
Dr. Stefan Clotten, Unicare Bad Vilbel, zu Goldhämmerfüllungen als allergenarme Alternative für Allergiker!
Goldhämmerfüllung: Eine allergenarme Alternative für Allergiker?
Es gibt zahlreiche Materialien, die der Zahnarzt für Zahnfüllungen einsetzen kann. Im Vordergrund steht dabei oft die Ästhetik. Angesichts der zunehmenden Anzahl von Allergikern oder Patienten, die auf bestimmte Inhaltsstoffe in Füllungsmaterialien unverträglich reagieren, erweitert sich der Fokus. Traditionelle Techniken, die fast schon in Vergessenheit geraten sind, werden wieder interessant und könnten für Patienten mit Allergien und Unverträglichkeiten eine Option bei Zahnbehandlungen darstellen. MeinAllergiePortal sprach mit Dr. Stefan Clotten in Bad Vilbel über Goldhämmerfüllungen als allergenarme Alternative für Allergiker.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Dr. Stefan Clotten
Herr Dr. Clotten, was versteht man in der Zahnmedizin unter einer Goldhämmerfüllung und bei welchen Füllungen kann man sie einsetzen?
Bei der Goldhämmerfüllung handelt es sich um die edelste und haltbarste Füllung in der Zahnmedizin. Man geht von einer Haltbarkeit von mehr als 30 Jahren aus. Die Goldhämmerfüllung ist in der heutigen Zeit nur noch wenig gebräuchlich. Es handelt sich um eine sehr aufwendige Füllungstechnik, die nur noch wenige Zahnärzte beherrschen.
Nach dem Vorbereiten des Zahnes mit speziellen Instrumenten wird der Defekt mit 24-karätigem Gold gefüllt. Dieses wird in Form von hauchdünnen Folien oder als Goldschwämmchen mit Handinstrumenten oder auch maschinell in dem Zahn verdichtet bzw. gehämmert. Daher kommt die Bezeichnung Goldhämmerfüllung.
Das Besondere bei der Goldhämmerfüllung: Die Ränder dieser besonderen Füllungen bleiben bei Belastungen und Verformung des Zahnes absolut dicht. Die Füllung nimmt an der Verformung des Zahnes teil. Sie bleibt absolut dicht. Diese Eigenschaft hat nur die Goldhämmerfüllung. Daher ist sie so lange haltbar. Sie gilt als das non plus Ultra der Füllungstherapie.
Wan kann man Goldhämmerfüllungen einsetzen?
Goldhämmerfüllungen kommen als kleine, nicht kaudruckbelastete Füllungen, zum Beispiel auf der Kaufläche und am Zahnhals, zum Einsatz.
Weitere Anwendungsgebiete sind:
• An unteren Backenzähnen bei Einziehungen im Wangenbereich
• An Oberkieferfrontzähnen bei Einziehungen auf der Gaumenseite
• Bei Einziehungen bei vorhandenen zusätzlichen Höckern
• Kleine Defekte auf der Kaufläche von kleinen und großen Backenzähnen
• Zahnflächen im Zahnzwischenraum sofern diese frei zugänglich sind, z.B. im Wechselgebiss - bei Jugendlichen- solange der Nachbarzahn noch fehlt
• Bei Defekten an durchbrechenden Zähnen
• Bei Kronenrandreparaturen
• Verschluss kleiner Öffnungen nach Wurzelkanalbehandlungen
• Defekte in der Wurzeloberfläche
• Sehr kleine 2-flächige Defekte von der Kaufläche in den Zahnzwischenraum reichend
Was ist im Zusammenhang mit Goldhämmerfüllungen zu beachten?
Eine wichtige Voraussetzung für eine Goldhämmerfüllung ist ein absolut trockenes Arbeitsgebiet. Diese Trockenlegung erzielt man mit einem speziellen Abschirmtuch dem sogenannten Kofferdam.
Das klassische Einsatzgebiet für die Goldhämmerfüllung ist der Zahnhalsdefekt. Kein neueres Zahnfüllungsmaterial konnte bisher die Eigenschaften der Goldhämmerfüllung hinsichtlich Randschluss, Gewebefreundlichkeit und Haltbarkeit auch nur annähernd erreichen.
Warum sind Zahnhalsdefekte schwierig zu behandeln?
Zahnhalsdefekte stellen an uns Zahnärzte besondere Herausforderungen. Am Zahnhals finden wir drei anatomisch unterschiedliche Strukturen auf engstem Raum. Es handelt sich um den Zahnschmelz, das Zahnbein (Dentin) und das Wurzelement. Die Wissenschaftler sind noch immer auf der Suche nach einem Füllungsmaterial welches an allen drei Strukturen gleich gut hält.
