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Laktoseintoleranz: Wie kann es dazu kommen?

Sekundäre Laktoseintoleranz
An welchen Symptomen zeigt sich eine Laktoseintoleranz? Bildquelle: C. Meinhold

Bei einer Laktoseintoleranz sind Bauchschmerzen, Bauchgeräusche und ein Blähbauch nach Milchmahlzeiten typische Beschwerden. Dann stellt sich die Frage, wie es so plötzlich zu so einer Laktoseintoleranz kommen kann? MeinAllergiePortal sprach mit Diplom-Oecotrophologe (Univ.) Christof Meinhold, Praxis für Ernährungstherapie Meinhold & Team in Köln über mögliche Ursachen einer sekundären Laktoseintoleranz.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Diplom-Oecotrophologe (Univ.) Christof Meinhold

Herr Meinhold, was passiert bei einer Laktoseintoleranz?

Zu einer Laktoseintoleranz kommt es, weil die Betroffenen die Laktose in der Nahrung nicht oder nicht ausreichend durch das Enzym Laktase im Dünndarm aufspalten können. So bleibt die Laktose teilweise unverdaut, gelangt in den Dickdarm und Bauchbeschwerden sind die Folge. In seltenen Fällen ist die Laktoseunverträglichkeit angeboren. Es gibt aber auch Konstellationen in denen die Laktoseintoleranz als Folge einer anderen Erkrankung auftritt, man spricht dann von einer sekundären Laktoseintoleranz.

Welche Erkrankungen können eine sekundäre Laktoseintoleranz verursachen?

Da gibt eine ganze Reihe von Erkrankungen.

Mögliche Auslöser für eine plötzlich auftretende Laktoseintoleranz sind:

  • Bakterielle oder virale Entzündungen der Darmschleimhaut
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
  • Eine Magenverkleinerung oder Magenentfernung (Magenresektion)
  • Zöliakie - auch Sprue genannt
  • Das Kurzdarmsyndrom, als Folge einer operativen Verkürzung des Darmes
  • Chemo- und Strahlentherapien

Im Zusammenhang mit all diesen Erkrankungen kann es zu einer Unverträglichkeit von Milchzucker, einer vorübergehenden Laktoseintoleranz, kommen.

Wie kommt es bei diesen Erkrankungen dazu, dass die Patienten plötzlich eine sekundäre Laktoseintoleranz entwickeln?

Bei vielen dieser Erkrankungen, zum Beispiel bei der Zöliakie oder bei den Magen-Darm-Infekten, wird die Schleimhaut des Verdauungssystems stark in Mitleidenschaft gezogen. Das führt dazu, dass in der Schleimhaut das Laktose abbauende Enzym, die Laktase, nicht mehr gebildet werden kann. Somit kann der Milchzucker nicht mehr an dem Ort, an dem er eigentlich verdaut werden sollte, von der Laktase aufgespalten werden und gelangt in die unteren Darmabschnitte. Dort führt die "unverdaute" Laktose dann zu den bekannten Unverträglichkeitssymptomen. Ähnlich sehen die Mechanismen bei Chemo- und Strahlentherapien aus. Auch hier entzündet sich die Schleimhaut, man nennt das Mukositis.

Und was ist beim Kurzdarmsyndrom oder bei einer Magenresektion die Ursache für die Laktoseunverträglichkeit?

Beim Kurzdarmsyndrom, also wenn die Passage des Speisebreis im Dünndarm zum Beispiel aufgrund einer Operation auf Grund einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, eines Tumors, einer Strahlennekrose oder Fisteln verkürzt ist, oder auch bei einer (Teil-)Entfernung oder Verkleinerung des Magens (Magen(-Teil-)Resektion), , ist das anders. In diesen Fällen ist oft die Zeit, die für die Verdauung der Nahrung zur Verfügung steht, so kurz, dass das Enzym Laktase den Milchzucker nicht schnell genug abbauen kann. Der unverdaute Milchzucker gelangt dann wiederum in die unteren Darmabschnitte und führt dort zu Unverträglichkeitssymptomen.

Kann auch psychischer Stress den Körper bzw. die Darmschleimhaut so stressen, dass es plötzlich zu einer Laktoseintoleranz kommt?

