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Systemische oder kutane Mastozytose?

Mastozytose: Ursachen, gefährliche Formen, Behandlung
Mastozytose: Welche Ursachen? Wie sieht die Symptomatik aus? Wie behandelt man sie? Was sind mögliche Risikofaktoren? Bildquelle: F. Siebenhaar

Die Mastozytose ist eine seltene Mastzellenkrankheit, die durch eine Vermehrung der Mastzellen im Gewebe gekennzeichnet ist. Man unterscheidet zwischen der systemischen Mastozytose und der kutanen Mastozytose. Über den Unterschied zwischen diesen Erkrankungen, sowie über Ursachen und neue Möglichkeiten der Behandlung sprach MeinAllergiePortal mit PD Dr. med. Frank Siebenhaar, Leiter der Hochschulambulanz Allergologie der Charité in Berlin.

 Autor: PD Dr. med. Frank Siebenhaar

Herr Privatdozent Siebenhaar, warum bekommt man Mastozytose?

Mastozytose als Gruppe von Erkrankungen beruht auf Mutationen, den KIT D816V-Mutationen. Diese Mutationen führen zu Veränderungen an Mastzellen und auch zu erhöhten Mastzell-Zahlen. Mastozytose ist damit eine genetisch bedingte, aber nicht vererbliche Erkrankung. In Einzelfällen ist bei Patienten mit Mastozytose keine Mutation nachweisbar. Hier sind die Ursachen bisher unbekannt. Risikofaktoren im Sinne von Umweltfaktoren, die das Auftreten oder den Verlauf einer Mastozytose verändern können, sind nicht bekannt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass sie relevant sind.

Unterscheiden sollte man zwei Arten von Mastozytose:

  1. Die systemische Mastozytose, bei der die Mastzellen gehäuft in inneren Organen und im Knochenmark auftreten.
  2. Die kutane Mastozytose, „Mastozytose der Haut“ oder Hautmastozytose, bei der ausschließlich die Haut betroffen ist. Kinder sind überwiegend von der Haut-Mastozytose betroffen.

Gibt es bei der Mastozytose unterschiedliche Schweregrade?

Die Beschwerden und das klinische Bild der verschiedenen Mastozytoseformen sind sehr unterschiedlich und davon abhängig, welche Mastozytoseform vorliegt. Es ist jedoch bekannt, dass schwere Mastozytoseformen durch andere Mutationen bedingt werden als leichte Mastozytoseformen.

Wie kommt es zu KIT D816V-Mutationen?

KIT D816V-Mutationen entstehen zufällig, wahrscheinlich im Zusammenhang mit den sich ständig teilenden Knochenmarkszellen. Dies dient dazu, neue Blutzellen und neue Mastzellen zu generieren, aber wenn sich Zellen teilen, wird dabei der komplette genetische Code kopiert. Dabei kann es zu Fehlern kommen, die die Zelle in der Regel reparieren kann. Sind die Fehler aber zu schwerwiegend, stirbt die Zelle ab oder es kommt zu einer permanenten Mutation wie bei der KIT D815V-Mutation und damit zu einer Mastozytose.

Ist eine Mastozytose eine Autoimmunerkrankung? 

Nein, die Mastozytose ist keine Autoimmunerkrankung, sondern eine myeloproliferative Erkrankung. Damit zählt sie zu den hämatologischen Erkrankungen, die ihren Ursprung im Knochenmark haben. Das gilt für 95 Prozent der Patienten mit kutaner oder indolenter systemischer Mastozytose. Die Mastozytose ist eine gutartige Myelon-neoplastische, myeloproliferative Erkrankung.

Was bedeutet die Myelon-neoplastische, myeloproliferative Erkrankung „Mastozytose“ für Betroffene?

Myeloproliferativ bedeutet, dass sich Zellen über das normale Maß hinaus vermehren. Das betrifft im Falle der Mastozytose die Mastzellen, die auch aus Stammzellen des Knochenmarks gebildet werden. Dabei kommt es zu sogenannten KIT D816V-Mutationen und diese führen dazu, dass sich die Zellen in allen Geweben, in denen sie normalerweise vorkommen, gutartig vermehren. Das kann in der Haut, im Gastrointestinaltrakt bzw. im Magen-Darm-Trakt oder auch in anderen Geweben der Fall sein.

