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Fluoride – Wunderwaffe oder doch bedenklich?

Fluoride Zahngesundheit
Fluoride sind wichtig für gesunde Zähne, aber „viel hilft viel“ gilt hier nicht! Bildquelle: F.Reichl

Fluoride kann man gar nicht genug zu sich nehmen, wenn man seine Zähne gesund erhalten und Karies verhindern will. Diesen Eindruck könnte man in Anbetracht mancher Empfehlungen zur Zahngesundheit bekommen. Wie so oft stimmt aber auch bei den Fluoriden die Regel „viel hilft viel“ nicht. Warum das so ist, erklärt Univ.-Prof. Dr. Dr. Franz-Xaver Reichl, Leiter der Dental-Toxikologie und des internationalen Beratungszentrums für die Verträglichkeit von Zahnmaterialen (BZVZ) an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Gespräch mit MeinAllergiePortal.

 

Interviewpartner:

Univ.-Prof. Dr. Dr. Franz-Xaver Reichl ist Leiter der Dental-Toxikologie und des internationalen Beratungszentrums für die Verträglichkeit von Zahnmaterialen (BZVZ) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, https://www.dentaltox.com/

Autor: Sabine Jossé M.A.

Herr Prof. Reichl, Fluorid gilt als Zahnschutz, was genau ist Fluorid?

Zunächst ist es wichtig zwischen Fluor und Fluoriden zu unterscheiden. Fluor ist ein Gas - Fluoride sind Salze des Fluors. Der Name Fluor entspringt der althergebrachten Verwendung von Flussspat (Calziumfluorid) als Flussmittel (lateinisch „Fluor“ für fließend). Flussspat kann beim Erhitzen Licht emittieren, daher auch der Name der Fluoreszenz. Fluoride werden aus Erzen gewonnen, die vorwiegend in Frankreich, Russland, Mexiko und Südafrika abgebaut werden. In den 1930er Jahren hat der amerikanische Zahnarzt H. T. Dean erstmals einen Zusammenhang zwischen Fluoriden, die natürlicherweise im Trinkwasser vorkommen und dem verringerten Auftreten von Karies festgestellt.

Wo werden Fluoride eingesetzt?

Fluoride werden vielseitig eingesetzt. Fluoride werden verwendet zum Beispiel als Fluorwasserstoff-Säure für Ätzungen in der industriellen Glas-Industrie aber auch als Uranhexafluorid zur Herstellung von Brennstäben in Kernkraftwerken bis hin zur Herstellung von Atombomben.

In der Zahnmedizin setzt man Fluoride, wie gesagt, bereits seit den 30er Jahren zur Kariesprophylaxe ein. Fluoride sind damit für alle Menschen ein wichtiges Mittel, um Karies vorzubeugen. Dabei unterscheidet man zwischen dem organischen Fluorid, zum Beispiel Aminfluorid und dem anorganischen Fluorid, zum Beispiel Natriumfluorid. Beides wird in Zahnpasta eingesetzt und beugt Karies wirksam vor. In unseren Studien konnten wir sehen, dass Aminfluorid sogar etwas besser wirkt als Natriumfluorid.

Wie schützen Fluoride vor Karies?

Zahnschmelz besteht zu 97 Prozent aus Hydroxylapatit. Das ist ein Mineral aus der Gruppe der Calciumphosphate, das sich durch seinen sehr hohen Härtegrad auszeichnet. Wenn man die Zähne mit Fluorid-haltiger Zahncreme putzt, kommt es zur Einlagerung von Fluorid. Hydroxyl-Ionen im Hydroxylapatit werden dann durch Fluorid ausgetauscht und es entsteht das Fluorapatit. Man spricht dann von einer sogenannten Schmelzhärtung bzw. einer Remineralisation.

Im Gegensatz zu Hydroxylapatit ist Fluorapatit säurestabil und die Fluorid-Ionen können nur mehr bedingt mit anderen Ionen reagieren. Der Zahnschmelz wird also härter und schützt den Zahn, so dass die Bakterien den Zahn nicht mehr so leicht angreifen können.

