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Kneipp bei Neurodermitis: So helfen kalte Güsse!

Kneipp'sche Therapieverfahren Neurodermitis
Kneipp'sche Therapieverfahren bei Neurodermitis: So helfen sie! Bild: C. Hentschel

Bei „Kneipp“ denken viele zuerst ans Wassertreten und weniger an die Therapie von Neurodermitis. Hinter den Kneipp'schen Therapieverfahren steckt jedoch mehr als nur Gefäßtraining durch kaltes Wasser. Insbesondere bei Neurodermitis bieten die Kneipp'schen Therapieverfahren zahlreiche Möglichkeiten, die Neurodermitis-Symptome zu lindern, zu, Beispiel durch kalte Güsse, oder den Allgemeinzustand der Haut grundsätzlich zu verbessern. MeinAllergiePortal sprach mit Dr. med. Christian Hentschel, Allergologe, Psychotherapeut, Allgemeinmediziner und Experte für Naturheilverfahren in Düsseldorf über diese nur wenig bekannte Behandlung der atopischen Dermatitis.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Dr. med. Christian Hentschel

Herr Dr. Hentschel, was gehört zu den Kneipp’schen Therapieverfahren?

Kneipp’sche Therapieverfahren sind klassische Naturheilverfahren, die mit den naturgegebenen Wirkungen der folgenden Elemente arbeiten:

  • Wasser
  • Licht
  • Heilpflanzen
  • Bewegung
  • Luft
  • Ernährung

Wie helfen Kneipp’sche Therapieverfahren bei Neurodermitis?

Sehr hilfreich für Neurodermitiker sind z.B. regelmäßige Saunagänge, die zum Bereich „Wasser“ gehören. Das Saunieren gehört zu den Kneipp’schen Therapieverfahren und ist ein ausgesprochen gutes Gefäßtraining. Durch das Gefäßtraining ziehen sich die Gefäße zusammen und die übermäßige Durchblutung der atopischen Haut wird reguliert, das haben auch Studien gezeigt.

Was ist ein Kneippguss und wie wendet man ihn an?

Güsse werden meist mit kaltem Wasser durchgeführt. Dabei werden häufig die Extremitäten behandelt. Die Behandlung beginnt seitlich unten, zum Beispiel am Fuß und wird dann langsam mit einem Wasserstrahl bis zum Oberschenkel vollzogen und dann abwärts auf der gegenüberliegenden Seite. Dies fördert reaktiv die Durchblutung.

Hilft kaltes Wasser auch bei Neurodermitis im Gesicht?

Ja, Güsse können auch im Gesicht durchgeführt werden. Sie werden von außen nach innen durchgeführt.

Was sollte man beachten, wenn man nach Kneip zur Behandlung der Neurodermitis in die Sauna gehen will?

Wichtig ist dabei, dass jeder Saunagang mit einer kalten Dusche abgeschlossen wird, sonst werden die Gefäße nicht trainiert. In einer schwedischen Studie zum Zusammenhang von Sauna und Erkältungserkrankungen wurde eindeutig ermittelt, dass nicht allein der Saunagang, sondern nur das kalte Duschen wichtig ist. Es braucht das Wechselbad zwischen Wärme und Kälte, denn das hat den Effekt, die Gefäße zu trainieren. Es gibt auch immunologische Untersuchungen, die die positiven Effekte des Wechsels zwischen warm und kalt nachgewiesen haben.

Zum „Wasser“ gehören nach Kneipp aber auch auch die Bädertherapien und die Einbeziehung von „Licht“.

Wie wendet man bei Neurodermitis nach Kneipp Bädertherapien bzw. Lichttherapien an?

In unserer Praxis führen wir bei Neurodermitis z.B. Bädertherapien mit Nachtkerzenöl durch. Generell empfehlen sich bei Neurodermitis Ölbäder oder Solebäder. Ein Beispiel für kombinierte Sole- und Lichtbäder ist die Bädertherapie am Toten Meer. Das Wasser des Toten Meeres ist eher „ölig“ und enthält nicht Natriumchlorid, sondern Magnesiumchlorid. Nach dem Bad gehen die Patienten, ohne zu Duschen, direkt in die Sonne und eine Lichttherapie schließt sich an. Dabei profitieren die Patienten von einer speziellen Art von UV-Strahlen, die daher kommen dass das Tote Meer 400 Meter unter dem Meeresspiegel liegt.

Wie helfen Kneipp’sche Therapieverfahren bei Neurodermitis im Bereich Heilpflanzen?

Im Bereich der Heilpflanzen sind bei Neurodermitis Pflegeprodukte mit Nachtkerzenöl, die man topisch, also auf der Haut, anwendet, sehr wirkungsvoll. Weiter gibt es zur Behandlung von Neurodermitis die Dulcamara, auch Bittersüß oder Bittersüßer Nachtschatten genannt, oder Hamamelis, eine zugelassene und verordnungsfähige Heilpflanze, die beruhigt, gerbt und die antientzündlich und adstringierend, d.h. zusammenziehend, wirkt.

Die Kamille würde ich zur Behandlung von neurodermitischer Haut nicht empfehlen, da sie durch ihre Inhaltsstoffe reizen kann. Insbesondere am Auge sollte die Kamille auf keinen Fall angewendet werden.

Ein weiteres Beispiel wäre die Eichenrinde, die Gerbstoffe enthält. Kleingeschnitten und ausgekocht entsteht ein Sud, den man zum Beispiel bei einem allergischen Handekzem zum Baden nutzen kann. Eichenrinde gerbt die Haut und die nässenden, offenen Stellen können sich schließen.