Wie wirkt sich die bei Mastozytose übermäßige Vermehrung von Mastzellen im Gewebe aus?

Es gibt eine ganze Reihe von Patienten, die zwar eine erhöhte Anzahl von Mastzellen aufweisen, davon aber nicht viel merken. Unter Umständen bemerken sie lediglich die bei Mastozytose typischen Hautveränderungen in Form von rötlich bräunlichen Spots. Früher nannte man das „Urtikaria Pigmentosa“. Es kann aber auch zu weiteren Beschwerden kommen.

Warum kommt es bei Mastozytose durch die übermäßige Mastzell-Vermehrung zu Beschwerden?

Zu Beschwerden kommt es, zumindest bei der indolenten systemischen Mastozytose, nicht deswegen, weil die Zellen im Gewebe vermehrt sind. Vielmehr führt die übermäßige Mastzell-Vermehrung deshalb zu Problemen, weil Mastzellen sich durch eine ganze Reihe unterschiedlicher “Trigger” ärgern lassen. Wenn ein Mastozytose-Patient zu viele Mastzellen hat, können diese Trigger zu Beschwerden führen, während dies bei Menschen ohne Mastozytose unbemerkt bleibt. Man könnte die Mastozytose angesichts dieser Mechanismen durchaus als immunologische Erkrankung bezeichnen, auch wenn das nicht der offiziellen Definition entspricht. Auch die bei Mastozytose auftretenden Beschwerden haben sehr häufig Ähnlichkeit mit anderen allergologische Erkrankungen, und Mastzellen sind ja auch beteiligt an allergischen Reaktionen.

Wie sieht der Verlauf bei einer systemischen Mastozytose bei Erwachsenen aus? 

Bei der indolenten Mastozytose, die sich über Jahre entwickelt, nehmen zum Beispiel Hautveränderungen im Verlauf langsam, aber stetig zu. Auch die Tryptase im Blut, die ein Indikator für die Anzahl der Mastzellen im Körper darstellt, kann über die Jahre langsam ansteigen. Deshalb sieht man die Mastozytose heutzutage als eine chronische und sehr langsam progredierende Erkrankung. „Progredierend“ heißt, dass die Anzahl der Mastzellen im Körper über Jahre und Jahrzehnte langsam zunimmt, auch bei Erwachsenen. Die Erkrankung geht leider nicht mehr weg, zumindest nicht ohne Behandlung, denn heilen können wir Mastozytose noch nicht. Aber vielleicht ändert sich das in naher Zukunft, denn aktuell wird an neuen Medikamenten geforscht, die bei der KIT D816V-Mutation ansetzen.

Wie gefährlich ist eine Mastozytose, ist die Lebenserwartung eingeschränkt? 

Mastozytose ist nicht gefährlich und Patienten mit einer kutanen oder indolenten systemischen Mastozytose haben eine normale Lebenserwartung. Es gibt aber auch eine „fortgeschrittene systemische Mastozytose”, die sogenannte aggressive systemische Mastozytose oder auch die Mastzell-Leukämie oder das extrem seltene Mastozytose-Sarkom, ein solider bösartiger Mastzell-Tumor im Gewebe. Diese Formen sind sehr gefährlich und vergleichbar mit dem Verlauf anderer bösartiger hämatologischer Erkrankungen, wie zum Beispiel Leukämien. Es gibt auch eine Mastozytose-Leukämie, aber sie ist ebenfalls extrem selten. Zudem gibt es zum Beispiel auch die viel häufigere akute myeloische Leukämie. Diese Erkrankungen können tödlich sein, aber es kommt auch bei den Formen der fortgeschrittenen Mastozytose zu unterschiedlichen Verläufen. Schließlich unterscheiden sich die genetischen Veränderungen individuell. Manche Mutationen führen sehr schnell zu einer Verschlechterung der Erkrankung, bei anderen geht das langsamer. Mit der entsprechenden Therapie ist es aber möglich, die Erkrankung über viele Jahre stabil zu halten, so dass man gut damit leben kann.

Können die gefährlichen Formen der Mastozytose denn nach einer gutartigen Form der Mastozytose entstehen?

