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Tight Junctions: Wie kommt es zum Leaky Gut?

Tight Junctions Leaky Gut
Tight Junctions und Leaky Gut: Wie hängt das zusammen? Bildquelle: M.Storr

Tight Junctions ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit funktionellen Darmbeschwerden wie dem Reizdarm Syndrom öfter fällt. Welche Funktion haben die Tight Junctions und wie kommt es zum Leaky Gut? Darüber sprach MeinAllergiePortal mit Prof. Dr. med. Martin Storr, Gastroenterologe am Gesundheitszentrum Starnberger See (MVZ).

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Martin Storr

Herr Prof. Storr, wie kommt es zu funktionellen Beschwerden des Darmes?

Es gibt viele Faktoren, die zu funktionellen Darmbeschwerden wie dem Reizdarmsyndrom führen können. Diese können die Darmbarriere schwächen, indem sie die Permeabilität des Darmes, die Durchlässigkeit des Darmes, erhöhen. Allerdings besteht die Darmbarriere aus vielen Schichten.

Wie ist die Darmbarriere aufgebaut?

Die Darmbarriere besteht aus den folgenden Schichten:

  • Blut- und Lymphsystem
  • Darmassoziiertes Immunsystem
  • Darmwandzellen
  • Mukusschicht
  • Darmflora/Mikrobiota

Wenn diese Darmbarriere nicht dicht ist und quasi leckt, spricht man von einem Leaky Gut oder einem durchlässigeren Darm. Das liegt auch an den sogenannten Tight Junctions, die dann nicht mehr dicht schließen.

Was ist mit „Tight Junctions“ gemeint?

Die Tight Junctions sind Strukturen zwischen den Mukosazellen der Darmschleimhaut und damit Teil der Darmbarriere. Unter anderem auch über das Nervensystem gesteuert, sorgen die Tight Junctions dafür, dass die Mukosazellen eine Barriere bilden und „dicht“ sind. Die Tight Junctions können aber auch durchlässig sein und selektiv Nahrungsbestandteile, Wasser, Elektrolyte und Ionen durchlassen, das ist völlig normal. Andererseits muss die Darmschleimhaut aber auch in der Lage sein, mit dem Darmlumen, mit dem Darminneren, zu kommunizieren, und das ist ein sehr diffiziler Vorgang. So besteht zum Beispiel eine Interaktion zwischen dem Nervensystem des Darms, dem zentralen Nervensystem dem Immunsystem des Darms und den Schleimhautzellen. Medizinisch gesehen ist ein Reizdarmsyndrom daher unter anderem, wenn nicht sogar führend eine Nervenerkrankung des Darmes.

Was ist die Ursache dafür, dass die Tight Junctions nicht dicht sind?

Es gibt viele mögliche Ursachen dafür, dass die Tight Junctions ihre Abdichtungsfunktion nicht erfüllen können.

Folgende Faktoren können die Tight Junctions undicht machen, es gibt aber noch viele weitere:

  • Stress
  • Alkohol
  • Rauchen
  • Toxine
  • Nahrungsbestandteile
  • Medikamente
  • Keime
  • Organfehlfunktionen 

Was passiert im Körper, wenn die Tight Junctions nicht dicht sind?

Unter anderem durch eine Mikroentzündung an der Darmbarriere können die Tight Junctions ihre Funktion der Abdichtung nicht mehr erfüllen. Es kann dann zur Freisetzung von Botenstoffen kommen, die eine ganze Reihe von Erkrankungen zwar nicht auslösen, aber mit triggern können. Dazu gehören unter anderem Allergien und Autoimmunerkrankungen. Darüber hinaus kann es aber auch zu einer Beeinträchtigung der Darm-Hirn-Achse kommen und zu einer viszeralen Hypersensitivität, die gerade beim Reizdarm eine Rolle spielt. Beim Reizdarm hat die Funktion der Darmbarriere eine sehr bedeutende Rolle.

Was bedeutet eine viszeralen Hypersensitivität beim Reizdarm?

Man konnte sehen, dass bei Reizdarm-Patienten das enterische Nervensystem in seiner regulativen Funktion gestört ist. Es kommt zur Generierung und vermehrten Freisetzung von Neuronen aktivierenden Mediatoren. Konkret bedeutet dies, dass diese Reizdarm-Patienten überempfindlich auf Reize am Darm reagieren. So kann bei diesen Betroffenen ein Reiz, zum Beispiel durch eine Darmbewegung, den andere gar nicht wahrnehmen würden, eine sehr schmerzhafte Symptomatik auslösen. Wie groß die Belastung durch diese Symptomatik ist, wird häufig unterschätzt. Das Ausmaß der Problematik wird aber angesichts der Tatsache deutlich, dass sich manche Patienten beim Versuch den Bauchschmerz zu stillen sogar an zu heißen Wärmflaschen den Bauch verbrennen.

Wie wird die Diagnose Leaky Gut gestellt?

Leaky Gut ist ein Konzept, keine Diagnose die in Laborbefunden gestellt werden kann. Interessierte brauchen zunächst ein gutes Buch zum Thema Leaky Gut, um eigenverantwortlich zu verstehen worum es hier geht und wie sich die Beschwerden erklären und sie brauchen einen guten Arzt, der ihnen bei ihren Symptomen und deren Behandlung hilft. Stuhl- und Laborbefunde, die diagnostische Sicherheit vorgaukeln oder Heilsversprechen durch die Einnahme von Präparaten abgeben, sollten Interessierte oder Betroffene sogar strikt meiden. Die Behandlungsleitlinien der modernen Schulmedizin raten von solchen Tests strikt ab. Also, wer einen Labortest zum Leaky Gut möchte hat nicht verstanden worum es geht und sollte sich erst mit einem Sachbuch informieren.

Ist es möglich, undichte Tight Junctions bzw. einen Leaky Gut zu behandeln?

Ja, spezifische Arzneimittel wie Larazotid, die an den Tight Junctions ansetzen, werden in klinischen Studien schon untersucht, stehen aber noch nicht in der Apotheke zur Verfügung. „Den Leaky Gut“ braucht man aber nicht behandeln, denn die moderne Schulmedizin sieht etwas viel besseres vor: Ursachen von medizinischen Beschwerden erkennen und Symptome behandeln. Dieses Konzept ist sehr erfolgreich dabei, Menschen zu helfen und ist die Kernaussage von Behandlungsleitlinien. Wer verspricht „Den Leaky Gut“ zu diagnostizieren oder zu behandeln hat das wissenschaftliche Konzept nicht verstanden.

Herr Prof. Storr, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

06. März 2024

Autor: S. Jossé/M. Storr, www.mein-allergie-portal.com

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