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Wann ist das Mikrobiom der Haut bei Neurodermitis gestört?

Neurodermitis Mikrobiom Haut
Neurodermitis: Wenn das Mikrobiom der Haut gestört ist! Bildquelle: canva svetikd, kozorog

Gibt es Zusammenhänge zwischen Neurodermitis und einem gestörten Mikrobiom der Haut? Diese Frage steht im Zentrum vieler Forschungsprojekte am Zoologischen Institut der Christian-Albrecht-Universität Kiel. Tatsächlich scheint der moderne, urbane Lebensstil das Mikrobiom der Haut negativ zu beeinflussen - Verarmung statt Diversität. Warum das so ist, erklärt Institutsdirektor Prof. Thomas Bosch im Gespräch mit MeinAllergiePortal.

Autor: Sabine Jossé

Interviewpartner: Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Thomas Bosch

Herr Prof. Bosch, was weiß man über das Mikrobiom der Haut bzw. über die Bakterien der Haut?

Neue Methoden der molekularen Diagnostik haben in letzter Zeit auch zu neuen Erkenntnissen zum Mikrobiom der Haut geführt.

Wir wissen, dass jedes Organ, zum Beispiel Haut, Mundhöhle, Darm, Gehirn, ein eigenes Mikrobiom hat. Diese Mikrobiome sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Hinzu kommen Umwelteinflüsse.

Bakterien wurden lange Zeit grundsätzlich als „krank machend“ gesehen. Mittlerweile hat sich diese Sicht aber gewandelt. Die meisten Bakterien und Mikroben unseres Körpers sind keine Krankheitserreger. Vielmehr schützen Sie uns sogar vor Krankheit und Infektionen. Die Anzahl der „krank machenden Bakterien“ ist hingegen im Vergleich eher gering.

 

 

 

Was weiß man über den Einfluss des Mikrobioms der Haut auf die Hautgesundheit?

Der Einfluss des Mikrobioms auf die Hautgesundheit ist groß. Man weiß, dass bestimmte Erkrankungen der Haut mit einer veränderten Zusammensetzung des Mikrobioms der Haut einhergehen.

Allerdings ist die Frage, wie sich ein gesundes von einem gestörten Mikrobiom unterscheidet, noch nicht abschließend geklärt.

Warum kann man nicht analysieren, wie ein gesundes Mikrobiom der Haut aussieht?

Die Schwierigkeit zu definieren, wie ein gesundes Mikrobiom der Haut aussieht, liegt unter anderem daran, dass sich die Hautmikrobiome gesunder Menschen sehr unterschiedlich darstellen. Es gibt zahlreiche Einflussfaktoren, wie zum Beispiel Umwelt und Lebensstil, die bei jedem Individuum anders ausfallen.

Ein Beispiel: Angenommen mehrere Individuen verfügen über eine sehr ähnliche Zusammensetzung des Mikrobioms der Haut. Wenn Sie aber anderen Umweltfaktoren ausgesetzt sind oder unterschiedlich „gesund“ oder „ungesund“ leben, kann dies zu unterschiedlichen Risiken für Erkrankungen der Haut führen. Dabei können relativ kleine Unterschiede eine große Wirkung entfalten. Hinzu kommt, dass ein gesundes Mikrobiom bei unterschiedlichen Individuen eine unterschiedliche Zusammensetzung aufweisen kann. Und: Auch das Alter spielt eine Rolle, denn im Laufe des Lebens verändert sich auch die Zusammensetzung des Mikrobioms.

Kommen wir zur Funktion: Was kann ein gesundes Mikrobiom der Haut leisten?

Ein gesundes Mikrobiom der Haut besteht aus Millionen von Bakterien. Es schützt die Außenmembran unserer Hautzellen wie eine Art Filter vor negativen Einflüssen der Umwelt. Diese Einflüsse können zum Beispiel in Form von UV-Strahlen, Nahrungsmitteln oder der Temperatur mit der Haut in Kontakt kommen. Zuvor werden sie aber durch das Mikrobiom gefiltert. Dabei kommt es anscheinend zu einem regelrechten „Krieg der Bakterien“

Und was passiert, wenn das Mikrobiom der Haut gestört ist?

Man weiß, dass ein gestörtes Mikrobiom der Haut mit einer erhöhten Anfälligkeit für bakterielle Infektionen einhergeht. So hat man zum Beispiel bei Menschen, die mit Antibiotika behandelt wurden, festgestellt, dass das Mikrobiom der Haut dadurch gestört wird. Es kommt dann beim Mikrobiom zu einer Reduktion der Bakterienvielfalt und das Mikrobiom der Haut büßt an Filterfunktion ein.

