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Zöliakie, Laktoseintoleranz & Fruktosemalabsorption

Zöliakie Laktoseintoleranz Fruktosemalabsorption
Häufigkeit und Ursachen von Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption bei Zöliakie! Bildquelle: S.Baas

Immer wieder berichten Menschen mit Zöliakie, dass sie auch beim Verzehr von Laktose bzw. Milchzucker Beschwerden haben. Auch bei Fruktose, also Fruchtzucker, bemerken Zöliakie-Betroffene immer wieder Symptome. Daraus ergibt sich die Frage, ob Zöliakie die Unverträglichkeiten Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption begünstigen könnte. MeinAllergiePortal sprach darüber mit Dr. Stephanie Baas, medizinische Beraterin der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) in Stuttgart.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Dr. Stephanie Baas

Frau Dr. Baas, wie häufig tritt eine Laktoseintoleranz im Zusammenhang mit Zöliakie auf?

Zum Vorkommen von Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption bei Zöliakie-Patienten gibt es nur wenige Zahlen. Eine Studie weist bei Diagnosestellung von Zöliakie 39 Prozent von Laktoseintoleranz betroffene Patienten aus. Bei Patienten unter glutenfreier Diät hat man 13 Prozent Laktoseintolerante festgestellt, was der primären Form der Laktoseintoleranz entspricht. In einer anderen Studie an Kindern kommt man mit 38 Prozent Betroffenen zu einem ähnlichen Ergebnis.1)

Eine italienische Studie, die das Auftreten von Zöliakie bei Menschen mit Laktoseintoleranz untersucht hat, ermittelte bei 24 Prozent der untersuchten Patienten mit Laktoseintoleranz auch eine Zöliakie.2) Eine weitere Studie untersuchte Patienten mit Zöliakie, bei denen sich die Symptome unter einer glutenfreien Ernährung nicht gebessert haben und fanden bei 8 Prozent der untersuchten Patienten auch eine Laktoseintoleranz.3) Man könnte also vermuten, dass die Laktoseintoleranz eher eine Folge der Zöliakie war, als umgekehrt. Ebenso könnte es sich um Patienten mit primärer Laktoseintoleranz handeln. Grundsätzlich sind in Deutschland ca. 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung von einer primären Laktoseintoleranz betroffen. Man kann davon ausgehen, dass dies unter Zöliakie-Patienten ähnlich ist.

Und wie häufig kommt es bei Zöliakie auch noch zu einer Fruktosemalabsorption?

Für die Fruktosemalabsorption gilt, dass in der westlichen Welt ca. 8 bis 15 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, sodass man auch bei von Zöliakie Betroffenen von ähnlichen Zahlen ausgehen kann. Eine gewisse Schnittmenge der Bevölkerung ist von allen drei Erkrankungen betroffen. Wenn bei Zöliakie-Patienten trotz glutenfreier Diät die Beschwerden nicht besser werden, sollte man überprüfen, oder eine Fruktosemalabsorption oder Laktoseintoleranz besteht.

Woran liegt es, dass bei Zöliakie eine Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption hinzukommen kann?

In der Dünndarmschleimhaut befinden sich Enzyme, die für die Verdauung von Nährstoffen wichtig sind. Außerdem sind dort wichtige Transportmechanismen lokalisiert. Durch die Zöliakie kommt es zu einer Schädigung der Dünndarmschleimhaut. Das führt dazu, dass die Enzyme und Transportmechanismen weniger gut funktionieren. Ursächlich dafür ist zum einen die durch den Abbau der Darmzotten reduzierte Schleimhautfläche des Dünndarms. Zum anderen führt auch die Entzündung dazu, dass die Darmschleimhaut weniger Enzyme und Transporter bilden kann. Gerade die Enzymproduktion der Laktase, des Enzyms, das für die Verdauung der Laktose sorgt, ist relativ anfällig für Störungen.

Warum kommt es bei Zöliakie eher zu einer Laktoseintoleranz?