Nein, aus den gutartigen Formen, der kutanen und der indolenten systemischen Mastozytose, kann nicht irgendwann eine gefährliche Mastozytose-Form entstehen. Vielmehr besteht die Erkrankung bei Patienten mit fortgeschrittenen Formen der Mastozytose bereits von Anfang an.

Was weiß man über die Ursachen der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose?

Die fortgeschrittene systemische Mastozytose unterscheidet sich von den indolenten Formen dadurch, dass neben der KIT-Mutation in denselben Zellen auch noch andere Mutationen auftreten. Es handelt sich also um völlig andere Erkrankungen. Die KIT-Mutation macht die Mastzellen aggressiver. Sie expandieren dann in Organe, in denen sie normalerweise nicht vorkommen sollten, zum Beispiel in Leber und Milz. Dort behindert die massive Vermehrung der Mastzellen die Funktion der Organe, ähnlich wie bei einem Tumor.

Wie behandelt man eine fortgeschrittene systemische Mastozytose?

Glücklicherweise gibt es zur Behandlung der fortgeschrittenen systemische Mastozytose heutzutage neue Medikamente. Diese neueren Medikamente wirken vor allen Dingen bei den fortgeschrittenen Formen gut, indem sie die Mastzellen abtöten und das System entlasten. Dies bringt zwar noch keine Heilung, aber man kann die Mastozytose so für eine gewisse Zeit gut kontrollieren und dies ebnet den Weg zu wirksamen Folgetherapien. Bei den aggressiven Formen der Mastozytose und bei der Mastozytose-Leukämie, ist dann analog zu anderen hämatologischen Erkrankungen, eine Knochenmarktransplantation deutlich besser durchführbar. Dabei wird das erkrankte Knochenmark durch einen hochkomplizierten Prozess mit gesundem Knochenmark ersetzt.

Wie wirksam ist eine Knochenmarkstransplantation bei der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose?

Eine Knochenmarkstransplantation ist riskant und hat viele Nebenwirkungen. Sie kann aber bei bestimmten Patienten zu einer Heilung der Mastozytose führen. Das ist ein erheblicher therapeutischer Fortschritt, denn früher erkrankten viele Patienten an Mastozytose-Leukämie so schnell und so schwer, dass eine Knochenmarktransplantation gar nicht mehr möglich war. Wenn die Knochenmarktransplantation funktioniert, hat der Patient eine gute Lebenserwartung. Aber: Eine Knochenmarkstransplantation ist die Ultima Ratio und nicht für die Behandlung der einfachen Mastozytose-Formen geeignet.

Wie zeigen sich bei Mastozytose die Symptome?

Sie Mastozytose-Symptome unterscheiden sich, je nachdem, ob eine systemische oder eine kutane Mastozytose vorliegt.

Eine systemische Mastozytose kann sich durch diese Symptome bemerkbar machen:

  • Magen-Darm Probleme
  • Knochen und Muskelschmerzen
  • Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit
  • Herz-Kreislauf-Symptome bis hin zu Anaphylaxie

Bei der kutanen Mastozytose klagen die Betroffenen über Symptome wie:

  • Hautveränderungen
  • Schwellungen
  • Rötungen
  • Juckreiz
  • Hitzegefühl

Was triggert die Mastozytose, gibt es typische Auslöser?

Die Mastozytose ist durch das Auftreten von Beschwerden gekennzeichnet, die durch die Aktivierung von Mastzellen ausgelöst werden. Bekannte Mastzellaktivatoren wie Allergene oder stressassoziierte Peptide sind deshalb bekannte Risikofaktoren für das Auftreten solcher Beschwerden.

Auch äußere Reize, die auf die Haut auftreffen, können zu einer Aktivierung von Mastzellen führen, zum Beispiel:

  • Kälte
  • Wärme
  • Temperaturschwankungen
  • Sonnenlicht
  • Reibung
  • Druck

Auch Stress ist ein gut bekannter Auslöser von Mastozytose-Beschwerden. Wenn Patienten die Auslöser ihrer Mastozytose-Beschwerden benennen können, sind das meist nur wenige Ursache, oft auch nur eine. Dann raten wir unseren Patienten, diesen relevanten Faktor im täglichen Leben so weit wie möglich zu vermeiden.

