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Plötzlich Neurodermitis bei Erwachsenen, oft unerkannt & unbehandelt

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Schwere Neurodermitis bei Erwachsenen? Häufig unerkannt und unbehandelt! Bildquelle: canva triocean, Alexander´s Images

Dass Neurodermitis, auch die schwere Form, sich auch plötzlich bei Erwachsenen manifestieren kann, wissen viele nicht. Deshalb bleibt sie viel zu häufig unerkannt und folglich auch unbehandelt. Sie kann mit 20, 30, 40 Jahren oder auch in noch höherem Alter auftreten, sogar mit schweren Symptomen. Welche Bedeutung hat Neurodermitis in zunehmendem Alter? Wie sehen die Therapieoptionen aus? In den letzten Jahren hat sich einiges getan in der Forschung rund um die Neurodermitis bei Erwachsenen, insbesondere im Hinblick auf vielversprechende Therapieoptionen.

Autor: Dr. med. Anna Eger

Neurodermitis – eine Erwachsenen-Erkrankung, auch in zunehmendem Alter?

Neurodermitis ist eine der häufigsten chronischen Haut-Erkrankungen im Kindesalter. Wenn man sich die epidemiologischen Daten ansieht, dann erfährt man, dass ca. 11 bis 20 Prozent der Neugeborenen zumindest vorübergehend an Neurodermitis erkranken. Das Risiko, eine atopische Dermatitis zu entwickeln, tragen vermutlich noch deutlich mehr in sich. Ein Großteil der Kinder verlieren ihre Symptome im Laufe ihres Lebens wieder, sodass im Erwachsenenalter nur noch ca. 2 bis 3 Prozent von Neurodermitis-Symptomen betroffen sind.

Schlummernde Neurodermitis – was ist das?

Das Erscheinungsbild und die Ausprägung sowie Lokalisation der Neurodermitis-Symptome kann sehr variabel sein und auch bei ein und demselben Patienten im Laufe des Lebens variieren. Im Prinzip kann man aber Neurodermitis am ganzen Körper bekommen. Bei vielen Kindern verschwinden die Symptome oft vor der Pubertät. Das heißt aber nicht, dass die Erkrankung tatsächlich verschwunden ist. Sie „schlummert“ sozusagen. Die genetische Veranlagung ändert sich ja nicht und unter bestimmten Umständen kann die Neurodermitis wieder aktiviert werden und die Symptome flammen wieder auf. Die genauen Mechanismen, die für dieses Phänomen verantwortlich sind, sind noch nicht vollständig bekannt und Gegenstand aktueller Forschungen.

Mögliche Anzeichen für eine „schlummernde“ Neurodermitis sind beispielsweise eine vermehrte Zeichnung der Handinnenfläche, eingerissene Mundwinkel oder Ohrläppchen oder trockene oder aufgeplatzte Haut an Fingerkuppen oder Zehenspitzen. Man spricht hierbei auch von einer Minimalform der Neurodermitis.

Wie teilt man die Neurodermitis in Altersgruppen ein?

Eine Klassifikation der Neurodermitis kann nach Alter in sechs Gruppen erfolgen:

  • Babys und Kleinkinder bis zum 2. Lebensjahr werden als very early onset-Gruppe bezeichnet.
  • Zwischen 2 und 6 Jahren wird von der early-onset-Gruppe gesprochen.
  • Juvenile onset bezeichnet man die Gruppe mit Kindern zwischen 6 und 12 Jahren.
  • Bei Auftreten der Symptome in der Pubertät spricht man von der adolescent onset – Gruppe.
  •  Late onset oder adult onset ist die Gruppe der zwischen 20 und 40 Jahren Erkrankten.
  • Schließlich bezeichnet man die Gruppe der Patienten, welche im Alter von über 65 Jahren Symptome entwickeln, als senile onset oder very late onset-Gruppe.

Wie häufig ist Neurodermitis im Erwachsenenalter?

Insgesamt konnte in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Anstieg der Prävalenz der Neurodermitis verzeichnet werden. Dies kann man zum einen auf die gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber dem Krankheitsbild, zum anderen aber auch auf veränderte Lebensumstände und den westlichen Lebensstil zurückführen. Bei Erwachsenen geben epidemiologische Studien die Häufigkeit der Neurodermitis bei Erwachsenen mit einer 1-Jahres-Prävalenz von 2 bis 4 Prozent an. Viele Erwachsene waren jahre- oder jahrzehntelang beschwerdefrei. Teilweise stellen sich Patienten erst mit 50, 60 Jahren oder älter mit Symptomen einer atopischen Dermatitis vor.

