Wespenstich & Bienenstich beim Hund: Was tun?
Wenn der Hund einen Bienenstich oder Wespenstich hat, ist die Aufregung groß. „Was tun?“ fragen sich dann die Besitzer. Und „kann die Reaktion auch allergisch“ sein? MeinAllergiePortal sprach mit Dr. med. vet. Ana Rostaher, dipl. ECVD, Oberärztin Dermatologie an der Klinik für Kleintiermedizin der Vetsuisse Fakultät Universität Zürich in der Schweiz.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Dr. med. vet. Ana Rostaher
Frau Dr. Rostaher, woran merkt man, dass der Hund von einer Biene oder Wespe gestochen wurde? Wie sehen die „normalen“ Symptome aus?
Normalerweise äußert sich ein Bienenstich oder Wespenstich beim Hund durch eine lokale Schwellung an der Stichstelle. Diese kann sich warm anfühlen und die Tiere reagieren empfindlich auf Druck. Oft entsteht auch Juckreiz, der zu Beißen, Reiben, Lecken oder Kratzen führen kann. Schmerzanzeichen wie Zittern oder Hecheln sind auch möglich.
Was kann man tun, wenn der Hund einen „normalen“ Wespenstich oder Bienenstich hat?
Am wichtigsten ist es, den Stachel zu entfernen, falls dieser noch vorhanden ist, und den betroffenen Bereich mit einer kalten Kompresse zu bedecken. Auch ein Antihistaminikum als Creme oder oral, darf verabreicht werden, um die entstandene Entzündung und die damit verbundenen unangenehmen Empfindungen des Patienten schneller abzumildern. Das geht zum Beispiel mit Cetirizin, wobei die Dosierung beim Hund eine Tablette pro 10 kg Gewicht betragen sollte.
Wie unterscheiden sich die normalen Symptome eines Hundes auf einen Bienenstich oder Wespenstich von einer allergischen Reaktion?
Bei „normalen“ Symptomen beim Hund auf Bienen- oder Wespengift entstehen nur Hautsymptome. Die Quaddeln oder Schwellungen können an den Augenliedern, Lippen oder Extremitäten auftreten, meistens nur regional, in der Nähe der Einstichstelle. Bei einer allergischen Reaktion reagieren neben der Haut auch andere Organsysteme. Die wichtigsten Schockorgane beim Hund sind der Darm, die Leber und der Kreislauf. Bei der allergischen Reaktion gibt es aber unterschiedliche Schweregrade.
Wie sehen die Symptome beim Hund mit einer Insektengiftallergie aus, wenn er von einer Biene oder Wespe gestochen wurde?
Die Anzeichen einer systemischen Reaktion auf Bienengift oder Wespengift beim Hund sind:
- Erbrechen
- Durchfall
- Speicheln
- Kreislaufstörungen
Mögliche Symptome einer Kreislaufstörung sind beim Hund kalte Gliedmaßen, weiße Schleimhäute und die Tiere können auch kollabieren.
Im schlimmsten Fall, wenn die Hunde mit den Insekten spielen möchten, kann es auch zu Stichen im Maul kommen. Das kann lebensgefährlich sein, denn durch lokale Schwellungen kann es zu Atemnot kommen.
Welche Schweregrade kann eine allergische Reaktion auf Bienengift oder Wespengift beim Hund haben?
Bei einer milden allergischen Reaktion auf Bienen- oder Wespengift (Grad 1), können sich die Hautschwellungen auf den ganzen Körper des Hundes verteilen. Ab und zu kann es zu einmaligem Erbrechen oder Durchfall kommen.
Bei einer verstärkten allergischen Reaktion (Grad 2) haben die Hunde in der Regel starken Durchfall, erbrechen mehrmals und sind apathisch.
In sehr schweren Fällen (Grad 3) werden neben diesen Symptomen noch blasse Schleimhäute, erschwertes Atmen und Kollaps beobachtet.
Im schlimmsten Fall kann die allergische Reaktion beim Hund mit dem Tod des Patienten enden.
Was kann man tun, wenn der Hund von der Biene oder Wespe ins Maul gestochen wurde oder wenn er sie verschluckt hat?
