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Schwellungen? Ist es ein Angioödem? Ursachen?

Schwellungen Angioödem
Schwellungen? Ist es ein Angioödem? Ursachen? Bildquelle: P.Staubach

Eine Schwellung, etwa im Gesicht, den Armen, Beinen, Händen oder Füßen, kann viele Ursachen haben. Zu Schwellungen kommt es jedoch auch bei bestimmten Hauterkrankungen, zum Beispiel beim sogenannten Angioödem, das durch unterschiedliche Auslöser entstehen kann. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Petra Staubach über Schwellungen, mögliche Ursachen und ob ein Angioödem der Grund sein könnte. Prof. Staubach ist Dermatologin an der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz und zuständig für alle entzündlichen Dermatosen, die Kindersprechstunde und die dazugehörige klinische Forschung.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Petra Staubach 

Frau Prof. Staubach, wann spricht man von einer „Schwellung“, wann von einem Angioödem und wann von Quaddeln?

Zunächst zur Schwellung: Eine Schwellung beschreibt lediglich die Volumenzunahme eines Organs, das heißt wenn sich ein Gewebe ausdehnt. Hier gibt es verschiedene Ursachen, wie etwas bei Tumoren oder Einflussstauungen. Hinweise auf eine mögliche Ursache gibt hierbei die Lokalisation und/oder die Geschwindigkeit, mit der die Schwellung voranschreitet.

Wann ist eine Schwellung ein Angioödem?

Ein Angioödem ist eine rasch auftretende, lokalisierte Schwellung der Haut bzw. der Schleimhaut und der darunter liegenden Schichten (Subkutis oder Submukosa). Ein Angioödem beruht auf einer plötzlichen Erhöhung der Permeabilität, d.h. Durchlässigkeit, der Gefäßwände. Ein Angioödem wurde früher auch als Quincke-Ödem bezeichnet und dauert je nach Subtyp in der Regel weniger als 5 Tage-7 Tage an.

Und wann hat man Quaddeln?

Quaddeln, oder auch Urtikaria (von lat. Urtica = Brennnessel), Quaddelsucht, Nesselsucht oder Nesselfieber genannt, bezeichnen ein akutes oder chronisches Auftreten von über das Hautniveau hinausragenden rötlichen juckenden Hautveränderungen, sogenannten Quaddeln verschiedener Größe, von stecknadelkopfgroß bis handtellergroß, . An bestimmten Hautarealen sind die Hautveränderungen tiefer liegend und diese werden dann Angioödeme genannt. Der Name Urtikaria kommt von der Brennnessel, der Urtica, weil die Haut aussieht, als sei man in eine Brennnessel gefallen.

Was ist die Ursache für Angioödeme?

Es gibt unterschiedliche Formen von Angioödemen mit unterschiedlichen Ursachen. Die häufigste Untergruppe der Angioödeme sind die Mastzellmediatior-assoziierten Angioödeme, die in der Regel nie länger als 2 bis 3 Tage anhalten. Weiter gibt es die nicht-mastzellmediator-assoziierte Gruppe der Angioödeme, die bis zu 5 bis 7 Tage anhaltend können. Dazu zählen die Bradykinin-induzierten Angioödeme, die vererbt werden können, zum Beispiel das Hereditäre Angioödem (HAE). Darüber hinaus gibt es die erworbenen Formen des Angioödems wie zum Beispiel durch Medikamente ausgelöst. Hier ist der prominenteste Vertreter die Gruppe der ACE-Hemmer

Was ist ein Mastzellmediator-assoziiertes Angioödem?

Beim Mastzellmediator-assoziierten Angioödem werden Mastzellen, die wir im Körper unter anderem in der Haut und den Schleimhäuten haben, geärgert. In der Folge setzen die Mastzellen viele Botenstoffe frei, unter anderem Histamin. Das Histamin ist die Ursache für die Symptome in Form von Quaddeln an fast allen Körperstellen auftretend und/oder Angioödemen, nur an bestimmten Regionen wie Hand- und Fußrücken, Genital- oder Gesichtsbereich, Rötungen und Juckreiz. Das klinische Bild „Quaddel“ und „Schwellung“ unterscheidet sich, aber die Mechanismen sind die gleichen.