Reagieren alle Mastozytose-Patienten gleichermaßen auf diese Trigger?

Das Auftreten von Beschwerden und die Relevanz von auslösenden Faktoren sind individuell sehr unterschiedlich. Nicht alle bekannten Trigger treten auch bei allen Mastozytose-Patienten auf. Im Gegenteil, bei vielen Patienten werden die Mastozytose-Symptome nicht durch spezifische Auslöser hervorgerufen, sondern es kommt spontan zu den für Mastozytose typischen Beschwerden. Es kann aber auch durch Arzneimittel zu Mastozytose kommen.

Welche Arzneimittel können einen Mastozytose-Schub auslösen?

Zu den stärksten bekannten auslösenden Signalen für das Auftreten von Mastozytose-Beschwerden gehören die folgenden Medikamente:

  • nicht-steroidale Antiphlogistika
  • Mastzell-aktivierende Substanzen wie Narkotika oder Kontrastmittel

Sie nannten die Allergene als Trigger, welche Rolle spielen Allergien bei der Mastozytose? 

Allergien spielen bei der Mastozytose gar keine Rolle, denn eine Mastozytose entwickelt sich nicht aufgrund von Allergien, auch wenn bei beiden Erkrankungen die Mastzellen beteiligt sind. Aber: Statistisch gesehen diagnostiziert man bei Mastozytose-Patienten Allergien häufiger als bei nicht an Mastozytose Erkrankten. Das liegt daran, dass es bei Mastozytose-Patienten deutlich häufiger zu schwereren Reaktionen kommt. Allergien fallen deshalb bei diesen Patienten schneller auf. Zusätzlich werden Patienten mit Mastozytose auch häufiger auf Allergien getestet, um das Risiko einer lebensgefährlichen Situation auszuschließen. Gefährlich wird es dann, wenn eine Mastozytose in Kombination mit Allergien, insbesondere Insektengiftallergien, auftritt.

Was passiert, wenn man eine Mastozytose und gleichzeitig eine Allergie hat?

Die Kombination einer Mastozytose mit einer Allergie verstärkt das Problem, insbesondere bei einer Allergie auf Insektengift, das ist die häufigste und gefährlichste Kombination. Beides entsteht zufällig und bei manchen Patienten kommt es eben zu beiden Erkrankungen. Wird ein Insektengift-allergischer Mastozytose-Patient von einer Biene oder Wespe gestochen, kommt es aufgrund der Antikörper gegen Insektengift zu einer allergischen Reaktion und der Ausschüttung von Mastzellen. Dadurch werden weitere Mastzellen aktiviert, die dann wiederum weitere Allergie-Botenstoffe aktivieren. So steigt das Risiko für schwere allergische Reaktionen bzw. für eine Anaphylaxie. Patienten, bei denen eine Mastozytose und eine Allergie auf Bienengift oder Wespengift besteht, müssen mit einer Hyposensibilisierung gegen Insektengift behandelt werden. Durch die langsame Gewöhnung an dieses Insektengift kommt es bei einem Insektenstich nicht mehr zum Auftreten schwerer allergischer Reaktionen. Aber: Nicht bei allen Allergien ist eine Hyposensibilisierung möglich, dazu gehören zum Beispiel die Nahrungsmittelallergien.

Gibt es Mastozytose-Formen, bei denen es häufig zu einer Kombination mit einer Allergie auf Insektengift kommt?

Man geht davon aus, dass eine Insektengiftallergie bei allen Mastozytose-Formen auftreten kann. Am häufigsten findet man die Kombination mit einer Insektengiftallergie aber bei der indolenten systemischen Mastozytose. Ein Grund dafür könnte sein, dass eine Insektengift-Allergie nicht im Kindesalter auftritt, sondern sich im Laufe des Lebens entwickelt. Somit kommt bei Erwachsenen beides zusammen, sowohl die Allergien auf Bienengift oder Wespengift als auch die indolente systemische Mastozytose.

Was raten Sie Patienten mit Mastozytose und Nahrungsmittelallergien?

