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Reizdarm - SIBO - Dünndarm-Fehlbesiedlung

Dünndarm-Fehlbesiedlung SIBO Reizdarm
Dünndarm-Fehlbesiedlung - SIBO bei Reizdarm: Wie kommt es dazu? Bildquelle: M.Storr

Bei einer Form des Reizdarmsyndroms kommt es im Dünndarm zu SIBO (Small Intestinal Bacterial Overgrowth), einer bakteriellen Fehlbesiedlung. Was ist mit Fehlbesiedlung genau gemeint? Wie kann es dazu kommen? Wie sehen bei SIBO die Symptome aus, auch im Vergleich zum Reizdarm? Und wie weist man eine Fehlbesiedlung nach und welche Rolle spielt dabei das Mikrobiom? Darüber sprach MeinAllergiePortal mit Prof. Dr. med. Martin Storr, Gastroenterologe am Gesundheitszentrum Starnberger See (MVZ).

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Martin Storr

Herr Prof. Storr, was genau versteht man unter Mikrobiom?

Unter Mikrobiom versteht man eine Lebensgemeinschaft von Bakterien, die den Körper an unterschiedlichen Stellen besiedeln. So gibt es zum Beispiel ein Mikrobiom der Haut, der Lunge und des Darmes.

Was weiß man über das Mikrobiom des Darmes?

Das Darmmikrobiom ist das größte Mikrobiom und lange ging man davon aus, dass dessen Bakterienanzahl mit einem Verhältnis von 10 zu 1 deutlich größer sei als die Anzahl unserer Körperzellen. Heute weiß man, dass das Verhältnis von Darmmikrobiom-Bakterien zu Körperzellen etwa 1 zu 1 ist. Dabei ist wichtig zu wissen: Man spricht zwar generell vom Darmmikrobiom, wenn vom Mikrobiom des Magen-Darm-Traktes die Rede ist, aber damit fasst man ganz unterschiedliche Bakteriengemeinschaften in unterschiedlichen Abschnitten des Gastrointestinaltraktes zusammen. So gibt es ein Mikrobiom der Speiseröhre, des Magens, des Zwölffingerdarms, des vorderen und des hinteren Teils des Dünndarms und auch der unterschiedlichen Dickdarm-Abschnitte. Jeder genannte Teil des Verdauungstraktes ist von Bakteriengemeinschaften in ganz unterschiedlicher Besetzung besiedelt, es gibt hier also mehrere Mikrobiome.

Wovon hängt es ab, wie sich das Mikrobiom zusammensetzt, bzw. wie die jeweiligen Bakteriengemeinschaften aussehen?

Die Zusammensetzung des Mikrobioms hängt sowohl von intrinsischen als auch von extrinsischen Faktoren ab.

Körpereigene Faktoren, die die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen, sind:

  • Sauerstoffgehalt
  • Säuregehalt
  • Vorhandensein von Schleim
  • Vorhandensein von Sekret
  • Körpereigene Abwehrstoffe

Umweltfaktoren, die die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen, sind:

  • Noxen
  • Ernährung
  • Medikamente, zum Beispiel Antibiotika
  • Nahrungsergänzungsmittel
  • Lifestyle
  • Hygiene

Überwiegen negative Einflüsse auf die Bakterienzusammensetzung des Darmmikrobioms, kann das zu einer ganzen Reihe von Krankheitsbildern führen, wie:

  • SIBO (Small Intestinal Bacterial Overgrowth), eine Fehlbesiedlung des Darms durch Bakterien
  • SIFO (Small Intestinal Fungal Overgrowth), eine Fehlbesiedlung des Darmes durch Pilze
  • Leaky Gut oder löchriger Darm
  • Chronische Entzündungen
  • Metabolische Dysfunktion

Was versteht man unter SIBO oder Fehlbesiedlung des Dünndarms?

Eine bakterielle Dünndarm Fehlbesiedlung bezeichnet die Überwucherung des Dünndarms mit Bakterien. Dies können körpereigene Bakterien sein, die in zu hoher Zahl auftreten, aber auch fremde Bakterien.

Wie entsteht SIBO, wie kommt es im Dünndarm zu einer übermäßigen Besiedlung mit Bakterien?

Verschiedene Einflüsse können dazu führen, dass es zu einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms kommt. Teilweise können diese auch die Ursache für eine häufig wiederkehrende SIBO sein, so dass bei der Beseitigung dieser Grunderkrankungen angesetzt werden muss.