Bei Mastzellmediator-assoziierten Angioödemen und Quaddeln helfen Medikamente wie Antihistaminika, manchmal auch hochdosiert, und, in Notfällen, bei schweren, akuten Attacken, auch mal kurzzeitig systemisches Kortison. 

Was ist ein nicht Mastzellmediator-assoziiertes Angioödem?

Zur Gruppe der nicht Mastzellmediator-assoziierten Angioödeme zählen die Bradykinin-induzierten Angioödeme, die vererbt werden können, zum Beispiel das Hereditäre Angioödem (HAE). Darüber hinaus gibt es die erworbenen Formen des Angioödems.

Wie sehen bei nicht-Mastzellmediator-assoziierten Angioödemen die Symptome aus?

Die nicht-Mastzellmediator-assoziierten Angioödeme dauern mehr als zwei Tage an: Nahezu alle Patienten - vorwiegend bei den vererbten Formen – haben auch Magen-Darm-Attacken. Das bedeutet, bei den nicht-Mastzellmediator-assoziierten Angioödemen sind zusätzlich die inneren Organe betroffen. Bei den meisten vererbten Angioödemen fehlt ein Komplementfaktor zum Beispiel C1 oder C4 im Blut.

Weiterhin sind Medikamente wie ACE-Hemmer als Auslöser der erworbenen nicht-Mastellmediator-assoziierten Angioödeme zu nennen. Das tückische ist hier, dass die Angioödeme nicht nach der ersten Einnahme einer solchen Tablette, sondern erst viel später auftreten können. Auf jeden Fall sind die Medikamente dann sofort abzusetzen. Manchmal dauert es Wochen, bis die Angioödeme dann nicht mehr auftreten.

Was hilft bei nicht Mastzellmediator-assoziierten Angioödemen?

Wie man sich vorstellen kann, hilft bei den nicht Mastzellmediator-assoziierten Angioödemen weder ein Antihistaminikum noch Kortison. Es gibt aber, je nach Ursache bzw. Trigger, andere Therapieoptionen. Entweder man kann bei den vererbten Angioödemen den Faktor injizieren, der den Patienten fehlt oder aber man kann über die Bradykininschiene Therapieoptionen anbieten, zum Beispiel mit einem sogenannten Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonisten, der dann off-label eingesetzt werden müsste. 

Es gibt aber noch eine weitere Gruppe von Angioödemen, über die wir noch nicht so viel wissen, die sogenannten „idiopathischen Angioödeme“.

Kann man am klinischen Bild der Angioödeme die Ursache erkennen?

Allein aufgrund des klinischen Bildes die Ursache für die Angioödeme zu erkennen ist schwierig. Erst aufgrund der Angaben der Patienten bei der sogenannten Anamnese klärt sich das Bild.

Hinweise auf nicht Mastzellmediator-assoziiertes Angioödem könnten sein, wenn die Patienten berichten, dass:

  • die Angioödeme stets länger als drei bis vier Tage auftreten
  • sie häufig sich auch im  Magen-Darm-Bereich bemerkbar machen  
  • mit einem ausgeprägten Krankheitsgefühl einhergehen
  • die Erkrankung weder auf Antihistaminika noch auf Kortison anspricht

Diese Gruppe der Angioödeme ist jedoch seltener. Eine wichtige Frage bei der Anamnese ist jedoch auch die Frage, welche Medikamente der Patient einnimmt.

Welche Rolle spielen Medikamente beim Auftreten von Angioödemen?

Wir wissen mittlerweile, dass ACE-Hemmer, bestimmte Blutdruck-Medikamente, Bradykinin-induzierte Angioödeme auslösen können. Häufig treten diese nicht Mastzellmediator-assoziierten Angioödeme nur im Gesicht auf, und es kann auch zu Angioödemen an der Zunge und an den Lippen kommen. Aber es kommt so gut wie nie zu Magen-Darm-Attacken.

Oft wundern sich die Patienten dann und berichten, dass sie ein bestimmtes Blutdruck-Medikament schon seit langem einnehmen und in letzter Zeit keine neuen Medikamente eingenommen haben. Es ist typisch, dass ACE-Hemmer über Monate und Jahre eingenommen werden können, ohne dass es zu Symptomen kommt, und dennoch können sich plötzlich Angioödeme entwickeln. Beim Absetzen dauert es dann auch manchmal einige Wochen, bis die Schwellungen völlig sistieren, das heißt zum Stillstand kommen.