Bereits nach schwereren Magen-Darm-Infekten, wie einer Rotavirus-Infektion oder einer anderen Virusenteritis beobachtet man häufig bei Kindern, dass sie vorübergehend Laktose schlechter verwerten können. Dann kommt es beim Verzehr von Milchprodukten zu Symptomen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte sekundäre Form der Laktoseunverträglichkeit, das heißt einer Laktoseintoleranz auf Grundlage einer anderen Erkrankung. Aber: Sobald sich die Dünndarmschleimhaut regeneriert hat, bilden sich auch die Symptome der Unverträglichkeit zurück und die Laktose wird wieder besser vertragen. Es gibt aber auch noch eine primäre Form der Laktoseintoleranz.

Was versteht man unter einer primären Laktoseintoleranz?

Die primäre Form der Laktoseintoleranz ist genetisch bedingt und kann in verschiedenen Ausprägungen vorliegen. Bestimmte Allele, also Varianten eines Gens, sind dafür verantwortlich, dass Milchzucker lebenslang vertragen oder eben nicht vertragen wird. Ca. 70 Prozent der Menschen weltweit vertragen Laktose nicht auf Dauer nicht, da das die Natur so nicht vorgesehen hat. Dann ist die Laktose in den ersten Lebensjahren verträglich und danach nimmt die Fähigkeit, Laktose zu verarbeiten, ab. In der Muttermilch ist die Laktose das einzige Kohlenhydrat. Daher ist der Säugling darauf angewiesen, dass zunächst über die Stillzeit Laktose gut aufgenommen werden kann.

Wann ist die Zöliakie der Grund für eine Fruktosemalabsorption?

Bei der Fruktosemalabsorption kommt es dadurch zu Unverträglichkeitssymptomen, dass der für die Verdauung von Fruktose zuständige Transporter entweder nicht funktioniert oder in zu geringer Zahl in der Darmschleimhaut vorhanden ist. Auch bei der Fruktosemalabsorption können genetische Ursachen eine Rolle spielen.

Wann spielen bei der Fruktosemalabsorption genetische Ursachen eine Rolle und was bedeutet das?

Fruktose wird durch kleine Transportermoleküle durch die Schleimhaut ins Innere geschleust. Bei Mäusen konnten provozierte Defekte an diesen Transportern, GLUT2 und GLUT5, eine verminderte Aufnahme an Fruktose zeigen.4). Ob das beim Menschen auch ähnliche Auswirkungen hat, wenn genetische Veränderungen an den Transportern bestehen, ist bislang nicht gut untersucht.

Wie wird der Test auf Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption bei den Zöliakie-Patienten gemacht?

Die Diagnose der Laktoseintoleranz wird mit Hilfe des H2-Atemtests vorgenommen. Dabei trinkt der Patient eine laktosehaltige Flüssigkeit und man misst dann den Wasserstoffgehalt in der Ausatemluft. Wasserstoff in der Ausatemluft fällt bei Laktoseintoleranz vermehrt an, weil die Darmbakterien die unverarbeitete Laktose erst im Dickdarm abbauen. Findet man bei Tests steigende Wasserstoffwerte und kommt es zeitgleich zu Symptomen, ist die Diagnose gestellt und eine laktosearme Diät ist angeraten. Verbessern sich unter Diät die Beschwerden nicht, muss weiter nach der Ursache bzw. nach anderen Erkrankungen geforscht werden. Der Test auf Fruktosemalabsorption erfolgt auf die gleiche Weise, nur dass hier an Stelle der Laktose Fruktose gegeben wird.

Wäre es sinnvoll, bei Zöliakie auch ohne Beschwerden auf Laktose zu verzichten?

Manchmal wird bei Zöliakie von vornherein empfohlen, auf Laktose zu verzichten. Dies ist jedoch nicht sinnvoll, denn wie gesagt, hat nicht jeder Zöliakie-Patient auch eine Laktoseintoleranz. Der Verzicht auf Milchprodukte schränkt die Lebensmittelauswahl weiter ein und erschwert es auch, den Kalziumbedarf zu decken.

Wie unterscheiden sich die Symptome von Laktoseintoleranz und Fruktosemalabsorption von denen einer ungenügend behandelten Zöliakie?

