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Unspezifische Kuhmilchallergie-Symptome beim Kind

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Es gibt auch unspezifische Symptome bei der Kuhmilchallergie beim Kind! Bildquelle: E. Hamelmann

Bauchbeschwerden nach dem Fläschchen – das sind die Beschwerden, bei denen Eltern an eine Kuhmilchallergie denken. Manchmal ist das tatsächlich so. Aber in manchen Fällen liegt auch eine Kuhmilchallergie vor, obwohl die Kleinen ganz andere Beschwerden haben. Was viele nicht wissen: Bei einer Kuhmilchallergie können die Kinder auch unspezifische Symptome entwickeln, die man nicht sofort mit einer Kuhmilchallergie in Verbindung bringt. Bleibt die Erkrankung unerkannt, kann dies schwerwiegende Folgen haben. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Eckard Hamelmann, Chefarzt im Kinderzentrum Bethel des Evangelischen Klinikums Bethel in Bielefeld und 1. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI). Er erklärte, wie die unspezifischen Symptome einer Kuhmilchallergie beim Kind aussehen, mit welchen Erkrankungen die Kuhmilchallergie verwechselt werden kann und wie man bei Diagnose und Therapie vorgeht.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Eckard Hamelmann

Herr Prof. Hamelmann, wie zeigen sich die typischen Symptome einer Kuhmilchallergie?

Oft treten bei den Kindern Symptome an der Haut auf, zum Beispiel Quaddeln, die man auch als Urtikaria bezeichnet. Es kann auch zu Schwellungen kommen, zum Beispiel im Gesicht, die auch als Angioödeme bezeichnet werden. Typische Magen-Darm-Beschwerden bei der Kuhmilchallergie sind auch Bauchschmerzen, Durchfälle, Übelkeit und Erbrechen.

An den Atemwegen kann es durch eine Nahrungsmittelallergie ebenfalls zu Symptomen kommen. Dazu gehören allergische Reaktionen wie pfeifende Atmung oder Husten, bis hin zu einer Beeinträchtigung des Herz-Kreislauf-Systems - das wäre dann eine hochgradige Anaphylaxie. Eine Anaphylaxie ist die heftigste allergische Reaktion und sie tritt in der Regel direkt nach dem Verzehr des Allergens auf.

Typisch für die Symptome einer Nahrungsmittelallergie - und damit auch einer Allergie auf Kuhmilch – ist, dass sie innerhalb kürzester Zeit, ca. 10 bis maximal 30 Minuten nach dem Allergenkontakt, auftreten. Die Eltern vermuten dann sehr schnell, dass es an der Kuhmilch oder Säuglingsmilch liegen könnte.

Nicht selten findet man bei der Kuhmilchallergie aber auch unspezifische Symptome.

Und wie sehen die unspezifischen Symptome der Kuhmilchallergie aus?

Unspezifische Symptome einer Allergie auf Kuhmilch treten, anders als die typischen Symptome, nicht unmittelbar nach dem Kuhmilchverzehr auf, sondern erst verzögert. Oft sind sie so unspezifisch, dass der Kinderarzt nicht unbedingt sofort an eine Kuhmilchallergie denkt. Häufig wirken die Kinder generell „unglücklich“, sind gereizt und weinen viel.

Zu den unspezifischen Symptomen einer Kuhmilchallergie gehören:

  • Vermehrtes Spucken
  • Durchfälle
  • Erbrechen
  • Blut im Stuhl
  • Appetitlosigkeit
  • Gedeihstörung
  • Häufiges Schreien
  • Refluxerkrankungen
  • Gereiztheit
  • Verstopfung

Und: Auch eine Neurodermitis kann ein unspezifisches Symptom einer Kuhmilchallergie beim Kind sein, muss aber nicht!

Wann ist die Neurodermitis ein unspezifisches Symptom einer Kuhmilchallergie beim Kind?