Psychischer Stress kann auch zu ähnlichen Symptomen wie Blähungen, Völlegefühl und weicherem Stuhlgang bis Durchfall führen. Eine sekundäre Laktoseintoleranz kann nicht an einem stressigen Tag auftreten und am nächsten Tag schon wieder verschwunden sein. Ob diese Symptome auf einer Laktoseintoleranz fußen, kann man durch entsprechende Ernährungs- und Symptomtagebücher im Rahmen einer ernährungstherapeutischen Beratung sowie einen H2-Atemtest mit Laktose beim Facharzt klären.

Gibt es bei einer sekundären Laktoseintoleranz typische Symptome?

Die Symptome einer sekundären Laktoseintoleranz lassen sich von denen einer primären Laktoseunverträglichkeit nicht wirklich unterscheiden. Immer geht es um Blähungen, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Bauchgeräusche und Durchfall. Das Ausmaß ist unterschiedlich, aber es gibt keinen Hinweis darauf, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Laktoseintoleranz handelt. Außerdem spielt auch die jeweilige Vorerkrankung eine Rolle. Wenn beispielsweise bereits eine Zöliakie besteht, sind die Schleimhäute mitunter sehr stark abgebaut. Der Patient hat dann oft zwischen 4 und bis zu 10 Mal am Tag wässerige Durchfälle. Die Symptome der Laktoseintoleranz lassen sich dann nicht mehr einwandfrei abgrenzen.

Wenn es eine „sekundäre“ Laktoseintoleranz gibt, gibt es auch eine „primäre“?

Die primäre Laktoseintoleranz ist angeboren und würde deshalb bereits in den ersten Lebenstagen eines Säuglings auftreten. Die primäre Laktoseintoleranz ist aber sehr, sehr selten. Normalerweise verfügt jeder Säugling über ausreichend Laktase, um den Milchzucker in der Muttermilch abzubauen.

Heißt das, die sekundäre Laktoseintoleranz wird immer durch eine der gerade genannten Erkrankungen ausgelöst?

Bei der Laktoseintoleranz spielen zwei Faktoren eine Rolle. Der erste Faktor sind Vorerkrankungen, denn oft folgt eine sekundäre Laktoseintoleranz auf bestimmte Krankheiten. Wenn man die Patienten intensiv befragt, stellt sich zum Beispiel oft heraus, dass die Beschwerden erstmals nach einer Reisediarrhö verstärkt auftraten. Übrigens könnte dies auch beim Kleinkind der Fall sein, etwa als Folge einer massiven Durchfallerkrankung. Der zweite Faktor ist, dass die Fähigkeit, Laktose mit Hilfe des Enzyms Laktase zu verdauen, im Laufe des Lebens grundsätzlich sinkt. Der Grund: Milch zählt bei Erwachsenen naturgemäß nicht mehr zur normalen Ernährung.

Dann ist es also eigentlich normal, Milch nicht zu vertragen?

Bei vielen Ethnien, zum Beispiel in Südeuropa, Asien und Afrika geht die Fähigkeit, Milch zu verdauen, sogar grundsätzlich verloren. Dass die Nordeuropäer Milch überwiegend auch im Erwachsenenalter vertragen, weil sie in der Lage sind, das Enzym Laktase zu bilden, ist so gesehen eher die Ausnahme. Aber auch in Nordeuropa lässt die Fähigkeit zur Milchverdauung mit zunehmendem Alter nach. Viele meiner Patienten mit Laktoseintoleranz sind im Alter zwischen 30 und 45.

Sie erwähnten die Strahlen- und Chemotherapie als Auslöser einer Laktoseintoleranz. Was passiert, wenn diese Behandlungen vorbei sind?

Nach Ende der Strahlen- und Chemotherapie und übrigens auch nach einer akuten Magen-Darm-Grippe, erholt sich die Darmschleimhaut wieder. Im Rahmen des Kostaufbaus würde man versuchen, unterschiedliche Milchprodukte – nach individueller Verträglichkeit - wieder in den Speiseplan einzuführen. Beginnen würde man mit kleinen Mengen Joghurt oder laktosehaltigen Käsesorten im Rahmen einer "Angepassten Vollkost".

Kann die Laktoseintoleranz auch bei Zöliakie wieder verschwinden, wenn glutenfrei gegessen wird?

Bei der Zöliakie kann es durchaus passieren, dass die Laktose nach einer gewissen Karenzzeit wieder vertragen wird. Hundertprozentig sicher ist es allerdings nicht, denn es ist auch möglich, dass ein Patient sowohl eine Zöliakie als auch eine altersbedingte oder ethnienbedingte Laktoseintoleranz hat.