Das heißt, das Fluorapatit sorgt dafür, dass der Zahnschmelz härter wird?

Man sieht das sehr gut an dem folgenden Experiment: Wenn man ein gekochtes Ei zur Hälfte mit fluoridhaltiger Zahncreme bestreicht und dann in ein Glas mit Essigsäure legt, entstehen am nicht behandelten Teil vom Ei sofort Gasblasen. Die Eierschale beginnt dann sich aufzulösen, während der mit Fluoridzahncreme behandelte Teil der Eierschale intakt bleibt. Genau das passiert auch beim Zähneputzen. Für Kindergartenkinder ist das immer ein sehr anschauliches und einprägsames Demonstrationsobjekt.

Wo kommt Fluorid natürlicherweise vor?

In Wasser kommt Fluorid in unterschiedlichen Konzentrationen vor. Manche Mineralwässer haben natürlicherweise hohe Fluoridgehalte, wie z.B. San Pellegrino mit 0,7 mg/L und das Aachener Kaiserbrunnen Wasser sogar bis zu 4,5 mg/L. Der Grenzwert von Wasser zur Zubereitung von Säuglingsnahrung beträgt aber 0,7 mg/L. In manchen Nahrungsmitteln kommt Fluorid in größeren Mengen vor (in mg/kg): Fisch und Krustentieren etwa 0,5, schwarzer Tee 1, oder Trockenkräuter/Gewürze bis zu 2.

Worauf muss man achten, wenn man seine Zähne ausreichend mit Fluorid versorgen will?

Die beste Methode für eine ausreichende Fluoridversorgung der Zähne besteht darin, die Zähne mit fluoridhaltiger Zahnpasta zu putzen. Dabei kann es nicht zu einer Überdosierung von Fluorid kommen. Empfehlenswert ist auch die Verwendung von fluoridhaltigem Speisesalz, denn auch da besteht kein Risiko für eine Fluorid-Überdosierung - denn würde man seine Nahrung mit solchem Salz übersalzen und damit auch zu viel Fluorid verwenden, wäre die Nahrung schlicht nicht mehr genießbar. So nimmt man immer die optimale Fluoridmenge über die Nahrung auf.

Ebenso ist vom Zusatz von Fluorid im Trinkwasser abzuraten. Man hat das in einigen Orten getestet, aber das führte sehr schnell zu einer Überdosierung an Fluorid und das schadet der Gesundheit. Aus dem gleichen Grund sollte man Fluorid nicht in Form von Tabletten zu sich nehmen, es sei denn in Absprache mit dem Zahnarzt, wenn ein familiär bedingtes, extrem hohes Kariesrisiko besteht.

Was passiert, wenn man zu viel Fluorid zu sich nimmt, wann wird Fluorid unverträglich?

Durch zu viel Fluorid kann es zu zwei Nebenwirkungen kommen:

  1. Dentalfluorose oder Schmelzfluorose
  2. Skelettfluorose oder Knochenfluorose 

Was ist eine Dentalfluorose?

Die Dentalfluorose zeigt sich durch weißlich/gelbe Punkte auf den Zähnen. Sie tritt vermehrt bei Menschen auf, die hohe Mengen an Fluoriden aufnehmen, wie Menschen, die in vulkanischen Gebieten wohnen, in denen das Trinkwasser natürlicherweise sehr hohe Fluoridwerte aufweist. Bei einer langandauernden Fluorid-Aufnahme von mehr als 1,5 mg Fluorid pro Tag kann es dann zur Entstehung einer Dentalfluorose kommen. Diese kann aber auch bei Überdosierung von Fluorid in Form von Fluorid-Tabletten bei Kleinkindern etc. auftreten. Studien zeigen, dass heute bereits 15 Prozent der 12jährigen Kinder eine Dentalfluorose unterschiedlichen Schweregrades haben, weil zu viel Fluorid zugeführt wurde. Davon waren 13,5 Prozent nur leicht betroffen, 1,1 Prozent zeigten eine mittlere und 0,5 Prozent eine schwere Ausprägung. Dann färben sich die Zähne gelb bis sogar schwärzlich. Wichtig zu wissen: Eine Schmelzfluorose ist nicht mit den sogenannten Kreidezähnen (Molare Inzisiven Hypomineralisation, MIH) zu verwechseln, dies stellt ein völlig anderes Problem dar. Bei MIH zeigt sich in der Zahnentwicklung beim Kleinkind eine Mineralisationsstörung in den Zähnen, von der heute bereits fast jedes fünfte Kind in Deutschland betroffen ist. Die Ursachen dafür sollen unter anderem Umweltschadstoffe sein.