Für Patienten mit Mastozytose und Nahrungsmittelallergie steht – abgesehen von einer relativ neuen oralen Therapie gegen Erdnuss - eine Hyposensibilisierung nicht zur Verfügung. Das bedeutet, die Patienten müssen das betreffende Nahrungsmittel meiden und sie müssen im Umgang mit dem Allergen geschult werden. Dazu gehört zum Beispiel auch für das richtige Lesen der Zutatenlisten. Darüber hinaus werden alle Patienten mit nachgewiesenen Allergien auf Nahrungsmittel mit Notfallmedikamenten ausgestattet. Zu den Notfallmedikamenten gehört auch ein Adrenalin-Pen, den man sich selbst verabreichen kann. Adrenalin ist das Mittel der Wahl bei der schweren allergischen Reaktion und wirkt einem Kreislaufversagen entgegen, so lange, bis der Notarzt kommt und die Therapie fortsetzt. Zur Sicherheit statten wir all unsere erwachsenen Mastozytose-Patienten mit diagnostizierter Allergie auf Nahrungsmittel mit diesen Notfallmedikamenten aus, auch wenn sie noch keinen anaphylaktischen Schock erlebt haben.

Welche Medikamente bzw. Maßnahmen stehen aktuell zur Behandlung einer Mastozytose zur Verfügung?

Die Mastozytose ist nach wie vor nicht heilbar, aber bei den meisten Patienten lassen sich Beschwerden verhindern oder gut behandeln. Die häufigsten Beschwerden bei Mastozytose-Patienten entstehen an der Haut sowie im Gastrointestinaltrakt und an den Atemwegen. Zum Schutz vor Hautbeschwerden bei Mastozytose kann mit Antihistaminika gearbeitet werden. Bei vielen Patienten hat sich auch eine topische, das heißt eine Creme-Therapie mit Cromoglicinsäure bewährt. Cromoglicinsäure zum Einnehmen kann auch bei Darmbeschwerden eingesetzt werden. Für schwer verlaufende Mastozytoseformen stehen bisher nicht zugelassene, aber sehr wirksame Medikamente „off label“ zur Verfügung.

Wie werden Mastozytose-Medikamente am besten angewendet, wann und wie sollte man die Tabletten einnehmen?

All diese Medikamente wirken am besten präventiv. Das heißt man sollte sie bereits einnehmen oder anwenden, bevor es zur Mastzellaktivierung kommt. Ist der Rezeptor bereits blockiert, beruhigen sich die Mastzellen schneller. Hat die Reaktion, die Aktivierung der Mastzellen aber erst einmal begonnen, lässt sie sich nur schwer aufhalten.

Außerdem ist es für die Patienten wichtig zu wissen, dass man die Antihistaminika bei Mastozytose gerne in höherer Dosierung einsetzt, als im Beipackzettel angegeben - bis zur vierfachen empfohlenen Tagesdosis. Die höhere Dosierung hat sich bei Mastozytose sehr gut bewährt, aber auch bei anderen Mastzell-vermittelten Erkrankungen, wie beispielsweise der chronischen Urtikaria.

Eine präventive Behandlung der Mastozytose lässt sich durchaus vertreten, denn all diese Medikamente haben relativ wenige bis keine Nebenwirkungen.

Gibt es bei Mastozytose neue Therapien und woran wird geforscht?

Derzeit werden zahlreiche Medikamente auf ihre Wirksamkeit gegen Mastozytose geprüft. Wir selbst haben vor kurzem die erste doppelblind Placebo-kontrollierte Studie mit einem Antihistaminikum bei Mastozytose durchgeführt. Hier konnten wir zeigen, dass sich die Lebensqualität der Patienten unter einer solchen Therapie erheblich verbessert. Darüber hinaus gibt es weitere Medikamente, vornehmlich solche, die in den Aktivierungsprozess von Mastzellen eingreifen, die sich in klinischer Prüfung befinden.

Neben den sogenannten symptomatischen Therapien, mit denen das aus der Mastzelle austretende Histamin blockiert wird, werden aktuell neue Medikamente für Patienten mit indolenter systemischer Mastozytose in klinischen Studien untersucht. Diese Medikamente, die selektiven Tyrosinkinase Inhibitoren, haben einen anderen Ansatz, denn sie wirken auf die Mastzelle selbst.