Bis auf die Eichenrinde sind die genannten Heilpflanzen auch in Form von guten Fertigpräparaten erhältlich – man muss also zuhause kein „Pflanzenlabor“ aufbauen.

Wichtig ist, dass es sich um ein Präparat handelt, das in den Arzneimittelbüchern gelistet ist. Nur so kann man sicher sein, dass die gewünschten Inhaltsstoffe auch tatsächlich in dem Präparat enthalten sind.

Was versteht man im Zusammenhang mit den Kneipp’schen Therapieverfahren unter der Bewegungstherapie? Was sollten Neurodermitiker wissen?

Es gibt Studien, die belegen, dass regelmäßiger Sport bei Neurodermitikern hervorragende positive Effekte hat. Dies liegt zum einen an der durch Sport verbesserten Durchblutung und zum anderen an immunologischen Prozessen, die durch die Bewegung ausgelöst werden.

Sie erwähnten, dass zu den Kneipp’schen Therapieverfahren neben dem Licht auch die Luft gehört…

Man weiß, dass das Hochgebirgsklima, z.B. in Davos, oder auch das Seeklima, sehr positive Wirkungen bei Allergikern haben, insbesondere bei der Neurodermitis. Im Hochgebirge, ab einer Höhe von 1650 Metern, gibt es z.B. so gut wie keine Hausstaubmilben mehr. Auch die dort herrschende natürliche UV-Bestrahlung wirkt bei Neurodermitikern hervorragend, solange man es nicht übertreibt.

Am Meer hingegen findet man aufgrund des Windes weniger Hausstaubmilben und Pollen in der Luft. Auch der Salzgehalt der Luft wirkt sich positiv auf neurodermitische Haut aus.

Was wäre denn bei Neurodermitis das richtige Maß für die UV-Bestrahlung?

Das richtige Maß ist auch bei Neurodermitikern eher eine Frage des Hauttyps. Dunkle Hauttypen vertragen grundsätzlich mehr UV-Licht als helle. Deshalb richtet sich die empfohlene Dauer der UV-Bestrahlung nach dem Hauttyp. Auf jeden Fall sollten Neurodermitis-Patienten das Thema vor einem Aufenthalt im Hochgebirge oder auch am Meer mit ihrem Allergologen besprechen, der anhand von speziellen Tabellen individuell verträgliche Bestrahlungszeiten empfehlen kann.

Das heißt eine UV-Bestrahlung ist bei Neurodermitis auch ohne Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor sinnvoll?

Wenn man eine Bestrahlungstherapie im Hochgebirge oder am Meer durchführt, sollte man für den täglich empfohlenen Bestrahlungszeitraum tatsächlich keine Cremes mit Lichtschutzfaktor auftragen. Der Lichtschutzfaktor sorgt ja gerade dafür, dass das UV-Licht nicht an die Haut gelangt. Nach den Sonnenzeiten sollte man dann aber wieder Sonnenschutzprodukte oder Sunblocker verwenden.

Ist die Lichttherapie ausschließlich an der See und im Hochgebirge möglich, oder kann man sie auch im Solarium durchführen?

Nein, auf keinen Fall sollten Neurodermitis-Patienten Bestrahlungstherapien auf eigene Faust im Solarium durchführen. Für Bestrahlungstherapien sollte man sich an einen Dermatologen wenden. Dafür benötigt man spezielle Geräte, bei denen sich Bestrahlungsdauer und -intensität exakt dosieren lassen. Auch die Art der Bestrahlung, also entweder UV-A, UV-B oder UV-C lässt sich bei diesen Geräten einstellen.

Man muss jedoch nicht in den Urlaub fahren, um eine Lichttherapie nach Kneipp zu machen. In Absprache mit dem Arzt geht das auch zuhause, wenn die Sonne scheint.

Und welche Rolle spielt die Ernährung bei den Kneipp’schen Therapieverfahren?

Bei der Ernährung wäre es wichtig, eventuell bestehende Kreuzallergien zu beachten. Viele Neurodermitiker leiden ja auch unter Heuschnupfen und beim Heuschnupfen ist die Birkenpollenallergie eine häufige Pollenallergie. Birkenpollenallergiker reagieren häufig auch auf bestimmte Obstsorten wie Äpfel bzw. den Früchten der Rosengewächse. Dies sollte man bei der Ernährung beachten.

Für Allergiker spielen jedoch auch die Zusatzstoffe eine besondere Rolle. Auf Lebensmittel mit Aromen, Konservierungsmittel, Farbstoffe und Säuren, wie sie z.B. häufig in den gängigen Softdrinks vorkommen, sollte man bei Neurodermitis möglichst verzichten. Ich beobachte immer wieder, dass Kinder mit Neurodermitis, die hohe Mengen an Softdrinks konsumieren, eine sehr schlechte Haut haben. Besser ist eine Ernährung mit einem ausgeglichenen Säure-Basen-Verhältnis.

Wie oft und wie lange kann man Kneipp’sche Therapieverfahren durchführen und wann tritt die Wirkung ein?

Kneipp`sche Therapieverfahren sollten in Serien im Sinne einer Kur durchgeführt werden. Sie eignen sich allerdings auch zur vorbeugenden Anwendung. Die Wirkung tritt etwas verzögert ein. Frühestens nach einer Woche zeigen sich erste Verbesserungen, dafür halten die therapeutischen Effekte der Kneipp’schen Therapieverfahren aber auch länger an, als die der konventionellen Behandlungen.

Herr Dr. Hentschel, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

27. Dezember 2021

Autor: S.Jossé/C. Hentschel, www.mein-allergie-portal.com

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