Nach einem Stich ins Maul oder wenn das Insekt verschluckt wurde, kann man leider nicht mehr verhindern, dass das Bienen- oder Wespengift in den Körper des Tieres gelangt. Der nächste Schritt ist sofort tierärztliche Hilfe zu holen. Das gilt besonders bei Hunden, die schon mal von einer Biene oder Wespe gestochen wurden und dabei eine allergische Reaktion erlitten haben. Natürlich werden einige Tiere so einen Stich oder ein verschlucktes Insekt problemlos „überleben“. Leider kann man aber nicht vorhersehen auf welche Tiere das zutreffen wird.
Was kann man tun, wenn ein Arzt nicht erreichbar ist?
Falls man nicht sofort zum Arzt fahren kann, sollte man ruhig bleiben, das Tier genau beobachten und identifizieren, wo der nächste Tierarzt praktiziert. Lebensbedrohliche allergische Reaktionen entstehen meistens innert Minuten. Wenn das Tier stark anschwillt und schwer atmet, schwankt, erbricht oder speichelt, Durchfall entwickelt oder sehr ruhig ist, sollte man sofort einen Tierarzt aufsuchen. Zusätzlich verabreicht man dann sofort das Notfallmedikament Adrenalin, falls man das vom Tierarzt bereits vorsorglich erhalten hat.
Wie häufig kommt es vor, dass ein Hund auf Bienengift oder Wespengift allergisch reagiert?
Die Allergie beim Hund auf Bienengift oder Wespengift ist auch kein neues Phänomen, die ersten Berichte reichen mindestens 25 Jahre zurück. Leider gibt es in Tiermedizin keine epidemiologischen Studien dazu. Bei uns am Tierspital in Zürich hatten wir durchschnittlich 30 lebens-bedrohliche Reaktionen nach Bienen- und Wespenstichen in den letzten Jahren behandelt. Verglichen mit anderen Allergieauslösern wie zum Beispiel Futtermitteln oder Medikamenten, ist die Bienen- bzw. Wespengiftallergie am häufigsten anzutreffen.
Kann man sagen, was beim Hund häufiger vorkommt, die Bienengiftallergie oder die Wespengiftallergie?
Eine weltweite Umfrage bei Spezialisten für Tierdermatologie hat gezeigt, dass diese öfters Hunde mit Reaktionen auf Bienen, als Wespen sehen und behandeln, das gleiche beobachten wir auch in der Schweiz.
Sind bestimmte Hunderassen häufiger von einer Allergie auf Bienengift oder Wespengift betroffen als andere?
Interessanterweise scheinen viele Hunde, die an Bienen- oder Wespengiftallergie erkranken, aber auch an Anaphylaxie allgemein, reinrassig zu sein. Der Boxer ist die Rasse, die bekanntermaßen weltweit am meisten betroffen ist.
Bei uns am Tierspital waren in einer Studie zusätzlich noch folgende Rassen von einer Allergie auf Bienengift oder Wespengift betroffen: Rhodesian Ridgeback, Beagle, Vizsla und Jack Russell Terrier.
Gibt es Komorbiditäten bzw. weitere Erkrankungen, die bei Hunden mit Bienengift- oder Wespengiftallergie vermehrt auftreten?
Komorbiditäten wurden nicht so vertieft untersucht wie in der Humanmedizin. Aber wir sehen eine Tendenz, dass Hunde mit atopischen Ekzem mit 30 Prozent verstärkt von Bienen- oder Wespengiftallergie betroffen sind. Die Besitzer der betroffenen Tiere berichten, dass ihre Schützlinge schon eine vorherige Reaktion auf Bienen oder Wespen gezeigt haben und meistens ist die Intensität der Reaktion bei der Wiederholung gleichbleibend oder gar schlimmer.
Im Gegensatz zum Menschen, ist es aktuell bei Hunden nicht bekannt, welche Rolle die gleichzeitige Gabe von Herzmedikamenten spielt bzw. ob andere Erkrankungen für die Entwicklung einer Allergie auf Bienen- oder Wespengift ein Risiko darstellen. Uns liegen nur sehr niedrige Fallzahlen vor und auf dieser Basis sehen wir keine Assoziationen.
