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Allergie & Schwangerschaft: Gefährlich für's Baby?

Allergie Schwangerschaft
Ist eine Schwangerschaft für Allergikerinnen ein Problem? Bildquelle: T. Zuberbier

Bei einer Schwangerschaft fürchten viele Frauen mit Allergie, dass das schädlich für das Kind sein könnte. Zum einen könnte die Allergie selbst dem Kind schaden. Zum anderen könnten sich aber auch die Allergiemedikamente negativ auswirken. Wie also schützt man das Kind? Darüber sprach MeinAllergiePortal mit Prof. Dr. med. Torsten Zuberbier, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité in Berlin und Leiter der Stiftung ECARF.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Torsten Zuberbier

Herr Prof. Zuberbier, wie häufig gibt es Probleme in der Schwangerschaft, wenn die Patientin allergisch ist? 

Grundsätzlich sind Allergikerinnen in der Schwangerschaft genauso von Allergien betroffen, wie außerhalb der Schwangerschaft. Es gibt einzelne Patientinnen, bei denen die allergischen Beschwerden in der Schwangerschaft etwas abnehmen. Bei anderen hingegen, nehmen sie etwas zu. Man kann das nicht vorhersagen. Aber ganz wichtig ist es, dass die werdenden Mütter ihre Allergie trotzdem behandeln. Eine unbehandelte Allergie, bei der es dann, zum Beispiel, zu einer allergischen Atemwegsreaktion kommt, ist auch nicht gut für das ungeborene Kind. 

Das heißt, die Probleme mit Allergien in der Schwangerschaft sind die gleichen wie sonst auch? 

Exakt. Dramatisch kann es jedoch bei schweren Allergien, wie zum Beispiel bei einer Nahrungsmittelallergie werden. Sollte es zu einer Anaphylaxie kommen, bei der der Blutdruck plötzlich dramatisch abfällt, ist das Kind natürlich besonders gefährdet.  

Man hört immer wieder, dass bei manchen Frauen die Allergien in der Schwangerschaft besser werden, bei manchen aber schlechter, was ist richtig? 

Allergien können bei Schwangeren sowohl schlimmer als auch besser werden, man kann es nicht vorhersagen. Bei den allermeisten Frauen bleiben die Allergien aber ganz einfach gleich. Generell gilt: Insbesondere die Atemwegsallergien wie Asthma müssen auch in der Schwangerschaft unbedingt behandelt werden. Eine schlechtere Sauerstoffversorgung für das Kind ist absolut nicht wünschenswert! 

Wenn die Allergien schlimmer werden, bleibt das dann auch nach der Schwangerschaft so? 

Nein, wenn die Allergie sich verschlimmert, dann nur während der veränderten Hormonlage. Nach der Entbindung normalisieren sich die Allergiesymptome in der Regel wieder. Umgekehrt bleiben die allergischen Beschwerden aber auch nicht unbedingt geringer, wenn sie sich in der Schwangerschaft verbessert haben. Dabei wissen wir eigentlich nicht, ob die hormonellen Einflüsse der Grund für verstärkte Allergiesymptome sind, oder die emotionale Lage. Es gibt ja viele Faktoren, die bei der Ausprägung von Allergien zusammenspielen. Ob die Allergiesymptome stark oder schwach ausgeprägt sind, hängt auch von Umweltfaktoren ab, zum Beispiel vom jeweiligen Pollenflug. 

Ist die Allergie der Mutter in der Schwangerschaft schädlich für das Kind? 

Eine Allergie der Mutter ist nur dann schädlich für das ungeborene Kind, wenn sie nicht oder nur unzureichend behandelt wird.  

Kann die Mutter ihre Allergie auf das Kind vererben? 

Eine allergische Mutter muss damit rechnen, dass irgendwann auch das Kind eine Allergie bekommt. Zum Beispiel könnte es nach der Geburt eine Neurodermitis entwickeln. Deswegen ist Prävention in der Schwangerschaft und auch nach der Geburt ganz besonders wichtig. 

Was kann eine werdende Mutter tun, damit das Kind keine Allergien bekommt? 

Schwangere Frauen sollten nicht rauchen, und auch in Gegenwart des neugeborenen Kindes darf auf keinen Fall geraucht werden. Entsprechend der aktuellen Empfehlungen sollte das Kind auch schon frühzeitig, ab dem vierten bis sechsten Monat, an Beikost gewöhnt werden. 

Sind Haustiere wie Hunde und Katze ein Risiko bei Allergien bzw. für deren Entstehung? 

Es gibt kein Haustierverbot. Wenn Hunde und Katzen in der Familie sind, und die Eltern keine Allergien haben, müssen die Tiere nicht abgeschafft werden. Anschaffen muss man sie aber auch nicht, denn einzelne Haustiere scheinen sich nicht unbedingt schützend auf Allergien auszuwirken. Hingegen gibt es Studien, die zeigen, dass Kinder, die mit sehr vielen Katzen, das heißt mehr als vier Tieren, aufwachsen, weniger häufig Allergien entwickeln. Man sollte aber berücksichtigen, dass es auch noch weitere Faktoren gibt, die die Lebensbedingungen beeinflussen können. Ein Haushalt mit vier Katzen hat von vorherein eine größere Bakterienlast. Hier kommt dann die Hygienehypothese ins Spiel. Diese besagt, dass eine Vielfalt an Keimen und Viren und weniger strenge Hygienemaßnahmen das Immunsystem trainieren. So ist man dann auch vor Allergien besser gefeit.  