Was ist ein Tyrosinkinase Inhibitor und wie hilft das bei Mastozytose?

Tyrosinkinase ist ein Enzym, das zusammen mit dem KIT-Rezeptor in der Zelle vorhanden ist. Die Tyrosinkinase exprimiert Signale, die zur Vermehrung und wahrscheinlich auch zur Überaktivierbarkeit der Mastzellen führen. Tyrosinkinase-Inhibitoren setzen genau da an und blockieren die Signalübertragung mit der Folge, dass die Anzahl der Mastzellen sinkt. Wahrscheinlich führt diese Blockade auch dazu, dass die Mastzellen nicht mehr so leicht aktivierbar sind. In Studien hat sich gezeigt, dass diese Medikamente insbesondere den Patienten helfen, die sehr viele Beschwerden haben und die durch die aktuellen Medikamente nicht gut kontrolliert sind. Hier konnte man eine deutliche Beschwerdereduktion feststellen. Den Patienten geht es besser, viele Beschwerden treten gar nicht mehr auf und die Lebensqualität steigt. Die Präparate sind auch gut verträglich, aber uns fehlt noch die Langzeit Erfahrung. Das sind positive Ansätze, so dass hoffentlich in den nächsten 1 bis 2 Jahren die ersten dieser Therapien zugelassen werden.

Gehört das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) zur Mastozytose?

Die Antwort ist ja und nein. Zunächst zur Frage: Was ist denn eigentlich ein Mastzellaktivierungsyndrom? Unter einem Mastzell-Aktivierungs-Syndrom versteht man alles, was beim Patienten durch die Aktivierung von Mastzellen zu Beschwerden führt. Das heißt, auch ein Patient mit einer Mastozytose hat ein Mastzell-Aktivierungs-Syndrom. Aber: Auch Menschen, die nicht an Mastozytose leiden, können ein Mastzell-Aktivierungssyndrom haben, wenn sie eine andere Mastzell-vermittelte Erkrankung haben. Dazu gehören zum Beispiel Allergien oder eine chronische Nesselsucht. Wir sprechen dann von einem primären und von einem sekundären Mastzell-Aktivierung-Syndrom. Darüber hinaus gibt es - und das ist eigentlich gemeint, wenn man vom Mastzell-Aktivierungssyndrom spricht - eine isolierte Erkrankung, das sogenannte idiopathische Mastzell-Aktivierungs-Syndrom oder MCAS. Bei MCAS nimmt man an, dass sich die Beschwerden der Patienten auf die Aktivierung von Mastzellen zurückführen lassen, ohne dass man eine andere Mastzell-vermittelte Erkrankung diagnostizieren kann.

Ist MCAS dann eine Ausschlussdiagnose?

Bislang ist nicht gut definiert, welche Beschwerden bei MCAS-Patienten durch eine Mastzellaktivierung möglicherweise ausgelöst werden. Deshalb lässt sich aktuell ein isoliertes Mastzell-Aktivierungssyndrom nicht eindeutig diagnostizieren. Es gibt keine verlässlichen diagnostische Marker. Die Beschwerden können in vielen Fällen auch andere Ursachen haben.

Wie sieht beim Mastzellaktivierungssyndrom die Behandlung aus? 

Zurzeit behandeln wir bei Verdacht auf ein Mastzell-Aktivierungssyndrom wie bei der Mastozytose. Wir setzen Antihistaminika, Cromoglicinsäure oder auch Leukotrien-Inhibitoren ein. So versucht man, über die Therapie herauszufinden, was den Patienten am besten hilft. Aber: Sieht man, dass die Therapie bei Mastozytose Patienten, die eine ganz eindeutige Mastzell-vermittelte Erkrankung haben, auch nicht funktioniert, heißt es im Umkehrschluss, dass ein Nichtansprechen auf eine solche Therapie auch nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium ist - da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Herr Privatdozent Siebenhaar, herzlichen Dank für dieses Interview!

Quelle:

*Leitlinien Dermatologie: Mastozytose, AWMF online, http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-058.html

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

21. Dezember 2022

Autor: Sabine Jossé, www.mein-allergie-portal.com

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