Corona-Lockdown & Social Distancing: Verändert Isolation das Gehirn?
Wie sind Sie bei Ihren Versuchen zu den Auswirkungen der Isolation auf das Gehirn vorgegangen und was konnten Sie bezüglich Pth2 feststellen?
Wir haben die Zebrafische in verschiedenen Entwicklungszeiträumen beobachtet. Dazu gehörten Larven, die nur fünf Tage alt waren, ein paar Wochen alte juvenile Fische, sowie drei Monate alte, adulte Fische. In allen Entwicklungsstadien konnten wir beobachten, dass schon eine kurze Isolation ausreicht, um Pth2 herunterzuregulieren. Bei den Jungtieren konnten wir die Isolationszeit minutengenau untersuchen, die adulten Tiere wurden eine Woche lang isoliert, was ebenfalls ausreichend für eine starke Verringerung der Genexpression war.
Gab es unterschiedliche Versuchsreihen bezüglich der Dauer der Isolationszeit?
Wir haben unterschiedliche Isolationsdauern angewandt. Jüngere Tiere haben wir tatsächlich im Stundentakt isoliert, also beispielsweise zwischen einer und 12 Stunden. Dabei gab es bezüglich der Genregulation beträchtliche Unterschiede. Das Gen reagiert zwar anfangs kaum, wird aber bereits nach 6 Stunden stark herunterreguliert, das war tatsächlich sehr überraschend. Noch schneller sieht man eine Änderung der Genregulation, wenn man zuvor isolierte Tiere mit Artgenossen zusammensetzt. Da sieht man eine ähnliche Kurve, nur in die entgegengesetzte Richtung, also einen Anstieg, und das bereits nach 30 Minuten. Das bedeutet: Die Anwesenheit von Artgenossen wird innerhalb weniger Minuten bemerkt und innerhalb von 30 Minuten sieht man dies auf der Transkriptionsebene anhand eines Pth2-Anstiegs. Die Regulation der Gentranskription ist also reversibel. Zu allen getesteten Zeitpunkten fanden wir, dass die Expressionsstärke von Pth2 abhängig ist von der Anzahl der Tiere im Tank, also direkt von der sozialen Umgebung reguliert wird.
Welche Rolle spielt die Dauer der Isolation für die Reversibilität?
Das wollten wir explizit testen. Deshalb haben wir manche Tiere auch 3 Monate langisoliert, über alle Entwicklungszeiträume hinweg: Von Jungtieren bis zum adulten Stadium. Bei allen diesen Tieren konnten wir sehen: Sobald sie wieder mit Artgenossen zusammenkommen, wird pth2 wieder in einem normalen Ausmaß hergestellt. Dabei ist es in seiner Ausprägung nicht unterscheidbar von dem Expressionslevel der Tiere, die in sozialen Gruppen aufgewachsen sind. Das bedeutet: Die Expression dieses Gens ist zwar abhängig von der sozialen Umgebung, bleibt dabei aber komplett reversibel!
Konnten Sie sehen, welche Konsequenzen es hatte, dass Pth2 bei den isolierten Zebrafischen aus dem Gehirn „verschwand“? Gab es zum Beispiel veränderte Verhaltensweisen?
Dazu haben wir noch keine Daten, wir stehen noch am Anfang unserer Forschung an Zebrafischen. Es gibt jedoch einige Untersuchungen zu Pth2 in anderen Spezies, beispielsweise in Nagetieren. Da konnte man sehen, dass Pth2 modulatorische Effekte auf das Schmerzempfinden und Angstzustände hat und dass Pth2 auch bei sozialer Interaktion relevant ist. Beispielsweise wurde gezeigt, dass Rattenmütter ohne Pth2 weniger Brutpflege betreiben, was sich in einer geringeren Gewichtszunahme des Nachwuchses widerspiegelt. Dies ist ein funktioneller Aspekt, den wir in unseren Untersuchungen nicht überprüfen konnten, da Zebrafische keine Brutpflege betreiben. Daher ist es erforderlich, dass das Gen in verschiedenen Spezies untersucht wird.