Gibt es Alternativen zu ACE-Hemmern, wenn das die Ursache für Angioödeme ist?

Natürlich gibt es gerade in Europa unzählige Alternativen, zum Beispiel Kalziumantagonisten, und deshalb empfiehlt sich eine Umstellung. Dies muss mit dem behandelnden Kardiologen oder Internisten abgestimmt werden. Wichtig ist dabei, nicht auf benachbarte Wirkstoffgruppen zuzugreifen, die ebenfalls Angioödeme auslösen könnten. Wir empfehlen in diesen Fällen eine Ausschlussliste mit Medikamenten, auf die man nicht umstellen sollte, beispielsweise andere ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten. Welches Medikament dann letztendlich für den jeweiligen Patienten geeignet ist, muss der Spezialist entscheiden.

Welche anderen Arten von Schwellungen können auftreten?

Es gibt eine ganze Reihe von Schwellungen, die harmlos sind und diese können überall dort auftreten, wo es zu einer Volumenzunahme kommen kann.

Was können die Gründe für diese Schwellungen sein?

Schwellungen können aus verschiedenen Gründen auftreten, ein Beispiel sind Schwellungen, die von Insektenstichen verursacht wurden. 

Generell kann eine Volumenzunahme aufgrund einer Verengung des Abflusses in den nachfolgenden Gebieten zu Schwellungen führen, etwa durch eine Thrombose oder Embolie, wobei es hier zur langsamen Zunahme des Gewebes kommt. Auch durch Gewebevermehrung bei Tumoren kann es durch eine Abflussstauung zu Schwellungen an Armen und Beinen kommen.

Es gibt aber auch Schwellungen, die durch einen Infekt nach einer Verletzung verursacht werden, d.h. es kommt zu einer Entzündung. Durch die infizierte Wunde sammelt sich Wasser an, d.h. eine Schwellung, die meist überwärmt ist, rot wird, weh tut und gegebenenfalls auch mit Fieber einhergehen kann. Es handelt sich dann um eine Wundrose, auch Erysipel genannt. Schwellungen, die aufgrund einer Wundrose oder Stauung entstanden sind, halten länger als 3 bis 4 Tage an.

Darmentzündung auf und sollte nicht als solche bezeichnet werden. Das Reizdarmsyndrom ist eine Funktionsstörung des Darmes ohne eine nachweisbare Entzündungsreaktion.

Was sollte man über die Therapieoptionen bzw. die Behandlung von Angioödemen wissen?

Zur Therapie eines Angioödems ist es wichtig, zunächst die Ursache zu bestimmen und in eine der drei genannten Kategorien einzuordnen. Ein Mastzellmediator-assoziiertes Angioödem wird, wie gesagt, mit Antihistaminika und/oder Kortison behandelt, während ein Bradykinin-vermitteltes Angioödem niemals auf diese Medikamente ansprechen würde. Eine Schwellung im Halsbereich kann bis zum Erstickungstod führen.  Es ist unverzichtbar die Ursache für die Schwellungen, d.h. den Pathomechanismus zu erkennen, damit man entsprechend schnell erfolgreich behandeln kann.

Wann sollte der Patient bei Schwellungen einen Arzt aufsuchen und welchen?

Es hängt von der Lokalisation der Schwellungen ab, wie dringend ein Arztbesuch ist. Wenn z.B. der Handrücken erstmals von einer kleinen Schwellung betroffen ist, ist der unmittelbare Gang zum Arzt zur Therapie vielleicht noch nicht angezeigt aber die Abklärung, warum man die Symptome bekommt, sollte immer erfolgen. Ist der Hals- oder Kopfbereich betroffen, ist beim ersten Auftreten eines Angioödems als Notfall ein Arzt aufzusuchen, zur weiteren Abklärung gegebenenfalls auch danach in einem Spezialzentrum für Angioödeme. Hier kann ein Dermatologe bzw. Allergologe helfen. Bei diagnostizierten Angioödemen ist es grundsätzlich wichtig, eine Notfallmedikation zu Hause zu haben.

Frau Prof. Staubach, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

26. Juni 2023

Autor: S. Jossé/P. Staubach, www.mein-allergie-portal.com

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