Grading of disease severity in dogs with signs of urticaria and/or anaphylaxis (as adapted) | ||||
Urticaria | Anaphylaxis | |||
Organ | Grade | |||
0 | 1 | 2 | 3 | |
(Anaphylaxis absent) |
(Mild) | (Moderate) | (Severe) | |
≤ 1 sign from two different organ systems each | ≤ 1 sign from two different organ systems each | ≤ 1 sign from two different systems each | ||
Skin | Wheals and/or angioedema |
Wheals, angioedema, flushing, pruritus | Wheals, angioedema, flushing, pruritus | Wheals, angioedema, flushing, pruritus |
Gastrointestinal system | None | Single episode of vomiting/ diarrhoea |
Abdominal pain, Persistent vomiting, Persistent diarrhoea | Abdominal pain, Persistent vomiting, Persistent diarrhoea |
Cardiovascular system | None | None | Tachycardia Pale mucous mebranes |
Collapse Bradycardia Hypotension Cardiac arrest |
Respiratory system |
None | None | Dyspnoea Tachypnoea Panting |
Cyanosis Bradypnea Respiratory arrest |
Quelle: Rostaher A. Bienen- und Wespengiftallergien bei Hunden – Von der Akutbehandlung bis zur Desensibilisierung. Kleintier Konkret 2018; 21(S 03): 13-19. |
Woran erkennt der Besitzer, dass es nötig ist, einen Tierarzt aufzusuchen, nachdem der Hund von einer Biene- oder Wespe gestochen wurde?
Ein Tierarzt sollte immer sofort aufgesucht werden, wenn die folgenden Situationen vorliegen:
- Wenn ein Stich beobachtet wird und der Hund in der Vergangenheit schon Reaktionen gezeigt hat.
- Wenn die Schwellung mehr als 10 cm groß wird.
- Wenn die Schwellungen an mehreren Stellen auftreten.
- Wenn zusätzlich allgemeine Symptome wie Durchfall, Erbrechen, Atemnot, Schwindel etc. auftreten.
Dabei ist es am besten, den Tierarzt bereits vorab telefonisch zu informieren, damit entsprechende Vorbereitungen getroffen werden können.
Kann es durch eine Allergie auf Bienengift oder Wespengift beim Hund auch zu einem allergischen Schock?
Eine Anaphylaxie wird nicht selten beobachtet, diese wird in verschiedene Grade untergeteilt, so wie beim Menschen. In diesen Fällen sollte man so schnell wie möglich einen Tierarzt aufsuchen.
Was ist dann im Notfall zu tun, wenn ein allergischer Hund von einer Biene oder Wespe gestochen wurde?
Beim Bienenstich sollte der Stachel so bald wie möglich entfernt werden und man sollte den Hund aus dem Gebiet, in dem es zum Stich gekommen ist, entfernen, um zusätzliche Stiche zu vermeiden. Dabei sollten die Besitzer auch auf die eigene Sicherheit achten, denn es kann passieren, dass die Manipulationen beim Herausziehen des Stachels für den Hund sehr schmerzhaft sind und er unwillkürlich unabsichtlich zubeißt.
Auf dem Weg zum Arzt sollten die Tiere beruhigt werden. Am leichtesten ist es, wenn man noch jemanden zu Hilfe rufen kann, so dass eine Person Auto fährt und der andere mit dem Hund auf dem Rücksitz Platz nehmen kann. Wenn der Hund sich noch selbst bewegen kann, sollte man es ihm überlassen, sich in die bequemste Position zu bringen, in der tief durchatmen kann.
Wie erfolgt die Diagnose einer Allergie auf Bienengift oder Wespengift beim Hund?
Die Diagnose erfolgt mittels Vorgeschichte, wenn die Besitzer den Stich beobachtet haben, oder durch klinische Untersuchungen, d.h. es wird der Stachel gefunden oder es zeigen sich Anzeichen einer allergischen Reaktion und zusätzlicher allergenspezifischer Blut- und Hauttests.
Wie behandelt man die Allergie auf Bienengift oder Wespengift beim Hund?
Die unmittelbare Behandlung hängt vom Schweregrad der Reaktion ab. Die Tierärzte verabreichen den erkrankten Tieren Infusionen, Antihistaminika und, sehr wichtig, Medikamente zum Schutz des Magen-Darm-Traktes. Auch Entzündungshemmer und, in ganz schlimmen Fällen, Adrenalin, können verabreicht werden. Die Tiere sollten mindestens 24 Stunden versorgt und beobachtet werden.
