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Zöliakie & Diabetes: Gibt es einen Zusammenhang?

Zöliakie & Diabetes mellitus: Gibt es einen Zusammenhang?
Bekommt man bei Zöliakie auch eher Diabetes mellitus? Bildquelle: S. Baas

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und Zöliakie. Die Erkrankungen neigen dazu, zusammen aufzutreten. Wie häufig ist das? Was haben Diabetes und Zöliakie gemeinsam? Was sollte man über die Ernährung wissen, wenn man beides hat? MeinAllergiePortal sprach mit Frau Dr. Stephanie Baas, medizinische Beraterin der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) in Stuttgart.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Dr. Stephanie Baas

Frau Dr. Baas, wie häufig treten Zöliakie und Diabetes gemeinsam auf?

Unter den Diabetikern findet man 5 bis 8 Prozent Zöliakie–Patienten. Das ist also nicht ganz selten, dass man beide Erkrankungen zugleich hat.

Und was kommt zuerst, die Zöliakie oder Diabetes?

In den meisten Fällen macht sich zuerst Diabetes bemerkbar, dann erst die Zöliakie. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass sich die Zöliakie auch erst später entwickelt. Sie kann auch lange unbemerkt bestehen, so dass sie auch schon vor dem Diabetes entstanden sein kann, aber noch keine Beschwerden vorhanden waren.

Es gibt Diabetes Typ 1 und Diabetes Typ 2, bei welcher Diabetesform gibt es einen Zusammenhang mit Zöliakie?

Die Prozentangaben für das Auftreten von Diabetes und Zöliakie beziehen sich auf den Typ 1 Diabetes. Das ist der autoimmune Diabetes. Bei Diabetes vom Typ 2, der bei Übergewicht, als Insulinresistenz oder als Altersdiabetes auftreten kann, gibt es keine Assoziation zu bzw. keinen Zusammenhang mit Zöliakie. Dennoch kann auch ein übergewichtiger Zöliakiepatient einen Typ 2 Diabetes bekommen.

Was ist die Ursache dafür, dass es bei Typ 1 Diabetes häufig auch zu Zöliakie kommt?

Für die Verbindung von Typ 1 Diabetes und Zöliakie gibt es sehr gute Belege. Man weiß, dass hier ein sehr enger Zusammenhang besteht, weil die genetische Grundlage bei beiden Erkrankungen identisch ist. Menschen, die bestimmte Gene, wie das HLA DQ2 gekoppelt mit -DR 3 tragen, haben ein erhöhtes Risiko für beide Erkrankungen, sowohl Diabetes als auch Zöliakie. Deshalb rät man Typ 1-Diabetikern zu routinemäßigen Untersuchungen der Zöliakie-Antikörper. Zumindest bis zum 18 Lebensjahr sollten diese entsprechend der Leitlinie alle ein bis zwei Jahre getestet werden. Tritt der Diabetes bei Erwachsenen auf, sollte Zöliakie zumindest einmal durch einen Antikörper-Test abgeklärt werden.

Wie sicher ist es denn, dass der Diabetes meist zuerst da ist und dann erst die Zöliakie hinzukommt?

Man beobachtet diese zeitliche Abfolge, wie die Erkrankungen bei den Betroffenen festgestellt werden, gehäuft in dieser Reihenfolge. Daher gibt es dafür auch gut belegte Zahlen, wie oft also ein Diabetiker auch eine Zöliakie entwickelt. Da die andre Reihenfolge deutlich seltener auftritt, gibt es auch weniger Zahlen. Daher kann man dafür kaum Prozentwerte angeben, wie oft ein Diabetes beim Zöliakiepatienten noch eintritt.

Warum ist es nicht gut untersucht, ob auch zuerst die Zöliakie besteht und dann erst der Diabetes hinzukommt?