Gerade die bei der Zöliakie häufigen Magen-Darm-Symptome findet man in ähnlicher Weise bei den Zuckerunverträglichkeiten. Anders als bei der Zöliakie sieht man Verstopfungen aber eher nicht, da die Anhäufung von Zuckern im Dickdarm zum Einströmen von Wasser führt und so kommt es tendenziell zu weicheren Stühlen.

Sie hatten in Bezug auf eine laktosefreie Diät einen möglichen Kalziummangel erwähnt, wie vermeidet man diesen, wenn man tatsächlich eine Laktoseintoleranz hat?

Es gibt für Laktoseintolerante eine Fülle von laktosefreien Produkten, die mit Kalzium angereichert sind, zum Beispiel Soja-, Reis- oder Mandeldrinks. Beim Mineralwasser sollte man kalziumreiche Wässer bevorzugen. Liegt der Kalziumgehalt über 400 mg pro Liter, kann man mit 1,5 bis 2 Litern am Tag den Tagesbedarf von ca. 800 mg gut decken. Zudem sind viele lang gereifte Käsesorten von Natur aus laktosefrei und werden von den meisten Menschen mit Laktoseintoleranz sehr gut vertragen. Nur bei sehr schweren Formen der Laktoseintoleranz vertragen Patienten auch geringe Laktosemengen nicht.

Und wie vermeidet man bei einer fruktosefreien Diät einen Vitaminmangel?

Zu Beginn der Behandlung einer Fruktosemalabsorption würde man eine sehr strenge fruktosearme Diät durchführen, um das Auftreten von Symptomen beim Patienten möglichst vollständig zu unterbinden. Nach einer gewissen Zeit, das heißt nach ca. 2 bis 4 Wochen, baut man aber wieder auf. Das bedeutet, man testet, wieviel Fruktose der Patient trotz Fruktosemalabsorption verträgt. Manche Patienten vertragen so gut wie keinen Fruchtzucker, andere sind deutlich toleranter. Die Verträglichkeit von Fruktose ist immer auch eine Frage der Menge. So wird man dem Patienten zu Beginn empfehlen, einen Apfel nicht auf einmal zu essen, sondern in drei bis vier Portionen über den Tag verteilt.

Was kann man essen, wenn man neben Zöliakie auch eine Fruktosemalabsorption hat?

Am besten ist es für Patienten mit Fruktosemalabsorption, den Ernährungsaufbau zusammen mit einer Ernährungsberatung anzugehen. Anders als bei der Laktoseintoleranz, bei der man Laktose meiden und Kalzium auf anderem Wege zu sich nehmen kann, sollte man bei Fruktosemalabsorption fruktosehaltige Nahrungsmittel nicht pauschal streichen. Damit der Patient möglichst viele Nährstoffe durch die Nahrungsmittel aufnehmen kann, sollte er die für ihn geeigneten Obst- und Gemüsesorten kennen und möglichst viele Nahrungsmittel essen.

Frau Dr. Baas, herzliche Dank für dieses Gespräch!

Quellen:

1) Roggero P, Ceccatelli MP, Volpe C, Donattini T, Giuliani MG, Lambri A, Tavani E, Careddu, Extent of lactose absorption in children with active celiac disease, J Pediatr Gastroenterol Nutr. 1989 Oct;9(3):290-4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2614614)

2) Ojetti V, Nucera G, Migneco A, Gabrielli M, Lauritano C, Danese S, Zocco MA, Nista EC, Cammarota G, De Lorenzo A, Gasbarrini G, Gasbarrini A, High prevalence of celiac disease in patients with lactose intolerance, Digestion. 2005;71(2):106-10. Epub 2005 Mar 16., https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15775678

3) Leffler DA, Dennis M, Hyett B, Kelly E, Schuppan D, Kelly CP, Etiologies and predictors of diagnosis in nonresponsive celiac disease, Clin Gastroenterol Hepatol. 2007 Apr;5(4):445-50. Epub 2007 Mar 26, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17382600

4) Karolin Ebert, Heiko Witt, Fructose malabsorption, Molecular and Cellular Pediatrics volume 3, Article number: 10 (2016), https://molcellped.springeropen.com/articles/10.1186/s40348-016-0035-9 

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

15. Mai 2023

Autor: S.Jossé/S.Baas, www.mein-allergie-portal.com

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