Eine Neurodermitis ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die auf einer Schrankenstörung (Barrierestörung) der Haut beruht, die wiederum fast immer genetisch angelegt ist. Durch diese Barrierestörung kommt es bei Neurodermitikern zu einer leichteren Sensibilisierung mit Allergenen und zu der bekannten Austrocknung der Haut. Je schwerer die Neurodermitis, desto wahrscheinlicher ist eine Nahrungsmittelallergie. Man hat festgestellt, dass von allen Kindern mit Neurodermitis ein Drittel eine „echte“ Nahrungsmittelallergie hat. Es sind diese Kinder, die auf Nahrungsmittel wie die Kuhmilch mit einer deutlichen Ekzemverschlechterung reagieren können.

Ein weiteres Drittel hat zwar IgE-Antikörper, also eine Sensibilisierung gegen verschiedene Proteine (z.B. Kuhmilcheiweiß), weist aber eben keine Beschwerden nach Genuss dieser Nahrungsmittel auf. Ein weiteres Drittel der Kinder hat aber eben weder IgE-Antikörper (also eine Sensibilisierung) noch eine Nahrungsmittelallergie. Es ist wichtig für die Eltern zu wissen: Eine Neurodermitis entsteht oft nicht als Folge einer Nahrungsmittelallergie!

Wird denn eine Kuhmilchallergie mit unspezifischen Symptomen immer schnell genug erkannt?

Nicht immer, insbesondere dann nicht, wenn die Symptome mit einer zeitlichen Verzögerung zum Milchverzehr auftreten. Diese Symptome sind sehr unspezifisch und können auch bei anderen Erkrankungen vorkommen.

Welche anderen Erkrankungen haben ähnliche Symptome wie eine Kuhmilchallergie?

Bei vielen Erkrankungen kann es zu ähnlichen Symptomen kommen, wie bei der Kuhmilchallergie. Akute Magen-Darm-Infektionen, eine sehr häufige Erkrankung beim Säugling und Kleinkind, gehen, wie die Kuhmilchallergie mit Durchfall und Erbrechen einher. Haben Kinder häufig Durchfälle und gedeihen schlecht, kann eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa die Ursache sein. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Blähungen können auch bei einer Zöliakie auftreten, also einer Unverträglichkeit gegenüber dem Gluten in Getreide. Kommt es bei Kindern nach dem Milchgenuss zu Blähungen, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall könnte eine Kohlenhydratmalabsorption die Ursache sein, das heißt, eine Laktoseintoleranz. Allerdings kommt eine Laktoseintoleranz eher bei älteren Kindern vor, während Säuglinge eher eine Kuhmilchallergie haben.

Kommt es zu schweren schockartigen Zuständen, die eine Notaufnahme in die Klinik nötig machen, könnte eine Darmentzündung (Enterokolitis) oder ein nahrungsmittelinduziertes Enterokolitis Syndrom („Food Protein-Induced Enterocolitis Syndrome“ oder kurz „FPIES“) die Ursache sein, dies ist glücklicherweise sehr selten! Bei größeren Kindern, die oft mäkelig sind und über häufige Bauchschmerzen und Übelkeit klagen, sollte man auch funktionelle Störungen in Betracht ziehen. Bei dieser Art von Erkrankungen zeigen sich psychische Probleme in Form von körperlichen Beschwerden wie Husten, Kopfschmerzen, Räuspern, oder eben auch durch Bauchbeschwerden.

Wann sollten Eltern den Arzt auf eine Kuhmilchallergie ansprechen?

Die Eltern sollten den Kinderarzt auf eine Kuhmilchallergie ansprechen, wenn sie die besprochenen typischen oder unspezifischen Symptome bei ihrem Kind über einen längeren Zeitraum feststellen und die bisherige Therapie nicht anschlägt. Vor allem natürlich dann, wenn Kinder nach Milchgenuss typische Symptome aufweisen, ein Ekzem aufweisen oder schlecht gedeihen.

Was kann man tun, wenn die Kuhmilchallergie diagnostiziert wurde?

