen
  • Provokationstest (nur bei Sofortreaktionen (Typ I), z.B. auf Anästhetika)

Allergie auf Zahnmaterial: Differentialdiagnosen

Von Differentialdiagnosen spricht man, wenn es um Abgrenzungen zu anderen Krankheiten geht, die ein ähnliches oder identisches Krankheitsbild haben. Diese müssen bei der Diagnostik mitberücksichtigt werden. Symptome ähnlich einer allergischen Reaktion im Mundbereich können auch bei anderen Krankheiten auftreten und folgende Ursachen haben:

  • Gingivitis oder Parodontitis, die durch Bakterien, falsche Mundhygiene oder Fehlernährung entstanden ist
  • Auto-Immunreaktionen
  • Mechanische Ursachen wie raue Füllungsoberflächen und Prothesenränder können zu Irritationen an der Mundschleimhaut führen
  • SICCA-Syndrom
  • Medikamentennebenwirkungen
  • Pilzinfektionen im Mundbereich (Mundsoor)


 

Zahnmaterial-Allergie: Wie sieht die Therapie aus?

Hat man das Zahnmaterial, das die allergischen Beschwerden ausgelöst hat, gefunden, kann man die betreffenden Kronen, Prothesen, Füllungen etc. durch neues verträgliches Zahnmaterial ersetzen. Dafür stehen viele Materialien in unterschiedlicher Zusammensetzung zur Verfügung. Dabei ist auch die Goldhämmerfüllung eine gute Alternative: Sie ist beständig, hält bis zu 30 Jahre, und birgt ein geringes Allergierisiko. Sie gehört heute allerdings nur noch bei sehr wenigen Zahnärztinnen und Zahnärzten zum Behandlungsspektrum.

Allergie auf Zahnmaterial: Wie schnell klingen die Symptome ab? 

Wie schnell die Symptome abklingen, lässt sich nicht pauschal beantworten. In vielen Fällen ist dies sehr schnell nach Austausch des Zahnmaterials der Fall. In anderen Fällen kann dies länger dauern.

Wichtig ist, dass vor dem Austausch des Zahnersatzes sichergestellt wird, dass das neue Material für den Patienten verträglich ist. Dies kann mit Hilfe einer kleinen Materialprobe getestet werden, welche der Patient probeweise für einige Zeit im Mund belässt.

Allergie auf Zahnbehandlung oder Zahnmaterial: Welche Maßnahmen sind vor dem Zahnarztbesuch zu treffen? Kann man einer allergischen Reaktion vorbeugen? 

Um dem Risiko einer allergischen Reaktion bei der Zahnbehandlung oder auf Zahnmaterial vorzubeugen, sollten Patienten auf bestimmte Punkte achten. Um dem behandelnden Zahnarzt einen Überblick über mögliche Reaktionen zu geben, sollte der Anamnesebogen der Praxis präzise ausgefüllt werden. Bestehende allergische Vorerkrankungen und Störungen des Immunsystems, auch bei Familienmitgliedern, sollten sie hier so detailliert wie möglich angegeben werden. 

 

Allergie auf Zahnbehandlung beim Kind: Welche Unterschiede gibt es?

Im Wesentlichen sind Erwachsene häufiger von einer Allergie auf Zahnmaterial betroffen. 

Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch Kinder betroffen sein können - im Gegenteil: Da viele Kinder heutzutage unter chronischen Krankheiten wie Neurodermitis, Heuschnupfen und Asthma bronchiale leiden, haben sie auch ein erhöhtes Risiko, eine Allergie auf bestimmte Zahnmaterial-Inhaltsstoffe zu entwickeln. 

Typische Zahnmaterialien sind hier nicht immer der Auslöser: Auch bei kieferorthopädischen Eingriffen können Metalle, Bänder, Latexgummis und Kunststoffe in den Klebern allergene Stoffe beinhalten und zu allergischen Reaktionen bei Kindern führen.

Symptome zeigen sich bei Kindern selten intraoral, sondern systemisch (den ganzen Organismus betreffend) und bergen in sich das Risiko, von Kinderärzten fehldiagnostiziert zu werden. Eine gute Anamnese ist hier der Schlüssel zur korrekten Diagnostik. 

Falls Kinder bereits über multiple Allergien verfügen sollte mittels eines Epikutantests geprüft werden, ob das Kind den jeweiligen Werkstoff voraussichtlich verträgt. Gleiches gilt für Erwachsene. Allerdings ist zu beachten, dass der Epikutantest nur bereits bestehende Sensibilisierungen anzeigt. Ob das eingesetzte Material zukünftig zu einer Sensibilisierung führt, lässt sich nicht vorhersagen. 

Quellen:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/j.1610-0387.2012.07933_suppl.x 


https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-018.html


https://www.wsi.med.uni-muenchen.de/forschung/toxikologie/dentaltoxicologie/index.html


https://dgaki.de/wp-content/uploads/2010/05/Leitlinie_InvitroAllergieDiagnostik2009.pdf


Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

07. März 2022

Autor: Privatdozent Dr. Oliver Schierz, www.mein-allergie-portal.com

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