Kann man in der Schwangerschaft einen Allergietest machen? 

Ja, der Allergie-Bluttest ist in der Schwangerschaft problemlos möglich. Der Hauttest wird bei schwangeren Patientinnen aber nur sehr zurückhaltend eingesetzt. Der Grund: Theoretisch kann es beim Allergie-Hauttest auch zu einem allergischen Schock kommen. Allerdings kommt dies bei den Standardallergen nicht vor. 

Kann man in der Schwangerschaft kortisonhaltige Nasensprays nehmen?

Die gute Nachricht für alle schwangeren Allergikerinnen ist: Ja, auch in der Schwangerschaft ist eine Therapie der Allergie gut möglich. Zur Behandlung von Heuschnupfen, Hausstaubmilbenallergie, Tierhaarallergie etc. gibt es moderne, kortisonhaltige Nasensprays mit dem Wirkstoff Mometasonfuroat. Dieser wird in der Blutbahn sofort abgebaut. Das ungeborene Kind kann der Wirkstoff daher nicht erreichen. Die Fortführung der Allergie-Therapie mit Mometasonfuroat in der Schwangerschaft wird auch in den Leitlinien empfohlen. 

Kann man in der Schwangerschaft mit Antihistaminika wie Loratidin und Cetirizin behandeln?

Antihistaminika sind zur Allergietherapie bei Schwangeren nicht zugelassen. Allerdings liegt für den Wirkstoff Loratidin eine Studie an über 300.000 Frauen vor. Sie wurden von der Konzeption bis zur Geburt betreut und zeigten keinerlei Beschwerden. Auch bei anderen Antihistaminika, wie zum Beispiel Cetirizin, sind bisher keine Beschwerden aufgetreten, obwohl sie sicherlich schon millionenfach in der Schwangerschaft angewendet wurden.

Kann man in der Schwangerschaft das Asthma mit Asthmasprays, die Budesonid oder Salbutamol enthalten, behandeln?

Unbedingt, denn gerade in der Schwangerschaft ist die Asthmamedikation entscheidend. Hier gilt es, die Kortisontherapie und die bronchienerweiternden Sprays nach Empfehlung des Arztes weiter einzunehmen. Es ist sehr wichtig, dass die Sauerstoffsättigung im Blut der werdenden Mutter nicht abnimmt. Entscheidend ist bei schwangeren Asthmatikerinnen, dass das ungeborene Kind ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.

Kann man bei einer Neurodermitis oder Kontaktallergie während der Schwangerschaft weiterhin Kortisoncremes verwenden?

Bei der Neurodermitis wird mit topischen Kortikosteroiden behandelt. Hier gilt dasselbe wie für das die Atemwegsallergien. Präparate mit Mometasonfuroat gibt es nicht nur als Nasenspray, sondern auch als Hautcreme. Mometasonfuroat wird im Körper sofort abgebaut, so dass es gar nicht erst ins Blut gelangt. Das gilt auch für Kontaktallergien.

Darf man bei einer Allergie eine Hyposensibilisierung bzw. Desensibilisierung in der Schwangerschaft weitergeführt werden?

Eine Hyposensibilisierung sollte man in der Schwangerschaft nicht beginnen. Allerdings kann eine bestehende Desensibilisierung, nach Rücksprache mit dem Arzt und nach individueller Entscheidung, fortgeführt werden. Bei einer Desensibilisierung gegen Bienengift oder Wespengift ist es sogar ausgesprochen wichtig, dass diese fortgeführt wird. Der Grund: Das Risiko eines Insektenstiches ist dann natürlich deutlich höher einzuschätzen.

Darf man bei einer Allergie Biologika oder JAK-Inhibitoren weiter einnehmen, wenn man schwanger ist?

Für die modernen Medikamente, Biologika und JAKs gibt es im Moment noch keine ausreichende Datenlage und damit auch keine allgemeinen Empfehlungen. Wichtig ist aber auch hier, dass man die Behandlung der Mutter nicht außer acht lässt und für eine gute Symptomkontrolle sorgt. Wenn die Mutter, zum Beispiel aufgrund schwerer Neurodermitis-Schübe, keine Nacht schlafen kann, ist das auch nicht gut für das Kind. Hier lautet meine Empfehlung, die individuelle Therapie mit dem behandelnden Arzt abzusprechen.

Gibt es Haushaltsmitte oder sanfte Alternativen bei einer Allergie in der Schwangerschaft?

Hausmittel sind selbstverständlich auch hilfreich, zum Beispiel die Nasenspülung. Sie kann eine deutliche Erleichterung verschaffen, gerade bei den Symptomen des allergischen Schnupfens. Nasenspülungen reinigen die Nase von Schadstoffen aus der Luft, stärken die Nasenschleimhaut und tun insgesamt einfach gut.

Herr Prof. Zuberbier, herzlichen Dank für das Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

20. Mai 2022

Autor: S. Jossé/ T. Zuberbier, www.mein-allergie-portal.com

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