Gibt es für Hunde einen Adrenalin-Autoinjektor?
Auf dem Markt gibt es keine „Hunde-Adrenalin-Autoinjektoren“. Es können aber die humanen Präparate verschrieben werden, wenn die Tiere nicht weniger als 15 kg wiegen. Das Dosieren bei ganz kleinen Hunden ist schwierig, weil es ja keine „kleinen“ Autoinjektoren auf dem Markt gibt.
Hier die empfohlene Dosierung:
- 0.30 mg Adrenalin für Tiere > 30 kg Körpergewicht
- 0.15 mg Adrenalin für Tiere von 15- 30 kg Körpergewicht
Bei Hunden unter 15 kg wird die Anwendung eines 0.15 mg Adrenalin-Autoinjektors nicht empfohlen, es sei denn, es handelt sich um eine lebensbedrohliche Situation und die Anwendung erfolgt unter tierärztlicher Aufsicht.
Gibt es eine Möglichkeit zu vermeiden, dass der Hund Kontakt zu Bienen und Wespen hat und gestochen wird?
Kontakt mit dem vermeintlichen Allergen ist möglichst zu meiden, aber bei unseren Vierbeinern, die gerne in Wiesen spielen, ist das für Bienen sehr schwierig durchführbar. Das Meiden der Wespen ist eventuell leichter, weil diese sich ja oft an Stellen wie Mülltonnen, Picknickplätzen etc. aufhalten, und somit kann man solche Stellen leichter meiden.
Ist beim Hund auch eine Hyposensibilisierung auf Bienengift oder Wespengift möglich?
Eine Hyposensibilisierung bei Bienen- und Wespengiftallergie wird, wie beim Menschen, auch bei den Hunden erfolgreich durchgeführt. Diese wird empfohlen, wenn die Tiere lebensbedrohliche Reaktionen erlebt haben und das Risiko einer erneuten Reaktion groß ist. Auf unserem Blog können Sie genauere Informationen zu dieser Therapie, welche wir auch am Tierspital Zürich durchführen, erhalten: https://hauttierarztzuerich.blogspot.com/2021/09/die-desensibilisierung-immuntherapie.html
Frau Dr. Rostaher, herzlichen Dank für dieses Interview!
Quellen:
1) Trenton S Ewing, Charli Dong, Mona J Boord et al. Adverse events associated with venomous insect immunotherapy and clinical outcomes in 82 dogs (2002-2020). Vet Derm 2022; 33(1): 40-e14
2) Rostaher A, Mueller R, Meile L, Favrot C, Fischer NM. Venom immunotherapy for hymenoptera allergy in a Dog. Veterinary Dermatology 2021, 32(2): 206-e52.
3) Rostaher A. Bienen- und Wespengiftallergien bei Hunden – Von der Akutbehandlung bis zur Desensibilisierung. Kleintier Konkret 2018; 21(S 03): 13-19.
4) Rostaher A et al. Triggers, risk factors and clinico-pathological features of urticaria in dogs - a prospective observational study of 24 cases. Vet Dermatol. 2017 Feb;28(1):38-e9. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27425644/. DOI: 10.1111/vde.12342
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/A. Rostaher, www.mein-allergie-portal.com
Lesen Sie auch
-
Grasmilben beim Hund: Juckreiz & wunde Pfoten!
-
Futtermittelallergie beim Hund: Wie führt man eine Ausschlussdiät durch?
-
Flöhe in der Wohnung bekämpfen: Wie geht das?
Weitere Beiträge
News - Allergie bei Tieren
- Allergie bei Katzen: Woran erkennt man das?
- Kinnakne bei Katzen: Ursache, Symptome, Diagnose, Therapie
- Flöhe in der Wohnung bekämpfen: Wie geht das?
- Grasmilben beim Hund: Juckreiz & wunde Pfoten!
- Katze verträgt Medikamente nicht: Was tun?
- Menschenallergie bei Hund & Katze: Kann das sein?
- Otitis beim Hund: Was tun bei Ohrenentzündung?
- Allergie beim Hund: Wie wird das gut behandelt?