Zusätzlich zu dieser Besonderheit treten am Zahnhals bei Belastung des Zahnes Druck- und Zugbelastungen auf. Diese können dazu führen, dass ein steifes Füllungsmaterial aus dem präparierten Zahnanteil förmlich herausgeschoben wird oder es zu Randundichtigkeiten kommen kann. Ideal wäre also ein elastischeres Material.
Betrachtet man den sogenannten linearen thermischen Ausdehnungskoeffizient des Zahnes mit 1.0 und vergleicht diesen mit Gold 1,2, Amalgam 2,2 und zahnfarbenen Füllungsmaterialien 3,0 wird verständlich, dass das Stopfgold die höchste Ähnlichkeit mit dem Zahn hat.
Welche Materialien verwendet man normalerweise für Zahnfüllungen und welche Vor- und Nachteile haben diese?
Zahnfarbene Füllungsmaterialen (Komposite) entsprechen heute der Standardversorgung für Zahnhalsdefekte. Die Kombination mit sogenannten Adhäsivsystemen, d.h. Klebern, ermöglicht eine vergleichbar gute Verankerung der Materialien an den Zahnsubstanzen. Im Bereich der Wurzel versagt jedoch häufig dieser Haftverbund. Die vorher erwähnten unterschiedlichen elastischen Eigenschaften des Füllungsmaterials im Vergleich zum Zahn können zu kleinen Spalten, zu Karies oder gar zum Verlust der Füllung führen.
Bei Knirschern und Pressern oder bei Zahnfehlstellungen können diese Belastungen noch verstärkt werden. Die daraus resultierenden Aussprengungen von Schmelzanteilen fördern die Entstehung und Zunahme keilförmiger Defekte am Zahnhals. Zahnhalsfüllungen unterliegen dadurch einer sehr starken Beanspruchung, was ihre Langlebigkeit mindern kann.
Kunststoffe und Kleber-Systeme stehen mitunter in der Kritik, biologisch problematisch zu sein. Kunststofffüllungen unterliegen im gewissen Maße einem Abrieb. Dieser wird mit dem Speichel geschluckt. Die Auswirkungen im Körper sind noch unklar. Es wird auch diskutiert, dass der adhäsive Verbund im Nervensystem Unverträglichkeiten hervorruft.
Ein klarer Vorteil der Kompositfüllungen liegt darin, dass es sich um einen zahnfarbenen Füllungswerkstoff handelt, der bei korrekter Verarbeitung Haltbarkeit von mehreren Jahren aufweist. Dadurch ist die Akzeptanz bei den Patienten recht hoch.
Als weitere Materialien kommen noch sehr selten Amalgam, Zement, und Inlays zum Einsatz.
Zurück zu den Goldhämmerfüllungen: Wie genau verbindet sich das Gold mit der Zahnsubstanz?
Das ist recht einfach zu erklären. Durch seine besonderen Materialeigenschaften wird das Gold im Zahn durch das Hämmern regelrecht eingeklemmt und verkeilt. Sie können sich die Goldhämmerfüllung wie einen zu großen Schwamm in einer kleinen Box vorstellen. Egal wie Sie die Box verbiegen, der Schwamm bleibt in der Box und folgt der Bewegung. So ist es möglich, dass die Goldhämmerfüllung die natürliche Elastizität des Zahnes bei Belastung mitmachen kann ohne herauszufallen. Diese Eigenschaft wird zurzeit nur durch die Goldhämmerfüllung gewährleistet.
Welche Nachteile haben Goldhämmerfüllungen?
Goldhämmerfüllungen gehören nicht zum Standardrepertoire eines Zahnarztes. Man braucht eine spezielle Ausbildung,eine gewisse Übung und Fingerfertigkeit, um diese Technik sicher zu beherrschen. Im Grunde ähnelt die Arbeit des Zahnarztes bei Goldhämmerfüllungen eher der eines Goldschmiedes, d.h. die Be- und Verarbeitung des Goldes verlangt nach einer gewissen Erfahrung.
Ein Nachteil der Goldhämmerfüllungen ist sicher auch, dass sie optisch auffälliger als zahnfarbene Füllungen sind. Nicht jeder Patient akzeptiert Füllungen aus Gold.
Hinzu kommt, dass bei relativ reinem Gold die Oberflächenhärte niedrig ist. Man kann deshalb Goldhämmerfüllungen nur für kleine Füllungen einsetzen, die keiner Kaubelastung ausgesetzt sind. Die Einsatzgebiete hatte ich vorher bereits ausführlich beschrieben.
