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Schlechte Leberwerte? Kann eine Zöliakie die Ursache sein?

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Prof. Dr. med. Wolfgang Holtmeier über erhöhte Leberwerte: Kann Zöliakie die Ursache sein?, Bildquelle: W. Holtmeier

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Zöliakie und schlechten, sprich erhöhten Leberwerten? Diese Frage stellen sich Zöliakie-Patienten immer wieder. MeinAllergiePortal sprach deshalb mit Prof. Dr. med. Wolfgang Holtmeier, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie, Diabetologie und Innere Medizin im Krankenhaus Porz am Rhein in Köln über erhöhte Leberwerte, Zöliakie und andere mögliche Ursachen.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Wolfgang Holtmeier

Herr Prof. Holtmeier, wie häufig kommt es vor, dass Menschen mit einer unentdeckten Zöliakie „hohe Leberwerte“ haben?

Konkrete Zahlen kann ich nicht nennen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Leberwerte aufgrund einer unentdeckten Zöliakie häufig erhöht sind. Dass aufgrund von erhöhten Leberwerten eine Zöliakie diagnostiziert wird, ist dagegen selten.

Wie kann es durch die Zöliakie zu erhöhten Leberwerten kommen?

Die Zöliakie ist auch eine systemische Erkrankung. Sie kann alle Organe befallen, nicht nur den Darm. Auch die Lunge, das Herz, die Gelenke und die Haut können betroffen sein. Aber eben auch die Leber kann bei Glutenunverträglichkeit in Mitleidenschaft gezogen werden. Man vermutet, dass das fehlgeleitete Immunsystem die Leber direkt angreift. Zusätzlich kann es durch die Malabsorption fast aller Nahrungsbestandteile zu einer indirekten Belastung der Leber kommen.

Was bedeuten schlechte, sprich „stark erhöhte Leberwerte“ bei Zöliakie?

Das kommt darauf an. Es gibt eine große Bandbreite im Zusammenhang mit Zöliakie und Leberwerten, die erhöht sind. Das bedeutet, die Leberwerte können nur ganz leicht erhöht sein. In äußerst seltenen Fällen ist aber auch ein Leberversagen möglich. Es sind Fälle beschrieben, die allerdings extrem selten sind, in denen Zöliakie-Patienten aufgrund eines Leberversagens auf die Intensivstation kamen.

Welche Symptome können bei Patienten mit erhöhten Leberwerten auftreten?

Auch wenn eine Zöliakie der Auslöser für die erhöhten Leberwerte ist, kann ein Patient völlig symptomfrei sein. Abgesehen von den genannten extremen Ausnahmen kommt es durch erhöhte Leberwerte nicht zu Beschwerden. Generell, und auch bei der Zöliakie, verursacht die Leber keine Schmerzen. Die erhöhten Leberwerte zeigen jedoch an, dass eine Störung vorliegt. Wenn die Leberwerte länger als sechs Monate erhöht sind, sollte die Ursache unbedingt systematisch abgeklärt werden. Es kommen viele Gründe in Frage

Sollten sich alle Patienten mit erhöhten Leberwerten auf Zöliakie testen lassen?

Wenn die Leberwerte chronisch erhöht sind, das heißt, länger als 6 Monate, dann sollten sich alle Patienten auch auf Zöliakie testen lassen. Das sollte eigentlich der Standard sein.

Welche Erkrankungen können die Ursache für erhöhte Leberwerte sein?

Es gibt unendlich viele Ursachen für chronisch erhöhte Leberwerte. Häufig ist Alkohol ein Grund für schlechte Leberwerte. Auch NASH, die nichtalkoholische Steatohepatitis, eine entzündlich veränderte Fettleber, kann die Ursache für hohe Leberwerte sein. Bei der NASH handelt es sich um eine Entzündung der Leber im Rahmen eines metabolischen Syndroms. Diese Patienten leiden oft auch unter Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht. Zusätzlich entwickeln sie dann die nichtalkoholische Steatohepatitis. Auch die Hepatitis B und die Hepatitis C sind häufige Ursachen dafür, dass die Leberwerte chronisch erhöht sind. Weniger häufig ist eine unentdeckte Zöliakie der Grund. Die Hämochromatose ist eine Stoffwechselerkrankung, die ebenfalls zu erhöhten Leberwerten führen kann, ebenso wie die Autoimmunhepatitis. Extrem seltene Ursachen für erhöhte Leberwerte, sogenannte „Kolibris“, sind Erkrankungen wie Morbus Wilson, primär sklerosierende Cholangitis oder eine primär biliäre Zirrhose (PBC).

Kann auch eine glutenfreie Ernährung die Ursache für die erhöhten Leberwerte sein?

Nein, solange eine ausgewogene Ernährung erfolgt und kein Übergewicht oder eine Mangelernährung vorliegt.