Eine Schwierigkeit bei der Frage, was zuerst da war, besteht darin, dass man nicht immer so genau erkennen und nachvollziehen kann, welche Erkrankung tatsächlich zuerst besteht. Autoimmundiabetes kommt dadurch zustande, dass über die Autoimmunreaktion sehr viel Gewebe, die Insulin-produzierende Zellen, zugrunde geht. Das macht sich dann an den typischen Symptomen relativ abrupt bemerkbar. Eine Zöliakie hingegen kann sehr lange existieren, bevor es zu einer Diagnose kommt. Dadurch kann es sein, dass bei einem Patienten zwar zuerst Diabetes diagnostiziert wird, obwohl die Zöliakie, die man dann in einem darauffolgenden Screening findet, lange vorher bestand. Der Patient muss die Zöliakie nicht unbedingt bemerkt haben, denn nicht immer haben Zöliakie-Patienten Beschwerden. Die Diagnose für Diabetes wäre in diesem Fall jedoch früher bekannt gewesen.

Woran erkennt man bei Zöliakie die Symptome eines Diabetes mellitus Typ 1?

Ein Typ-1 Diabetes macht sich klassischerweise durch vermehrtes Wasserlassen und dadurch wiederum vermehrtes Trinken, ungewollter deutlicher Gewichtsverlust und Leistungsabfall, Abgeschlagenheit sowie Müdigkeit bemerkbar. Auch Erbrechen, Übelkeit oder Bauchschmerzen können auftreten. Vor allem der häufige Toilettengang und der starke Durst sind ja nicht üblich bei Zöliakie und lassen sich daher gut abgrenzen.

Wie erkennt man bei Diabetes Typ 1 die Symptome einer Zöliakie?

Das kann schon deutlich schwieriger sein. Oftmals wird die Zöliakie durch die Routineuntersuchungen (Screening) festgestellt. Das heißt, man hat noch keine Symptome. Bei manchen können auch Blutzuckerunregelmäßigkeiten oder ein erhöhter Insulinbedarf auftreten, wenn die Kohlenhydrate schlechter oder ungleichmäßig resorbiert werden. Andere haben nun auch typischere Magen-Darm-Beschwerden oder andere Symptome, wie sie bei Zöliakie nun sehr vielfältig vorkommen können.

Kann es auch schon bei Kindern dazu kommen, dass Diabetes Typ 1 und Zöliakie gemeinsam auftreten?

Ja, der Typ1-Diabetes kommt ja meist bei Kindern oder Jugendlichen vor. Erwachsene sind deutlich seltener noch von einem Autoimmundiabetes betroffen. Und auch die Zöliakie ist mittlerweile dafür bekannt, dass sie sich eher im Kindesalter manifestiert. Da nun beides eher in der Zeit bis zum 18. Lebensjahr auftritt, sind die Routineuntersuchungen auch in dieser Zeit verstärkt und regelmäßig empfohlen. Bei Erwachsenen muss dann nur noch einmalig auf die Zöliakie untersucht werden.

Besteht bei Diabetes und Zöliakie auch das Risiko für weitere Erkrankungen?

Es gibt so genannte autoimmune polyendokrine Syndrome (APS). Dabei treten mehrere Autoimmunerkrankungen an verschiedenen hormonproduzierenden Organen auf. Das APS Typ 2 kann auch eine Zöliakie und eben den Diabetes beinhalten. Besonders häufig beobachtet man mit der Zöliakie die Kombination mit Diabetes und Hashimoto.

Kann es auch schon bei Kindern zu Diabetes Typ 1, Zöliakie und Hashimoto kommen?

Im Prinzip kann dies auch schon im Jugendalter sich entsprechend manifestieren. Das APS-Typ 2 ist eher beim Erwachsenen zu beobachten.

Wie häufig kommt es denn bei Diabetes mellitus Typ 1 zu weiteren Autoimmunerkrankungen?

Eine holländische Studie hat die Zusammenhänge zwischen Diabetes und anderen Autoimmunerkrankungen untersucht. Daraus geht hervor, dass ca. 5 bis 30 Prozent der Typ 1 Diabetes-Patienten autoimmune Schilddrüsenerkrankungen entwickeln. Dazu gehören Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow. Bei 5 bis 10 Prozent der Diabetiker kommt es zu einer chronischen Gastritis und/oder einer perniziösen Anämie. Bei 4 bis 9 Prozent der Diabetiker wird eine Zöliakie festgestellt, bei 0,5 Prozent kommt es zu Morbus Addison und bei 2 bis 10 Prozent der Patienten tritt Vitiligo auf, auch Weißfleckenkrankheit genannt.1)

Gibt es Dinge, auf die Diabetiker mit Zöliakie besonders achten müssen?

