Eichenprozessionsspinner Allergie: Gibt es das?

Gibt es eine Eichenprozessionsspinner-Allergie? Diese Frage kommt jedes Jahr im Sommer auf, wenn die Eichenprozessionsspinner ihren Marsch beginnen. Die Begegnung mit den kleinen, haarigen Raupen ist für Manchen unangenehm, denn es kann zu allergieähnlichen Symptomen kommen. Besteht aber wirklich eine Allergiegefahr durch Eichenprozessionsspinner oder gibt es andere Ursachen? MeinAllergiePortal sprach mit Dr. Maud-Bettina Hilka, HNO-Gemeinschaftspraxis Wiesbaden.

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Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Dr. Maud-Bettina Hilka

Frau Dr. Hilka, gibt es eine Allergie auf Eichenprozessionsspinner?

Zumindest kann man sagen: Eichenprozessionsspinner können ein Beschwerdebild an den Atemwegen und der Haut hervorrufen, das Allergiesymptomen sehr ähnlich ist.

Zu welchen Allergie-ähnlichen Symptomen an den Atemwegen kann es durch Eichenprozessionsspinner an den Atemwegen kommen?

Die Symptome bei Kontakt mit Eichenprozessionsspinnern können denen eines Heuschnupfens ähneln. Es kommt dann zu einer laufenden Nase, Niesanfällen und tränenden, brennenden Augen oder Husten. Ausgelöst werden die Symptome, die einer Allergie der Atemwege ähneln durch die Haare der Eichenprozessionsspinner. Diese feinen Härchen der Eichenprozessionsspinner können fast unsichtbar in der Luft umherfliegen. Kommen sie mit der Schleimhaut an Nase und Augen in Berührung und gelangen sie in die Atemwege, kann es dort durch eine Histaminfreisetzung zu allergieähnlichen Symptomen kommen, auch zu Juckreiz.

Welche Symptome treten an den Augen auf? Sind Augenentzündungen typisch? 

Bei Kontakt der Brennhärchen des Eichenprozessionsspinners mit dem Auge kann es zur Bindehautentzündung mit Rötung, Lichtempfindlichkeit und Ödem an den Augenlidern kommen. Durchbohren die Härchen die Hornhaut, kann eine Hornhautentzündung entstehen.

Zu welchen Allergie-ähnlichen Symptomen an der Haut kann es durch Eichenprozessionsspinner kommen?

Zu Symptomen an der Haut kann es durch Berühren der Eichenprozessionsspinner kommen, man spricht dann auch von Raupendermatitis. Dann können die Härchen der Eichenprozessionsspinner zu Hautausschlägen in Form von Nesselsucht oder Pusteln führen, bzw. zu Rötungen und Schwellungen. Die von den Eichenprozessionsspinnern verursachten Hautausschläge treten da auf, wo man mit ihnen in Berührung gekommen ist. Das kann im Gesicht sein, an den Händen oder am Körper.

Eine Allergie auf Eichenprozessionsspinner kann zu allergischen Hautausschlägen führen! Bildquelle: Canva, dennisvdw, Ivan-balvan

Können Eichenprozessionsspinner auch zu Ekzemen führen, oder wie Insektenstiche aussehen?

Es treten Hautausschläge auf und natürlich können vereinzelte Reaktionen wie ein Insektenstich aussehen.

Wie schnell treten die Symptome nach Kontakt mit den Eichenprozessionsspinner auf?

Die Symptome treten innerhalb von 24 Stunden nach Kontakt mit dem Eichenprozessionsspinner auf und können unbehandelt einige Tage anhalten, in Ausnahmefällen auch bis Wochen nach dem Ereignis.

Wer hat ein Risiko, mit Eichenprozessionsspinnern in Kontakt zu kommen?