Neurodermitis bei älteren Erwachsenen – plötzlich entwickelt versus dauerhafte Symptome

Ein Teil der Neurodermitis-Patienten hat sein ganzes Leben lang mit den Symptomen zu kämpfen, da ist die Diagnose klar. Für Patienten jedoch, die scheinbar plötzlich im höheren Alter an Neurodermitis erkranken, ist es meistens nicht mehr nachvollziehbar, ob in der frühen Kindheit bereits Neurodermitis-Symptome vorlagen und die Diagnostik nicht so ganz eindeutig. Viele ältere Patienten, besonders ab dem 65. Lebensjahr, können sich nicht erinnern, jemals Neurodermitis-Symptome gehabt zu haben und die Eltern sind häufig bereits verstorben. Es gibt aber auch Neurodermitiker, die selbst oder deren Eltern von Ekzemen in der Kindheit berichten. Für diese Patientengruppe ist es also oftmals unbekannt, ob die Erkrankung wirklich erstmals auftritt oder reaktiviert wurde.

Was sind Triggerfaktoren, die zu einer Aktivierung einer „schlummernden“ Neurodermitis führen?

Genaue Aussagen dazu, welche Faktoren zur Reaktivierung der atopischen Dermatitis führen, können nach aktueller Forschungslage noch nicht getroffen werden. Es gibt jedoch verschiedene Hypothesen. Eine davon ist, dass hormonelle Einflüsse – zum Beispiel die Wechseljahre - eine Rolle spielen, so wie es auch bei der Psoriasis der Fall zu sein scheint. Eine weitere Hypothese geht davon aus, dass ungeeignete Hautpflege bei prädisponierten Patienten zu einer zusätzlichen Schwächung der Hautbarriere führt, welche im Alter sowieso schon abnimmt. Es gibt Studien, die an möglichen Triggerfaktoren forschen, um dieser Frage weiter auf den Grund zu gehen.

Wie sehen die Symptome bei Erwachsenen mit Neurodermitis im Vergleich zur kindlichen Form aus?

Das klinische Bild der Neurodermitis ändert sich im Laufe des Lebens. Während im Säuglingsalter die Ekzeme vor allem im Kopf-Hals-Bereich auftreten und häufig in Form von gelblich-weißen Schuppen, Bläschen oder nässenden, verkrustenden Ekzemen in Erscheinung treten, verändert sich das Ausbreitungsmuster im Kindergarten- und Grundschulalter hin zu einem sogenannten Beugeekzem, d.h. Kniekehlen, Ellenbogen und Handgelenke sind betroffen. Diese Beugeekzeme treten auch bei Jugendlichen und Erwachsenen auf. Hinzu kommen häufig Ekzeme im Bereich der Augenlider und am Hals. Eine besondere Variante der Neurodermitis beim Erwachsenen ist die pruriginöse Form mit juckenden Knötchen.

Welche Neurodermitis-Symptome weisen „jüngere“ Erwachsene im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf?

Erwachsene im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, also die „late-onset“-Gruppe, welche keine Neurodermitis-Symptome in der Kindheit angeben, verzeichnen oft eine milde Symptomatik mit Ekzemen besonders im Kopf-/ Halsbereich. Meistens handelt es sich um junge Frauen. Die late-onset-Neurodermitis ist in der Regel leicht behandelbar.

Gibt es spezielle Merkmale der Neurodermitis im höheren Erwachsenenalter, also ab 65 Jahren?

Über die Gruppe der „very-late-onset“-Neurodermitiker gibt es relativ wenige Daten. Dabei handelt es sich meist um massive Symptome, die ein schweres Krankheitsbild ergeben. Häufig ist die gesamte Haut der Patienten stark gerötet, schuppend und stark juckend, sodass die Patienten in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt sind. Im Gegensatz zur late-onset-Gruppe sind in der very-late-onset-Gruppe zu etwa 75 Prozent Männer betroffen.

Eine schwere Neurodermitis im Alter, die einerseits das Hautbild stark beeinträchtigt und andererseits so stark juckt, führt zu einer chronischen Belastung der Patienten, die sich natürlich auch auf die Psyche auswirken kann. Sogar von Depressionen, die sich verschlechtern oder neu entstehen, wird berichtet. Die Patienten leiden mitunter unter Schlafstörungen, welche sich wiederum negativ auf die psychische Verfassung auswirken kann. Es ist daher umso wichtiger, dass neue Therapieoptionen zur Verfügung stehen, um den Betroffenen helfen zu können.