Die Symptome bzw. die mit der glutenfreien Ernährung einhergehenden Probleme sind bei Diabetikern mit Zöliakie die gleichen wie bei anderen Zöliakie-Patienten. Bei Diabetikern mit Zöliakie kann es aber vorkommen, dass der Diabetes vor der Zöliakie-Diagnose besser eingestellt war.

Warum kann sich nach der Diagnose einer Zöliakie, die Einstellung des Diabetes ändern?

Die glutenfreie Diät kann sich auf die diabetische Stoffwechsellage auswirken. Das liegt daran, dass die bei Zöliakie gestörte Darmschleimhaut eben auch die Kohlenhydrate aus der Nahrung nicht so gut aufgenommen hat. Erholt sich die Schleimhaut, verbessert sich auch die Kohlenhydrataufnahme. Dadurch kann es bei manchen zu einem erhöhten Insulinbedarf kommen. Gerade zu Beginn der glutenfreien Diät können die Zuckerwerte eines Diabetikers etwas schwanken. Bei anderen wird durch die bessere Resorption der Kohlenhydrate auch die Diabeteseinstellung besser.

Welche Konsequenzen hat es, wenn der Diabetes mellitus schlecht eingestellt ist?

Eine bei Diabetikern häufige Komplikation bei einer schlechten Einstellung des Blutzuckers sind Mikroangiopathien. Das sind Gefäßveränderungen der kleinen Blutgefäße. Dies kann zu einer Schädigung der Nieren oder Nerven (periphere Neuropathie) führen. Besteht zusätzlich zum Diabetes eine Zöliakie, von der die Erkrankten nichts wissen oder halten sie die glutenfreie Diät nicht gut ein, kommt es deutlich häufiger zu diesen Gefäßveränderungen. Gleiches gilt übrigens auch für die diabetische Retinopathie, also Schädigung der Netzhaut im Auge. Deshalb ist es für Diabetiker sehr wichtig zu wissen, ob sie auch eine Zöliakie haben. Eine frühzeitige glutenfreie Ernährung soll das Maß der Schädigung reduzieren.

Was raten Sie Diabetikern mit Zöliakie?

Die größte Herausforderung im Alltag liegt bei Diabetikern darin, eine gute glutenfreie Ernährung zu gestalten. Das liegt daran, dass sich die Ernährungsanforderungen der beiden Erkrankungen Diabetes und Zöliakie ein wenig „in die Quere kommen“.

Was ist die richtige Ernährung, wenn man beides hat, Diabetes und Zöliakie?

Bei Diabetes strebt man eine relativ gleichmäßige und langsame Resorption der Kohlenhydrate an der Schleimhaut an. Das soll gewährleisten, dass der Blutzuckerspiegel im Anschluss an eine Mahlzeit nicht so rasch ansteigt. Ein zu hoher Blutzuckerspiegel muss über eine Insulingabe abgefangen werden, sinkt dadurch stark ab. Das rasche Absinken führt zu verstärktem Hungergefühl. Eine Zufuhr von schnell verfügbaren Kohlenhydraten lässt den Blutzucker wieder ansteigen - ein Kreislauf beginnt. Insgesamt führt dieser Kreislauf immer wieder zu Ausschlägen des Blutzuckerspiegels und zu hohen Insulingaben. Man versucht also bei Diabetes, zu große Schwankungen zu vermeiden. Dabei helfen ballaststoffreiche Mahlzeiten, zum Beispiel mit Vollkornbrot, die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen. Glutenfreie Produkte sind aber meist eher arm an Ballaststoffen und die enthaltenen Kohlenhydrate werden dadurch schneller resorbiert. Dies kann man eventuell durch höhere Gaben an Fett und Eiweiß ausgleichen. Man muss aber aufpassen, dass dies keine negativen Auswirkungen auf das Gewicht hat. Diabetiker mit Zöliakie profitieren deshalb von der Beratung durch eine Ernährungsfachkraft.

Frau Dr. Baas, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Quellen:

1) Type 1 diabetes and autoimmune polyglandular syndrome: a clinical review, Van den Driessche A, Eenkhoorn V, Van Gaal L, De Block C., Neth J Med. 2009 Dec;67(11):376-87. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20009114/

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

12. September 2022

Autor: Sabine Jossé/ S.Baas, www.mein-allergie-portal.com

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