Können Kinder, die an Zöliakie leiden, auch schon erhöhte Leberwerte aufweisen?

Ja, das kann auch bei Kindern der Fall sein, und zwar bei der unentdeckten Zöliakie, vor der glutenfreien Diät.

Welche Tests sollten Patienten mit Verdacht auf Zöliakie und erhöhten Leberwerten machen?

Wenn ein Patient chronisch erhöhte Leberwerte hat, über einen Zeitraum von sechs Monaten, sollte er sich an einen Spezialisten wenden. Durch spezielle Laboruntersuchungen wird dann entsprechend der Erkrankungshäufigkeit systematisch abgeklärt, ob eine der genannten Erkrankungen die Ursache für die erhöhten Leberwerte ist. So würde man zunächst abklären, ob eine Hepatitis B oder eine Hepatitis C vorliegt.

In diesem Zusammenhang werden auch die IgA Transglutaminase Antikörper bestimmt, die recht genaue Ergebnisse liefern, um eine Zöliakie auszuschließen. Man muss nicht sofort eine Magenspiegelung bzw. Dünndarmbiopsie durchführen und Proben aus dem Duodenum entnehmen, um eine Zöliakie zu diagnostizieren. Je nach Ergebnis kann auch eine Biopsie der Leber und die Entnahme einer Gewebeprobe angeraten sein. Diese Untersuchungen gehören, bei entsprechend erfahrenen Ärzten, zum Standard.

Welche weiteren Blutwerte sind bei einer Zöliakie normalerweise erhöht oder verändert?

Bei einer unentdeckten Zöliakie können praktisch alle Laborwerte verändert sein. Dieses ist die Folge einer Malabsorption aller Nahrungsbestandteile. Nach Einhaltung der glutenfreien Ernährung kommt es in der Regel innerhalb von 6 Monaten zu einer Normalisierung aller Werte. Häufig ist insbesondere ein Eisenmangel, so dass der Ausschluß einer Zöliakie auch hier erfolgen sollte.

Wenn tatsächlich eine Zöliakie die Ursache für die schlechten Leberwerte ist, werden sie dann unter glutenfreier Kost besser?

Wenn die Diagnose Zöliakie gestellt ist und die Patienten sich glutenfrei ernähren, normalisieren sich die Leberwerte vollständig.

Was kann mit der Leber passieren passieren, wenn die Zöliakie dauerhaft unentdeckt bleibt?

In meiner Laufbahn hatte ich bisher nur einen Patienten, bei dem eine Leberfunktionsstörung als Leitsymptom einer Zöliakie auftrat und lange unerkannt blieb.1) In diesem Fall war durch die Leberbeteiligung auch die Blutgerinnung beeinträchtigt. Dies war die Folge der durch die Zöliakie verursachten Malabsorption und des dadurch ausgelösten Vitamin K-Mangels. Nach Durchführung einer glutenfreien Diät bildete sich die Malabsorption und die damit verbundene Blutgerinnungsstörung zurück. Die erhöhten Transaminasen normalisierten sich innerhalb von sechs Monaten. Im schlimmsten Fall hätte es zu einem Leberversagen kommen können, das sich an einer Gelbfärbung der Haut und dem Einbruch der Blutgerinnung zeigt, wie bei einer Hepatitis. Das wäre jedoch eine überaus seltene Ausnahme.

Was sollte man tun, wenn man Zöliakie hat, und es werden erhöhte Leberwerte festgestellt?

In aller Regel haben überhöhte Leberwerte aufgrund einer Zöliakie keine klinische Relevanz. Erhöhte Leberwerte sind eher als Begleitsymptom zu werten und es ergeben sich daraus auch in den allermeisten Fällen keine Schädigungen der Leber. Auch ist nicht bekannt, dass eine unentdeckte Zöliakie, die zu dauerhaft erhöhten Leberwerten führt, eine Leberzirrhose auslösen könnte. Sollten sich die Leberwerte jedoch nicht innerhalb von 6 Monaten normalisieren, so muss nach anderen Ursachen gefahndet werden. Bei Patienten mit einer Zöliakie können ja auch andere Lebererkrankungen vorliegen.

Gilt das auch dann, wenn ein Kind mit Zöliakie erhöhte Leberwerte hat?

Gleiches gilt auch für Kinder.

Herr Prof. Holtmeier, vielen Dank für das Interview.

Quellen:

1) W. P. Hofmann, C.F. Dietrich, W. Holtmeier, W.F. Caspary, S. Zeuzem, Leberfunktionsstörung als Leitsymptom einer einheimischen Sprue, Z Gastroenterol 2001; 39

2) Aktualisierte S2k-Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) Dezember 2021 – AWMF-Registernummer: 021-021 (Leitlinie-LL-Zöliakie_final_13.12.21.pdf (dgvs.de)

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

18. Mai 2022

Autor: S. Jossé/W. Holtmeier, www.mein-allergie-portal.com

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