Mögliche Ursachen für eine Fehlbesiedlung des Dünndarms sind unter anderem:

  • Krankheiten, die den Schutz schwächen und eine SIBO begünstigen, zum Beispiel chronische Pankreatitis
  • Störungen des bakteriellen Gleichgewichts durch Medikamente, zum Beispiel Antibiotika oder PPI
  • Externe Faktoren, wie Diät, Medikation, Lebensstil, Stress, Alkohol, Wohnort
  • Interne Faktoren wie Genetik
  • Dysmotilität und chronische Pankreatitis
  • Reizdarm
  • Abnorme Anatomie, zum Beispiel nach Operationen, bei Dünndarmdivertikeln oder bei Strikturen
  • Abnorme Dünndarmmotilität, zum Beispiel bei Diabetes mellitus oder Morbus Crohn

Die häufigsten Ursachen für eine SIBO sind jedoch Antibiotika, Säureblocker und Probiotika.

Wie können denn Probiotika die Ursache für SIBO sein?

Probiotika sind keine Lutschdrops, die man einfach nach Gutdünken einnehmen kann. Sie sollten nur gezielt und nur in Absprache mit einem Arzt eingesetzt werden, wobei es auch auf die richtige Auswahl des Bakterienstamms ankommt. Wichtig ist medizinisch wirksame Präparate zu verwenden, die in Studien geprüft wurden. Einfach irgendwelche Produkte ohne Sinn und Verstand, da raten medizinische Behandlungsleitlinien nicht dazu und aufgrund der Nebenwirkungen ist das auch als gefährlich anzusehen.

In einer Studie an Patienten, die über Symptome wie Blähungen und Benebelungsgefühl klagten und Probiotika einnahmen, verbesserte sich das Krankheitsbild nach Absetzen der Probiotika und einer SIBO-Antibiose in 77 Prozent der Fälle. Das bedeutet, wahllos Probiotika, vor allem unverkapselte schaden mehr als sie nutzen und verursachen eine Art Dünndarmfehlbesiedelung.

Welche Symptome entstehen durch eine Dünndarmfehlbesiedlung bzw. SIBO?

Im besten Falle besteht zwar eine bakterielle Fehlbesiedlung, aber die Patienten sind symptomlos oder haben nur minimale Symptome. Ansonsten entsprechen die Symptome bei SIBO denen eines Reizdarms, und bei Reizdarm-Patienten ist eine SIBO ausgesprochen häufig anzutreffen.

Typische SIBO-Symptome sind:

Symptome einer schweren SIBO sind:

  • Mangelernährung
  • Voluminöse Stühle
  • Gewichtsverlust
  • Appetitverlust
  • Fehlverdauung
  • Arthritis
  • Bei Kindern: Wachstumsverzögerung
  • Selten Symptome sind Vitamin A-, B12-, Vitamin D- oder Kalzium-Mangel, was sich zeigen kann in peripherer Neuropathie, Tetanie, Osteomalazie, Nachtblindheit.

Gibt es einen Test auf SIBO?

Im ersten Schritt würde zur Diagnose einer SIBO die Anamnese erfolgen, gefolgt von verschiedenen Laboruntersuchungen, um die häufigsten Erkrankungen auszuschließen.
Wichtig zum Ausschluss gefährlicher Erkrankungen bei Bauchbeschwerden ist eine Koloskopie, eine Dickdarmspiegelung. Bei Frauen sollte eine gynäkologische Untersuchung erfolgen, da manche gynäkologischen Erkrankungen ebenfalls ähnliche Beschwerden hervorrufen können. All diese Erkrankungen müssen zu Beginn ausgeschlossen werden.

Kommt man hier zu keinem Ergebnis, kann SIBO bzw. eine Dünndarmfehlbesiedlung mit einem einfachen Glucose-Atemtest nachgewiesen werden. Nachweisbar ist eine Fehlbesiedlung auch im Jejunalsaft, dem Dünndarmsaft, aber dieser aufwendige Test auf eine Fehlbesiedlung des Darmes wird nur in ganz bestimmten Fällen oder im Rahmen von Studien durchgeführt.

Bei alledem gilt, dass positive Testergebnisse auf SIBO auch mit Symptomen einhergehen müssen, um medizinisch relevant zu sein und eine Behandlung zu erfordern. Eine Fehlbesiedlung des Darmes mit Bakterien, die keine Symptome auslöst, muss auch nicht behandelt werden.

Was ist von Stuhlanalysen zur Diagnose einer Dünndarmfehlbesiedlung zu halten?

Stuhlanalysen jeglicher Art sind zur Diagnose einer SIBO nicht geeignet. Das liegt daran, dass diese Stuhltests die Bakterien des Dickdarms analysieren, nicht die des Dünndarms, auf die es ja bei der Dünndarmfehlbesiedlung ankommt. Unabhängig davon wird von Stuhl-Mikrobiomanalysen medizinisch abgeraten.