Da Gold eine hohe thermische Leitfähigkeit besitzt, können sehr heiße oder sehr kalte Speisen unangenehm sein. Deshalb kann man bei Goldhämmerfüllungen eine Isolierung zwischen dem Goldmaterial und der Zahnsubstanz einbringen, z.B. durch eine Unterfüllung bzw. Lack. Bei allergischen oder empfindlichen Patienten gilt es die Verträglichkeit abzuklären. Sollte eine Unterfüllung notwendig sein, ist es wichtig, auf die exakte Präparation zu achten, um den Verkeilungseffekt zu gewährleisten.
Insgesamt ist mit Goldhämmerfüllungen ein hoher Aufwand verbunden. Man benötigt spezielle Instrumente, die schwer zu bekommen sind, weil die Technik nur sehr selten und von wenigen Spezialisten eingesetzt wird. Darüber hinaus sind Goldhämmerfüllungen mit hohem Verschleiß an Präparations- und Kondensierinstrumenten verbunden und der Zeitaufwand ist sehr hoch .
Weitere Nachteile der Goldhämmerfüllung können sich bei unsachgemäßem Vorgehen ergeben:
• Randundichtigkeiten bei unsachgemäßer Verarbeitung
• Schädigung des Nervs bei unsachgemäßer Politur
• Füllungsverlust bei Überschreiten der Defektgröße
• Füllungsverlust bei unzureichender Trockenlegung durch undichten Kofferdam
• Füllungsverlust durch eine nicht ausreichende Freilegung des Arbeitsgebietes
Welche Vorteile bietet eine Goldhämmerfüllung Allergikern und Patienten mit Unverträglichkeiten im Vergleich zu andern Zahnfüllungen?
Der größte Vorteil von Goldhämmerfüllungen besteht in deren sehr guter Bioverträglichkeit im Mundmilieu. Außerdem sind Goldhämmerfüllungen extrem langlebig, quasi unbegrenzt. Ich habe Patienten in der Praxis, die Goldhämmerfüllungen vor über 50 Jahre erhalten haben und die immer noch tadellos sind.
Goldhämmerfüllungen haben eine besonders gute Gewebeverträglichkeit, was sich besonders bei Zahnhalsfüllungen zeigt. Das Zahnfleisch kann auch über den Rand der Goldhämmerfüllung hinaus wachsen und anhaften. Das ist bei Füllungen aus anderen Materialien selten der Fall.
Haben Goldhämmerfüllungen weitere Vorteile?
Goldhämmerfüllungen haben, abgesehen davon, dass sie nicht allergen sind, eine ganze Reihe weitere Vorteile. Es ist zum Beispiel möglich, sie plastisch zu verformen, ohne dass sie brechen.
Des Weiteren erreicht man mit Goldhämmerfüllungen eine sehr gute Randdichte, d.h. der Übergang zwischen Füllung und Zahn ist quasi lückenlos und schließt somit extrem dicht und glatt ab. Das wird unter anderem dadurch erreicht, dass das Gold direkt auf bzw. in den präparierten Zahn verdichtet und gehämmert wird. Man erreicht dadurch eine dauerhafte optimale Anlagerung an den Zahn. Es gibt es keine Zementfuge.
Außerdem sorgt die gute Oberflächenpolierbarkeit des Goldes zusätzlich für einen fugenlosen Abschluss. Bei Goldhämmerfüllungen kommt es deshalb nicht zu materialbedingten Zahnverfärbungen. Dies kann zum Beispiel bei Kompositfüllung der Fall sein, wenn am Rand der Haftverbund versagt.
Ich möchte nochmals auf die zahnähnliche Ausdehnung des Stopfgoldes bei Temperaturänderungen hinweisen. Diese besondere, positive Eigenschaft ermöglicht es der Goldhämmerfüllung, sich an das im Mund vorherrschende Wechselspiel von heißer und kalter Nahrung anzupassen. Es kommt bei Goldhämmerfüllungen nur zu sehr geringen Materialschrumpfungen und –ausdehnungen, so dass es quasi nie zu einer Lockerung der Füllung kommen kann.
Bei korrekter Verarbeitung und guter Mundhygiene hält die Goldhämmerfüllung ein Leben lang.
Wie wird eine Goldhämmerfüllung berechnet?
Im Vergleich zu Füllungen aus anderen Materialien sind Goldhämmerfüllungen, auch aufgrund des hohen Goldpreises und des hohen Aufwandes, recht kostenintensiv. Für Kassenpatienten ist es wichtig zu wissen, dass es sich bei der Goldhämmerfüllung um eine außervertragliche Leistung handelt. Sie wird nach der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) berechnet. Für Privatpatienten erfolgt die Berechnung seit 2012 individuell nach § 6 GOZ entsprechend mit einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Gebührenposition.
Herr Dr. Clotten, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
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