Heißt das, bei einem gestörten Mikrobiom der Haut siedeln sich schädliche Fremdbakterien leichter an?

Genau. Im Normalfall sorgt ein intaktes Mikrobiom dafür, dass andere Bakterien nicht so leicht auf der Haut Fuß fassen können, man nennt das „Kolonisierungsresistenz“.  Diese zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass sich die Bakterien des Mikrobioms beim Wettbewerb um gemeinsame Nahrungsquellen gegen die invasiven Bakterien durchsetzen. Manche Hautbakterien sind aber auch in der Lage, antimikrobielle Moleküle zu produzieren, die das Eindringen von fremden Mikroben aus der Umgebung verhindern und die Besiedlung hemmen. Zum Beispiel ist eine Untergruppe von Staphylococcus-epidermidis-Stämmen in der Lage, die Bildung von Staphylococcus aureus-Biofilmen zu hemmen. Staphylococcus aureus wiederum spielt bei der atopischen Dermatitis eine wichtige Rolle, da er an Sekundärinfektionen der Haut beteiligt ist. Das zeigt: Bakterien bzw. Mikroben gehören zum Immunsystem und haben eine Funktion bei der Immunabwehr. Das wird auch dadurch belegt, dass keimfrei gehaltene Labortiere häufig an Pilzinfektionen leiden. Zu viel Sauberkeit schadet also regelrecht, wenn dadurch die „guten“ Bakterien vernichtet werden, das gilt auch für den Menschen.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Mikrobiom der Haut und Neurodermitis?

Das Mikrobiom der Haut sieht bei Neurodermitis im Bereich der Ekzeme deutlich anders aus als an gesunden Hautstellen. Die Bakterienvielfalt ist dort reduziert und dies scheint die Ekzeme zu befördern. Aber auch bei anderen Erkrankungen scheint die Diversität der Bakterien eine Rolle zu spielen, zum Beispiel bei Allergien. Ist die normale Bakterienzusammensetzung zerstört, spricht man von einer Dysbiose.

Durch moderne Sequenzierungsmethoden konnte man diverse genetisch bedingte bzw. chronisch entzündliche Erkrankungen der Haut mit einer Dysbiose in Zusammenhang bringen. Zum Beispiel hatten nach Angaben des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey 13,2 Prozent der Kinder in Deutschland bereits einmal in ihrem Leben ein atopisches Ekzem.

Was führt bei Neurodermitikern zu einer Störung des Mikrobioms?

Neurodermitis-Patienten, aber auch alle anderen Menschen, sollten darauf achten, das Mikrobiom ihrer Haut nicht zu schwächen.

Schädlich für das Mikrobiom der Haut – nicht nur bei Neurodermitis - ist zum Beispiel:

  • Übermäßiges Waschen
  • Unnötiges desinfizieren der Haut
  • Übermäßiger Einsatz von Antibiotika
  • Ungesunde, einseitige Ernährung
  • Rauchen
  • Alkohol
  • Drogenkonsum
  • Bestimmte Medikamente
  • Stress
  • Schlafmangel

Im Kieler Sonderforschungsbereich „Ursprung und Funktionieren von Metaorganismen“ (https://www.metaorganism-research.com) konnten wir nachweisen, dass Mikrobiome eigene Ökosysteme sind, die dem Menschen zum Vorteil gereichen. Daraus ergeben sich Potenziale für therapeutische Eingriffe, aber auch ein generelles Umdenken ist nötig, denn unser moderner Lebensstil schadet dem Mikrobiom der Haut.

Hinzu kommen die aktuellen Corona-Maßnahmen, die absolut nötig sind, aber dem Mikrobiom der Haut nicht guttun. Zum einen tut das häufige Waschen und Desinfizieren der Hände, das uns allen in Fleisch und Blut übergegangen ist, der Bakterienvielfalt unseres Hautmikrobioms nicht gut. Zum anderen haben auch soziale Interaktionen einen Einfluss auf das Mikrobiom – es kommt dann zum Austausch von Mikroben und das ist gut für die Diversität. Die Abstandsregeln stehen dem jedoch entgegen. Um so wichtiger ist es, dass man dem Mikrobiom der Haut an anderer Stelle Gutes tut, zum Beispiel durch eine diverse Ernährung mit frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln.

Herr Prof. Bosch, herzlichen Dank für dieses Interview!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

 

15. November 2021

Autor: S. Jossé/ T. Bosch, www.mein-allergie-portal.com

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