Leichtere Dentalfluorose

Leichtere Form einer Dentalfluorose

Bildquelle: F.-X. Reichl
Schwerere Dentalfluorose

Schwerere Form einer Dentalfluorose

Bildquelle: F.-X. Reichl

Was ist eine Skelettfluorose?

Zu einer Skelettfluorose kann es kommen, wenn zum Beispiel permanent über 12 mg Fluorid pro Tag aufgenommen werden. Dann werden die Knochen elastisch, was zu Deformationen, wie den sogenannten U-Beinen, führen kann. Diese Folge der Fluorid-Überdosierung kommt in Europa allerdings kaum vor. Betroffen sind vielmehr Menschen, die, wie oben beschrieben, in vulkanischen Gebieten leben, in denen das Trinkwasser natürlicherweise extrem hohe Fluoridmengen enthält.

Skelettfluorose Deformation der Knochen U Beine

Skelettfluorose mit Deformation der Knochen in Form von U Beinen

Bildquelle: F.-X. Reichl
Skelettfluorose Deformation Knochen Knochenbrüche

Skelettfluorose mit Deformation der Knochen und Knochenbrüchen

Bildquelle: F.-X. Reichl
Skelettfluorose Schulmädchen Palamu Indien U-Beine

Skelettfluorose bei einem Schulmädchen in Palamu, Indien, mit ausgeprägten U-Beinen

Bildquelle: F.-X. Reichl

Gibt es auch eine Fluorid-Allergie?

In der wissenschaftlichen Literatur wurden bislang nur 5 bis 6 Fälle beschrieben, die auf eine Fluorid Allergie hinweisen könnten. Das sind also äußerst seltene Fälle. Fluorid interagiert auch nicht so leicht mit Proteinen im Körper, die eine typische allergische Reaktion auslösen könnten.

Gibt es eine Therapie gegen Dentalfluorose?

Eine Dentalfluorose stellt keine Erkrankung dar, sondern ist ‚nur‘ ein ästhetisches Problem. Eine bereits entstandene, also schon sichtbare Dentalfluorose, kann nicht zum Beispiel mit Medikamenten oder anderen Behandlungsmaßnahmen, wie Bleaching etc. befriedigend behandelt werden. Mittlere bis schwere Dentalfluorosen könnten mit keramischen Haftschalen, sogenannten  Veneers, abgedeckt werden.

Als Prophylaxe sollte aber als erstes immer die Fluoridzufuhr bei gefährdeten Menschen reduziert werden um diese Zahnverfärbungen erst gar nicht entstehen zu lassen.

Kann man eine Skelettfluorose behandeln?

Eine Skelettfluorose entsteht bei einer exorbitanten permanenten Fluoridaufnahme. Eine bereits bestehende Skelettfluorose könnte mit chirurgischen Korrekturen wieder zur Beweglichkeit der betroffenen Knochen geführt werden. Bei besonders stark betroffenen Hüft- oder Kniegelenken könnten Gelenksersatzoperationen durchgeführt werden. Natürlich sollte auch hier immer die Fluorid-Zufuhr drastisch eingeschränkt werden. Dies kann in den betroffenen Gebieten über Trinkwasser-Aufbereitungsmaßnahmen, wie zum Beispiel Einsatz einer Umkehrosmose oder Aktivkohlefilter, erfolgen.

Herr Prof. Reichl, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

31. Januar 2025

Autor: S. Jossé/ F. Reichl, www.mein-allergie-portal.com

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