Zu den Risikogruppen gehören Spaziergänger im Wald, spielende Kinder, aber auch Waldarbeiter und Arbeitskräfte in der Landschaftspflege. Gerade hatte ich eine Patientin, deren Symptome wohl auf Eichenprozessionsspinner zurückzuführen waren. Diese Patientin ist Lehrerin und bei einem Klassenausflug in den Wald und der Rast unter einem Baum kam es plötzlich zu Luftnot, massiven Schwellungen im Gesicht, laufender Nase und Augenbrennen. Das sind eigentlich typische Symptome, die auf eine Allergie schließen lassen. Eine ausführliche Allergiediagnostik auf sämtliche Bäume, auch die selteneren, führte bei dieser Patientin jedoch zu keinem Ergebnis. Man musste also davon ausgehen, dass der Kontakt mit den Haaren des Eichenprozessionsspinners die Ursache der Beschwerden war. Dabei handelt es sich aber wahrscheinlich eher nicht um eine allergische, sondern um eine toxische Reaktion.

Wie kommt es zu einer toxischen Reaktion auf Eichenprozessionsspinner?

Die Brennhaare der Raupen der Eichenprozessionsspinner haben Widerhaken. Diese sind hohl und enthalten die Substanz Thaumetopoein, ein lösliches Eiweiß. Das bedeutet: Die Reaktion an der Haut und den Schleimhäuten ist mechanisch. Zugleich wird aber auch das Eiweiß freigesetzt. Und damit kann es natürlich - und das individuell – tatsächlich auch zu allergischen Reaktionen auf das Eiweiß kommen. Falls es zu solch allergischen Symptomen kommt, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Sind die Brennhaare der Eichenprozessionsspinner übertragbar von Mensch zu Mensch? 

Ich denke nicht, dass die Brennhaare der Eichenprozessionsspinner von Mensch zu Mensch übertragbar sind, da die Widerhaken ja fest mit dem Wirt verankert sind.

Wenn tatsächlich eine Allergie auf Eichenprozessionsspinner besteht, kann es dann auch zu einer anaphylaktischen Reaktion kommen? 

Ja, eine Anaphylaxie auf Eichenprozessionsspinner ist möglich, aber systemische Krankheitserscheinungen sind die Ausnahme.

In welchen Monaten muss man mit toxischen oder allergischen Reaktionen auf Eichenprozessionsspinner rechnen?

Das Gefährdungspotential besteht bei Eichenprozessionsspinnern insbesondere von Ende Mai bis in den September hinein. Die Härchen können leicht brechen und dann durch den Wind verweht werden.

Eigentlich sollte es erst Ende April bzw. Anfang Mai zu Beschwerden kommen, denn erst ab dem dritten Larvenstadium entwickelt die Raupe die gesundheitsgefährdenden Brennhaare.

Letztendlich ist jedoch die Witterung entscheidend. Wenn es früh im Jahr warm ist und diese Witterung anhält, können die Raupen das dritte Larvenstadium auch früher als Ende April erreichen.

Wie vermeidet man den Kontakt mit Eichenprozessionsspinnern?

Patienten, die auf Eichenprozessionsspinner starke Symptome entwickeln, kann man eigentlich nur raten, Wälder im betreffenden Zeitraum zu meiden. Da die Brennhaare der Raupen in der Luft fliegen, wenn auch nicht über große Distanzen, kann man ihnen schwerlich ausweichen. Deshalb sollte man, wenn man durch den Wald streift, empfindliche Hautbereiche schützen.

Gibt es eine Therapie bzw. Medikamente gegen die Symptome durch Eichenprozessionsspinner?

Man sollte Raupen und Gespinster nicht berühren, und, falls es doch geschehen ist, sofort Duschen und die Kleider wechseln. Wenn erforderlich können Medikamente wie Antihistaminika wie zum Beispiel Ceterizin und natürlich Cortison gegen die Symptome der Raupendermatitis helfen.

Wie kommt es dazu, dass Eichenprozessionsspinner hierzulande plötzlich zum Problem werden?

Mit eine Rolle bei der zunehmenden Verbreitung des Eichenprozessionsspinners spielt sicher die klimatische Veränderung. Früher kannte man das Eichenprozessionsspinner-Phänomen in dieser Form nicht. Ursprünglich war der Eichenprozessionsspinner in Süd- und Mitteleuropa verbreitet. Warme und trockene Wetterlagen treten aber mittlerweile auch in Deutschland häufiger auf, und dies begünstigt die Verbreitung des Eichenprozessionsspinners.

Frau Dr. Hilka, herzlichen Dank für dieses Interview!