Gibt es, abgesehen von der Meidung von Laktose, eine Möglichkeit, die Beschwerden der Laktoseintoleranz zu verhindern?

Es gibt Laktase-Enzympräparate in Tablettenform, die in Apotheken und in Drogeriemärkten erhältlich sind. Diese Tabletten sollte man genau parallel zu den laktosehaltigen Speisen einnehmen, zum Beispiel genau zur Mousse au Chocolat zum Dessert. Im Nachgang eingenommen, wirken die Enzympräparate nicht mehr ausreichend und es kommt trotzdem zu Unverträglichkeitssymptomen. Zu beachten ist hierbei allerdings die Dosierung. Man sollte im Vorfeld eines Essens im Restaurant oder anderen wichtigen Essenssituationen zu Hause ausprobieren, welche Dosis die richtige ist, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.

Haben diese Laktase-Enzympräparate auch Nebenwirkungen, insbesondere dann, wenn man sehr viele Laktase-Tabletten einnimmt?

Aus meiner Erfahrung haben Laktasepräparate keine Nebenwirkungen, da sie nur die vorhandene Laktose abbauen. Wenn keine Laktose mehr vorhanden ist, kann auch keine mehr abgebaut werden. Auch in wissenschaftlichen Studien wurde bisher nicht über Nebenwirkungen bei Überdosierung berichtet. Es kann sein, dass die genannten Beschwerden nach einem Genuss von laktosehaltigen Speisen verschwinden, das kann daran liegen, das nicht ausreichend Laktaseenzyme genommen wurde oder die Laktaseenzyme nicht ausreichend Zeit hatten, im Magen ihre Wirkung zu entfalten. In diesen Fällen würde ich empfehlen, die Dosierung entsprechend anzupassen.

Wie erfolgt die Diagnose bei der Laktoseintoleranz?

Die Diagnose sollte auf jeden Fall mit einem H2-Atemtest gestellt werden. Die Patienten bekommen eine Flüssigkeit zu trinken, die eine definierte Menge an Milchzucker enthält. Danach müssen sie ihre Ausatemluft mittels Schlauch in ein Gerät pusten, dass den Wasserstoffgehalt im Atem feststellt. Wasserstoff im Darm entsteht nur dann, wenn Laktose unverdaut in untere Darmabschnitte gelangt. Bei ca. 10 Prozent der Laktoseintoleranten funktioniert dieser H2-Atemtest jedoch nicht, weil Sie keinen Wasserstoff im Darm bilden. Wir nennen diese Menschen H2-Non-Producer. Um diese Menschen zu identifizieren, wird ein H2-Atemtest mit Laktulose durchgeführt.

Kann eine sekundäre Laktoseintoleranz wieder verschwinden bzw. ist sie heilbar?

Nach einer gewissen Zeit kann man versuchen, ob die individuelle Laktosetoleranzschwelle nach oben verschoben werden kann und eine größere Menge Laktose wieder verträglich ist. Oft ist bei den Patienten der Anlass eine Einladung oder Außerhausmahlzeit, bei der dann festgestellt wird, dass eine kleine oder größere Menge laktosehaltige Sahne auf dem Obstkuchen plötzlich verträglich ist. Nach und nach traut der Patient sich dann mehr zu und testet so seine individuelle Laktose-Toleranzgrenze. Ob die sekundäre Laktoseintoleranz wieder vollständig verschwindet, ist individuell sehr unterschiedlich.

Besteht auch bei der Laktoseintoleranz die Therapie in der Meidung von Laktose?

Im Prinzip ist die Meidung der Laktose bei Laktoseintoleranz die erste Wahl. Wurde eine Laktoseunverträglichkeit frisch diagnostiziert, würde man zunächst eine 14-tägige Karenzphase einleiten, um den Patienten beschwerdefrei zu bekommen. Danach würde man versuchen, den Kostaufbau einzuleiten. Das könnte mit laktosereduzierten Produkten versucht werden. Allerdings sollte man hier aufpassen, denn die sogenannten "laktosefreien" Produkte sind alle nicht wirklich frei von Laktose, sondern lediglich laktosereduziert. Es gibt empfindliche Patienten, die auch auf die minimalen Laktosemengen in den "laktosefreien Produkten" noch unverträglich reagieren. Eine andere Möglichkeit wäre es, den Einstieg über Produkte zu versuchen, die natürlicherweise wenig Laktose enthalten. Dazu gehören lange gereifte Käsesorten wie Emmentaler oder Parmesan.