Die Diagnose ist eher eine Ausschlussdiagnose, d.h. zunächst müssen andere Hauterkrankungen wie eine Psoriasis, eine Pityriasis, ein kutanes T-Zell-Lymphom oder eine Kontaktsensibilisierung ausgeschlossen werden.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es schon länger zur Behandlung schwerer Neurodermitis bei älteren Patienten über 65 Jahren?

Die Therapie der very-late-onset-Neurodermitis ist weitaus schwieriger als die der jüngeren Neurodermitiker. Das heißt, sie ist nicht mit einer topischen Therapie durch Cremes für die Haut beherrschbar, sondern benötigt eine systemische Behandlung mit Tabletten oder Spritzen. Ein möglicher Wirkstoff wäre Ciclosporin, ein Immunsuppressivum. Problematisch ist jedoch, dass die Anwendung von Ciclosporin aufgrund verschiedener Kontraindikationen, die sich bei älteren Patienten ergeben oder Wechselwirkungen mit Medikamenten, die die Patienten aufgrund anderer Erkrankungen einnehmen, oftmals nicht möglich ist. Andere Präparate wie Azathioprin oder Methotrexat sind nur off-label einsetzbar, d.h. sie sind nicht für diese Indikation zugelassen und die Therapie muss vom Arzt bei der Krankenkasse beantragt und begründet werden. Außerdem sind auch hier wieder verstärkt Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zu mit anderen Medikamenten zu erwarten. Eine Lichttherapie hat für diese schwere Form nur eine sehr begrenzte Wirkung. Die Therapieoptionen waren also eher begrenzt.

Wie behandelt man schwere Neurodermitis bei Erwachsenen mit neuen Therapieoptionen?

Seit September 2017 steht in Deutschland für Erwachsene das Biologikum Dupilumab zur Behandlung mittelschwerer oder schwerer Neurodermitis, die mit topischen Medikamenten nicht ausreichend behandelbar ist, als First-line-Therapie zur Verfügung. Man hat damit also bereits gute Erfahrungen gemacht. Dupilumab ist ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen die alpha-Kette des IL-4-Typ-I-Rezeptors und des IL-4/ IL-13-Typ-II-Rezeptors richtet und auf diese Weise die Wirkung zweier Schlüssel-Zytokine der atopischen Entzündung blockiert. In Studien konnte eine signifikante Verbesserung der Symptome und damit der Lebensqualität belegt werden. Auch Patienten, bei denen eine Ciclosporin-Anwendung nicht wirksam oder kontraindiziert ist, profitieren von Dupilumab. Es gibt weitere Biologika, die in Einzelfallberichten einen positiven Effekt auf schwere Neurodermitis-Symptome hatten. Jedoch besteht hierfür bisher keine Zulassung für die Indikation der Neurodermitis. Sie könnten daher allenfalls als off-label-Anwendung eingesetzt werden. Derzeit beschäftigt sich eine weitere vielversprechende Studie mit dem Biologikum Nemolizumab als mögliche Therapieoption.

Neben den monoklonalen Antikörpern gibt es inzwischen auch einen weiteren therapeutischen Ansatz aus der Gruppe der Biologika, sogenannte Januskinasehemmer oder JAK-Inhibitoren. Sie modulieren verschiedene Zytokine, die bei der Pathophysiologie der atopischen Dermatitis eine Rolle spielen. Baricitinib ist seit Oktober 2020 für die Behandlung der mittelschweren bis schweren Neurodermitis Erwachsener zugelassen, im August 2021 folgte Upadacitinib. Mit Abrocitinib gibt es seit Oktober 2021 schon ein weiteres Präparat. Die Januskinase-Inhibitoren können als Tablette eingenommen und unter Beachtung von Kontraindikationen, Wechselwirkungen und Überwachung der Nierenfunktion der Patienten zur systemischen Therapie eingesetzt werden.

Quellen

  • https://www.aerzteblatt.de/archiv/161077/Diagnostik-und-Stufentherapie-der-Neurodermitis
     
  • https://aerztezeitung.at/wp-content/uploads/2019/07/State_Neurodermitis_Jugendliche.pdf
     
  • https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/013_D_Dermatologische_Ges/013-
  • 027l_S2k_Neurodermitis_Aktualisierung-Systemtherapie_2021-05.pdf
     
  • https://www.amboss.com/de/wissen/Atopische_Dermatitis
     
  • https://www.daab.de/haut/neurodermitis/behandlung/neues-aus-der-forschung/
     
  • https://www.pharmazeutische-zeitung.de/neues-neurodermitis-medikament-zugelassen-130305/

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

16. Februar 2022

Autor: Dr. med. Anna Eger, www.mein-allergie-portal.com

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