Aktuell besteht die Therapie einer Kuhmilchallergie, darin, die Kuhmilch selbst, sowie sämtliche Nahrungsmittel, die Kuhmilch enthalten, aus dem Speiseplan des Kindes zu streichen. Hierbei ist wichtig zu wissen: Auch gestillte Kinder können eine Kuhmilchallergie entwickeln, denn Milchproteine aus der mütterlichen Ernährung können in die Muttermilch gelangen und so zu Allergien führen.

Ersetzt wird die Kuhmilch bei nicht gestillten Kindern meistens durch Spezialnahrungen auf Basis non-allergener Aminosäuren, den kleinsten Bestandteilen von Eiweiß, welche keine Allergien mehr auslösen können. Bei extensiv oder teilhydrolysierten Nahrungen ist das Milcheiweiß lediglich aufgespalten, und kann daher noch immer zu allergischen Reaktionen führen. Spezialnahrungen auf Basis non-allergener Aminosäuren enthalten im Gegensatz zu hydrolysierten Nahrungen keinerlei Milchbestandteile und sind daher besonders sicher. Teilhydrolysierte Nahrungen eignen sich nicht für den Einsatz bei Kuhmilchallergie.

Von Vorteil ist eine Spezialnahrung auf Basis non-allergener Aminosäuren, die auch Präbiotika und Probiotika enthält, denn dies unterstützt die Wiederherstellung einer guten Darmflora. Sind sowohl Präbiotika als auch Probiotika in einem Aminosäurepräparat enthalten, spricht man von Synbiotika.

Was versteht man unter Präbiotika, Probiotika und Synbiotika und wozu dienen sie bei den Spezialnahrungen auf Basis non-allergener Aminosäuren?

Bei einer Allergie findet man oft auch eine Dysbiose – eine „bakterielle Fehlbesiedlung“ des Darmes. Das bedeutet, die Darmflora ist gestört und enthält weniger „gute“ probiotische Keime, wie zum Beispiel Bifidobakterien oder Laktobazillen. Dafür findet man bei Allergikern deutlich mehr „schlechte“ Keime wie Escherichia coli, Enterobacter oder Clostridien.

Zur Wiederherstellung einer guten Darmflora bei Kindern mit Kuhmilchallergie versucht man, die Darmflora der Kinder wieder in eine „Balance“ zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, kann man den Spezialnahrungen auf Basis non-allergener Aminosäuren Probiotika, also „gute“ Bakterien zusetzen. Dabei handelt es sich um lebende Bakterien wie die erwähnten Bifidobakterien oder Laktobazillen, die sich möglichst dauerhaft im Darm ansiedeln sollten. Bei Präbiotika handelt es sich um Stoffe, wie Oligosacharide, die den „guten“ Keimen als bevorzugte Nahrung dienen. Gibt man Probiotika und Präbiotika, also gute Keime und deren „Futter“ zusammen, nennt man das Synbiotika.

Warum ist bei einer Kuhmilchallergie die Wiederherstellung einer guten Darmflora so wichtig?

Eine allergische Erkrankung ist oft auch eine Barrierestörung. Bei der Neurodermitis ist die Barriere der Haut gestört und wird somit durchlässiger für Allergene. Bei einer Nahrungsmittelallergie wie der Kuhmilchallergie zeigt die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes eine gewisse „Löchrigkeit“. Das bedeutet, zur Fehlbesiedlung des Darmes mit den „schlechten“ Keimen, kommt eine gereizte Darmschleimhaut noch hinzu. Dadurch steigt das Risiko für weitere Sensibilisierungen auf andere Allergene und somit auch das Risiko für das Kind, weitere Allergien zu entwickeln. Aminosäurepräparate mit Synbiotika wirken dem entgegen, weil sie die Darmbarriere stärken. Darüber hinaus unterstützt eine ausgeglichene Darmflora die Entwicklung des Immunsystems und kann damit langfristige positive Folgen für das Allergiegeschehen haben. Eine starke Darmbarriere ist möglichen „Eindringlingen“, zu denen auch Allergene gehören, deutlich besser gewachsen.

Herr Prof. Hamelmann, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

10. September 2019

Autor: S. Jossé/E. Hamelmann, www.mein-allergie-portal.com

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