Wenn es nicht SIBO ist, was kann es noch sein?

Die Differenzialdiagnose bei SIBO hängt von der Symptomatik ab. Geht man vom Blähbauch, dem häufigsten Symptom bei SIBO aus, kommen viele Ursachen in Frage, die nichts mit SIBO zu tun haben.

Ein Blähbauch kann unter anderem folgende Ursachen haben:

  • Ernährung
  • Medikamente
  • SIFO
  • Motilitätsveränderung
  • Mikrobiomveränderung/Dysbiose
  • Viszerale Hypersensitivität
  • Beckenbodendyssynergie
  • Abnorme viszeromotorische Reflexe

Wie wird SIBO behandelt?

Gibt es eine organische Ursache für die SIBO, ist die Behandlung der Grunderkrankung, eventuell chirurgisch, die erste Wahl. Im zweiten Schritt würde man eine antibiotische Therapie der Fehlbesiedelung durchführen. Dabei handelt es sich nicht um die gleichen Antibiotika, die eine SIBO auslösen können. Begleitend sollte die Ernährung so gestaltet sein, dass sie eine natürliche Darmflora unterstützt. Das kann zum einen über das Essverhalten erreicht werden. Das bedeutet, man sollte nicht ständig Snacken, sondern drei bis vier Hauptmahlzeiten einnehmen und in der Zwischenzeit nichts essen, damit der Dünndarm seinen Selbstreinigungsprozess durchführen kann. Zum anderen kann man das bakterielle Darmmillieu durch die Wahl der richtigen Nahrungsmittel positiv beeinflussen, zum Beispiel durch eine FODMAP-arme und zuckerreduzierte Ernährung. Besteht aufgrund der Dünndarmfehlbesiedlung bereits ein Malabsorptionssyndrom, müssen die jeweiligen Mangelzustände ausgeglichen werden.

Was ist unter Selbstreinigungsprozess des Dünndarms zu verstehen?

Die regelmäßige Reinigung ist ein sehr wichtiger Vorgang zum Erhalt einer gesunden Darmflora. Man nennt das medizinisch MMC für Migrating Motor Complex, oder deutsch Migrierender Motorischer Komplex. Dieser Reinigungsvorgang beginnt dann, wenn der Magen leer ist und gibt dem Darm die Möglichkeit zur Reinigung und Erholung. Jede Nahrungsaufnahme, auch der Snack zwischendurch, unterbricht diesen Prozess und sollte deshalb vermieden werden. Diese Prozesse sind sehr spannend und wer sich wirklich für seinen Körper und seine Gesundheit interessiert sollte mal ein Sachbuch zu Verdauung lesen. Den meisten Menschen ist Ihre Gesundheit aber dann doch nicht so wichtig.

Wie sieht eine FODMAP-arme Ernährung aus?

Bei einer FODMAP-armen Ernährung lässt man die Nahrungsmittel weg, die den unerwünschten Darmbakterien als Nahrung dienen, man hungert sie quasi aus. Mit der FODMAP-Diät muss man sich zunächst vertraut machen, um die richtige Auswahl an Nahrungsmitteln treffen zu können, aber das lernt man schnell. Sehr gute Erfolge erzielen Patienten, die dabei von einer auf FODMAP-arme Ernährung spezialisierten Ernährungsfachkraft unterstützt werden. Es gibt auch viele Bücher zur FODMAP-Diät, hier sollte man auf eine medizinisch korrekte Quelle achten.

  

Lebensmittel mit sehr hohem FODMAP Anteil
Getreide Weizen, Roggen
Gemüse Zwiebeln, Lauch, Knoblauch, Blumenkohl, Pilze
Obst Apfel, Birne, Trockenfrüchte, Steinobst, Wassermelone, Säfte, Fruktose generell reduzieren
Molkereiprodukte Milch, Joghurt
Fleischalternativen Hülsenfrüchte
Polyole Sorbitol…
Quelle: Prof. Dr. med. Storr, MeinAllergiePortal DigiPat praxis "Durchfall, Blähungen, Reizdarm? SIBO & FODMAP", 28.2.2024

 

Außerdem verhelfen auch fermentierte Lebensmittel zu einem gesunden Darmmikrobiom. Zu den fermentierten Lebensmitteln gehören zum Beispiel Joghurt, Kefir, Sauerteigbrot, Kimchi, Sauerkraut, Kombucha und Salami.

Herr Prof. Storr, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

07. März 2024

Autor: S. Jossé/M. Storr, www.mein-allergie-portal.com

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