Wie sieht der Ernährungsplan bei Laktoseintoleranz nach der Karenzphase aus?

Werden diese Nahrungsmittel gut vertragen, wäre der nächste Schritt, Joghurt auszuprobieren und zwar "normalen" Joghurt mild, weil dieser in den lebenden Joghurtkulturen auch das Abbauenzym Laktase enthält. Von der Magensäure werden diese lebenden Joghurtkulturen abgetötet und der Joghurt bringt sein Abbauenzym Laktase praktisch selbst mit. Wichtig ist, dass man keinen probiotischen Joghurt nimmt, denn die probiotischen Joghurts sind ja gerade so entwickelt, dass die lebenden Joghurtkulturen durch die Magen- und Gallensäure eben nicht abgetötet werden und damit können sie das Enzym Laktase nicht freisetzen. Oft ist ein solcher normaler Joghurt nach einer gewissen Karenzphase auch bei Laktoseintoleranz wiederverträglich. Es gibt aber auch Patienten, bei denen das nicht so ist und die deshalb auf "laktosereduzierte/laktosefreie Milchprodukte" oder Alternativprodukte aus Soja, Lupine, Erbse, etc. ausweichen müssen. Bei den Alternativprodukten für Milchprodukte ist zu beachten, dass sie auch ausreichend Eiweiß und Calcium enthalten.

Ist die Einnahme des Enzyms Laktase ein Teil der Therapie?

Die Einnahme von Enzympräparaten ist eine gute Lösung für besondere Gelegenheiten. Aber es ist keine Lösung, die Einnahme dieser Präparate an Stelle einer laktosereduzierten Ernährung zu setzen. Weiter laktosehaltig essen wie bisher und einfach immer parallel Laktase-Tabletten einzunehmen, klappt in der Regel nicht. Es kommt dann häufig trotzdem zu Beschwerden.

Wichtig ist zum einen, eine gewisse Laktose-Karenzzeit einzuhalten und so den Magen-Darmtrakt komplett zu beruhigen, auch um die Schmerzachse zwischen Darm und Gehirn aufzulösen und das Schmerzgedächtnis des Darms einmal zu löschen. Ansonsten kann der Darm nämlich auch bei harmlosen Blähungen, wie sie nach dem Genuss von Zwiebeln, Kohl oder Hülsenfrüchten auftreten können, mit dem Schmerzsignal reagieren. Danach sollte man sich langsam an die individuell tolerierte Laktosemenge herantasten und nur in Ausnahmefällen auf die Enzymtabletten zurückgreifen.

Wie lange wirken Laktase Tabletten?

Die Laktasetabletten sollten in direkten Zusammenhang mit der laktosehaltigen Speise verzehrt werden, damit sie optimal wirken können. Es ist weder sinnvoll sie 1 Std. vor einem Abendessen einzunehmen, da sie dann noch nicht wirken können, noch sie erst 1 Std. nach einer laktosehaltigen Mahlzeit einzunehmen. Dann wirken sie in der Regel nicht optimal. Es gibt auch neuere spezielle Produkte mit einer längeren Wirksamkeit, die auch noch 2 Stunden nach der Einnahme wirksam sein sollen. Dies sollte immer individuell vorher ausgetestet werden.

Kann Laktoseintoleranz schlimmer werden?

Eine (sekundäre) Laktoseintoleranz kann sich verschlechtern, wenn zum Beispiel die Grunderkrankung voranschreitet. Also wenn es zum Beispiel zu einem erneuten Schub bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen kommt oder wenn das restliche natürliche Vermögen Laktasenzyme zu bilden sich alters- oder ethnienbedingt weiter reduziert.

Was passiert, wenn man die Laktoseintoleranz ignoriert?

Es ist zu vermuten, dass Menschen mit einer Laktoseintoleranz, die mittlere bis große Mengen Laktose zu sich nehmen vermehrt Symptome wie Blähungen, Völlegefühl, Bauchschmerzen und weicheren Stuhlgang bis Durchfall entwickeln. Neben diesen Beschwerden können regelmäßig weiche Stuhlgänge oder Durchfallepisoden zu einer verminderten Aufnahme von Nährstoffen und so zu einer Mangelernährung führen. 

Herr Meinhold, herzlichen Dank für dieses Interview!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

08. August 2023

Autor: S. Jossé/ C. Meinhold, www.mein-allergie-portal.com

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